Der dritte Versuch Elfen und Menschen. Norbert Wibben
Читать онлайн книгу.ist nur eine Messingplatte, auf der das Zeichen der Könige des Ostreiches eingraviert ist.« Trotzdem hat sie das Symbol vermisst. Nicht wegen des Wertes an sich, oder weil es sie als Teil des Herrscherhauses ausweist. Nein! Der letzte Herrscher dort war ihr Bruder, dessen Sohn Shane sie in eine Schlacht gegen die dunklen Magier begleitet. In ihren Augen ist es wichtig, dass der Gegner erkennt, mit wem er es zu tun bekommt: Mit unerbittlich für Freiheit und Gleichberechtigung kämpfende Menschen, die gegen jede Art der Unterdrückung und Ungerechtigkeit aufstehen. Das Symbol verdeutlicht aber noch etwas: ihren Glauben an den Sieg des Guten über das Böse. Der Greif wird den Drachen besiegen, heißt es. Auch wenn die Auseinandersetzungen vor vielen Jahren immer zugunsten des Lindwurms ausfielen, sobald er auftauchte, konnten die Dubharan letztlich doch nicht gewinnen. Robyn zuckt es fast in den Händen, die Lanze mit dem Wimpel zu nehmen, um damit vorneweg in die Schlacht zu stürmen. Doch sie beherrscht sich. Sie weiß, mit dem Bogen kann sie besser für ihre Seite gegen die Dubharan kämpfen, als mit der Standarte.
Die Reiter lassen die Pferde nicht nur galoppieren, dann würden sie letztlich mit ausgepumpten Tieren in den Kampf ziehen müssen. Sie wechseln die Gangart und legen auch immer wieder kurze Pausen ein.
Die Gegend ändert sich langsam in eine hügelige Landschaft. Obwohl die Täler nicht zwischen Bergen, sondern eher zwischen kleineren Erhebungen liegen, erschwert das doch die Sicht in die Richtung, der sie folgen. Die Führer fordern alle zu erhöhter Vorsicht auf, doch außer Vögeln in der Luft und hin und wieder einigen Kaninchen, begegnen ihnen keine Lebewesen. Am Nachmittag erreichen sie den Waldrand, wo das Gebiet der Ostelfen beginnt. Hier erblicken sie einen stark aufgewühlten Boden, der den Weg der Dubharan kennzeichnet. Aedan lässt kurz halten, um mit Shane und Robyn die Fährte genauer zu untersuchen.
»So wie es die Menschen in unserem Gebiet berichtet haben, benutzen sie keine Pferde in dem Heer. Die Füße der Krieger haben sich tief in den Untergrund gewühlt. Das liegt zum Teil an dem weichen Waldboden, aber es deutet auch auf die große Anzahl der Kämpfer hin.«
»Ich stimme dir zu«, bestätigt Shane. »Das müssen Hunderte oder gar Tausend gewesen sein.«
»An den Rändern sind Abdrücke von den Tatzen vieler Wölfe zu erkennen, also befinden sich Wolfskrieger unter ihren Kämpfern.« Robyn hat die Spuren entdeckt.
»Dann werden wir einen schweren Stand haben, aber auch die sind verwundbar.« Mit der letzten Äußerung gibt Shane das Zeichen, den Dubharan zu folgen. Jetzt ändern sie ihre Formation. Sie könnten jeden Moment auf die gegnerischen Kämpfer treffen, da ist es besser, ihnen nicht hintereinander reitend zu begegnen. Auf jeweils drei Reiter nebeneinander folgen vier, dann wieder drei, und so weiter. Da die Dubharan eine breite Schneise durch den Wald gezogen haben, können die Reiter zwischen sich einen Freiraum für zwei lassen. Die Reihen folgen einander mit etwa zwei Pferdelängen Abstand. Diese Aufstellung ermöglicht ihnen, sehr effektiv auf einen Gegner mit den Bogen zu schießen, ohne sich dabei gegenseitig zu behindern. Wenn sie zusätzlich in einem festgelegten Rhythmus und abwechselnd ihre Geschosse abfeuern, bilden sie eine tödliche Formation, die es mit einem zahlenmäßig wesentlich stärkeren Gegner aufzunehmen vermag.
Die Pferde werden meistens im Schritt geritten, nur manchmal wird der Trab genutzt. Schon bald nach dem Eindringen in den Wald, halten sie erneut an, ohne ihre Formation zu ändern. Nach kurzer Untersuchung kommen die Anführer zu dem Schluss, dass hier ein erstes Gefecht stattgefunden haben muss. Feuergeschosse der Zauberer haben niedergebranntes Gebüsch und verkohlte Stellen an Bäumen hinterlassen. Ein leichter Geruch nach Verbranntem liegt noch in der Luft, auch wenn der Qualm längst verflogen ist. Neben dem Weg deuten aufgeschüttete Hügel auf hier rasch verscharrte Tote hin. Das erste Aufeinandertreffen hat demnach vielen Kämpfern der Dubharan das Leben gekostet. Robyn weiß, dass unter den Erdhaufen keine Elfen bestattet worden sind, weil sie in einer speziellen Zeremonie zu ihren Ahnen geschickt werden. Ob hier auch Elfen getötet wurden, ist also nicht zu ermitteln. Eine Bestattung sollte nach Elfenbrauch innerhalb von drei Tagen stattfinden, doch wie das gehandhabt wird, wenn eine kriegerische Auseinandersetzung dazu nicht genügend Zeit lässt, weiß sie nicht. Seltsamerweise sind ab hier auf dem Weg keine Wolfsspuren mehr zu erkennen. Sollten alle Wolfskrieger in dem ersten Gefecht getötet worden sein? Sie könnten aber ihre Gestalt als Krieger beibehalten haben, um bei einer neuen Auseinandersetzung sofort gegen die Elfen vorgehen zu können. Robyn schüttelt den Kopf, das ist nicht sehr wahrscheinlich.
Mittlerweile bricht die Dämmerung herein und es wird schwierig, dem Heer der Dubharan zu folgen. Notgedrungen schlagen sie etwas abseits des Weges ihr Lager auf. Es ist zwar nicht anzunehmen, aber die Dubharan könnten eine Nachhut hinter sich herziehen lassen, die den zurückgelegten Weg kontrolliert, um einen Angriff auf ihrer Rückseite frühzeitig zu erkennen. Aus diesem Grund zünden die Verfolger kein Feuer an. Deshalb gibt es für jeden nur trockenes Brot, ein Stück Käse und etwas Wasser. Den krönenden Abschluss bilden Äpfel. Um das Lager stellen sie vier Krieger auf. In Richtung des nun verlassenen Weges beobachten zwei von ihnen die Umgebung. Diese Wachen werden nach jeder Stunde abgelöst.
Robyn vermag lange Zeit nicht einzuschlafen. Kommt morgen der Tag, an dem sie zusammen mit Shane gegen die Feinde antreten wird, die ihr den Bruder und ihm den Vater genommen haben? Obwohl sie keine Angst um sich verspürt, zittert sie doch bei dem Gedanken, ihrem Neffen könnte ein Unheil widerfahren. Sollten die dunklen Magier erneut das geflügelte Untier, den feuerspeienden Drachen, an ihrer Seite haben, werden sie einen schweren Kampf auszufechten haben. Selbst wenn der Lindwurm nicht eingreifen wird, ist die ihnen gegenüberstehende Anzahl der Krieger so groß, dass sie nicht auf einen guten Ausgang des kommenden Tages hoffen können. Als sie endlich einschläft, jagen sich in ihrem Traum ein feuerspeiender Drache und ein Greif. Wer wird den Sieg davontragen?
Connors Angriff
Connor führt vor Beginn des Ansturms auf die Festungsanlage das Heer, das bis zum Erreichen des Moorgebietes zweigeteilt und getrennt marschiert war, wieder zusammen. Den Pfad durch den Morast findet er ohne Schwierigkeiten durch den ausgezeichneten Geruchssinn der Wölfe, die vorneweg laufen. Der sich oftmals windende Weg ist sehr schmal, darum können die Kämpfer nur hintereinander dieses Gebiet durchqueren. Der oberste Dubharan umgibt sich mit maximalem magischen Schutz, genauso wie Oskar, der bisherige Anführer der Truppe. Sie folgen den grauen Wölfen, die ihre Nasen dicht auf dem Boden halten. Am Ende des Sumpfes, der an großen Felsen endet, steigt eine sanfte, mit magerem Gras bewachsene Ebene zu einer beeindruckenden Burg hinauf. Den Zugang zu dieser Anlage bilden zwei riesige Felsplatten, die sich zueinander neigen und mit ihren oberen Enden berühren. Connor lässt die vierbeinigen Räuber ausschwärmen, die aber nicht zur Burg hinüberlaufen, sondern sich am Rand der Ebene verteilen. Felsen trennen dort das Moorgebiet und den festen Boden. Sollten sich hinter den riesigen Brocken Elfen verbergen, um in ihren Rücken zu gelangen? Connor überlegt nicht lange. Er deutet auf die Wölfe und murmelt einen Zauber. Die Tiere verwandeln sich sofort in die gefürchteten Wolfskrieger, die zwischen die Felsen stürmen wollen. Plötzlich fliegen ihnen Unmengen von Pfeilen entgegen. Der Anführer der Dubharan fordert die nachfolgenden Krieger auf, die versteckten Elfen anzugreifen und aus ihren Stellungen zu vertreiben. Die Aufsicht über diese Aufgabe übergibt er Oskar, dann wendet er sich gegen die Festung. Die nachrückenden Krieger überschwemmen die Ebene und drängen näher zur Burg. Mittlerweile fliegen von dort Pfeile und Steine auf die Angreifer herab. Connor ruft nach den anderen Zauberern und schleudert mit ihnen Feuerkugeln gegen die obere Brüstung. Trotzdem gelingt es nicht, den Beschuss durch die Verteidiger vollständig zu unterbinden. Immer wieder fallen Kämpfer der Dubharan, während ihre Bogenschützen keinen Schaden auf der Gegenseite anrichten.
»Wo befindet sich der Zugang in die Festung?« Connor ist wütend. Auf der Ebene drängen sich seine Krieger mittlerweile dicht an dicht, so dass die Verteidiger mit jedem Schuss oder Steinwurf ein Ziel treffen. »Ich muss den Eingang finden und stürmen lassen!« Mit diesen Gedanken schiebt er sich parallel zur Festung vorwärts, wobei er das Geschrei der Kämpfer nicht beachtet, die von seiner Schutzglocke weggedrückt werden. Während sich Connor unaufhaltsam wie ein Maulwurf durch das Gedränge schiebt, hat Oskar die Elfen aus ihren Stellungen hinter den Felsen vertrieben. Die Verluste