Die große Ratlosigkeit. Anton Weiß
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Anton Weiß
Die große Ratlosigkeit
Fakten, Hintergründe und Lösungsansatz
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Teil I: Fakten, die zur Ratlosigkeit beitragen
I/1. im wirtschaftlichen Bereich
I/2. im gesellschaftlichen und sozialen Bereich
I/3. im moralischen Bereich und menschlichen Miteinander
I/4. Kontroverse Auffassungen, Verunsicherung und Irritationen
II/1. Warum sind wir so ratlos?
II/4. Verlangen nach Sicherheit
Teil III: Lösungsansatz / Die Notwendigkeit der Transzendierung des Ichs
Hinführung
Ein Artikel in der SZ vom 28./29.12.2013 über den Soziologen und Politikwissenschaftler Hartmut Rosa war Anlass für diese Abhandlung. Rosa hat 2005 eine vielbeachtete Studie veröffentlicht, in der er „eindringlich zeigte, wie sich unser Alltag durch die permanente Beschleunigung aller Lebensbereiche verschlechtert hat“. 2009 sagte er, man müsste ein Buch schreiben mit dem Titel: „Die große Ratlosigkeit“. „Wir laufen nicht mehr auf einen positiven Zielhorizont zu, sondern vom Abgrund weg.“
Ich möchte in einem ersten Teil darlegen, wie unser Leben heute aussieht, um in einem zweiten Teil aufzuzeigen, was die Ursachen sind, die zu unserer heutigen Situation geführt haben. In einem dritten Teil werde ich einen Lösungsansatz aufzeigen.
Die Beispiele, die ich bringe, stammen weitgehend aus der Süddeutschen Zeitung aus der Zeit, in der ich diese Abhandlung erarbeite, also der ersten Jahreshälfte 2014 und dem davorliegenden Jahr 2013. Da ich kein wissenschaftliches Werk verfassen will, erspare ich mir häufig das jeweilige Zitieren der einzelnen Artikel. Nur dort, wo ich es aus Gründen der Glaubwürdigkeit und Nachprüfbarkeit für geraten halte, gebe ich die Fundstelle an, wobei „SZ“ für „Süddeutsche Zeitung“ steht. Auch soll es kein dickes Buch werden, so dass ich nur an exemplarischen Beispielen aufzeigen werde, worauf ich hinweisen will. Es gäbe noch viel mehr Belege; die Auswahl ist eher zufällig.
Teil I: Fakten, die zur Ratlosigkeit beitragen
Sehr gut kommt die Ratlosigkeit in einem Leserbrief in der SZ vom 8./9.2.14 zum Ausdruck, der im Zusammenhang mit einer Forderung sowohl von Bundespräsident Gauck als auch von Bundeskanzlerin Angela Merkel geschrieben wurde. Sie äußerten im Februar 2014 die Ansicht, dass sich die Bundesrepublik militärisch mehr engagieren müsse:
„Ich habe mich wohl grundsätzlich geirrt: Nach dem Krieg 1946 geboren, mit den Folgen des Krieges fertig geworden, das wunderbare Grundgesetz kennengelernt, auch die negativen Veränderungen daran bis heute, von Deutschland soll nie wieder Krieg ausgehen, erhebliche Vorwürfe gegen die Elterngeneration, nicht aufmerksam gewesen zu sein, Deutschland wird nun überall verteidigt, auch durch Wirtschaftskriege, Abschaffung der Wehrpflicht, Deutschland ist wieder wer, wir sind stark und müssen uns einmischen, Berufssoldaten, die auf Aufgaben warten, bald Militärparaden als Ausdruck von Stärke, Kriegshelden als Vorbilder, Beförderung von Soldaten als Helden, deren Fehler zu vielen unschuldigen Opfern führten, die Polizei will ja nicht hintanstehen, Polizeikontrollen zu jeder Zeit an jeder Stelle (Hamburgs Gefahrengebiete), Polizeibeamte, die es dort manchmal mit der Wahrheit nicht genau nehmen, die es nicht erdulden können, wenn ein Demonstrationszug mit mehreren Tausend Teilnehmern sich irrtümlich zwei Minuten zu früh in Bewegung setzt, Parlamentarier, die nicht wissen, was sie gerade entschieden haben, Parlamentarier, die es zulassen, dass ihnen Rechte genommen werden, eine Demokratie, die in alternativlosem Zwang zum Handeln erstickt, sich anschickt, sich durch Freihandelsabkommen und Ähnliches gänzlich überflüssig zu machen… Was habe ich mich bloß mein ganzes Leben lang geirrt. Wohin führt diese Entwicklung? Welche Vorwürfe machen uns nachfolgende Generationen? Fragen über Fragen! Antworten? (Gerd Kirschenmann, Hamburg).
Worin hat Kirschenmann sich ein Leben lang geirrt? Ich glaube, dass ich nicht fehl gehe mit der Annahme, dass er geglaubt hat, in einem Staat zu leben, der ehrlich bemüht ist, den Menschen ein größtmögliches Maß an Entfaltungsfreiheit zuzugestehen, der Verantwortung trägt für das Wohl seiner Bürger und alles tut, „um Schaden von ihnen abzuwenden“ (Eid des Bundeskanzlers bei Amtsantritt). Ein Staat, dem es vorrangig darum geht, den Bürgern Sicherheit und Freiheit zu garantieren, von dessen Boden nie wieder Krieg ausgehen sollte.
In all dem sieht sich Kirschenmann getäuscht, letztlich steht alles nur auf dem Papier und die konkrete Politik richtet sich nach Erwägungen, die viel mehr die internationalen Interessen im Blick haben als die der eigenen Bürger.
Das wird jetzt gut sichtbar im Fall Snowden, der vor einem deutschen Untersuchungsausschuss zur NSA-Affäre aussagen soll, wobei er fürchten muss, dass er von der Bundesrepublik an die USA ausgeliefert wird, wenn von dort ein Auslieferungsantrag gestellt wird, da er für Amerika ein Verräter und Staatsfeind ist. Sein Verbrechen: Er hat die unglaublichen Überwachungspraktiken der USA, die alle bisherigen Vorstellungen gesprengt haben, aufgedeckt. Deutschland verweigert ihm Asyl aus Rücksicht auf die USA, d. h. internationale Interessen gehen vor Recht und Gerechtigkeit.
Anstatt dass ein Aufschrei von der deutschen Regierung zu hören wäre angesichts der Ungeheuerlichkeit, dass die USA befreundete Staaten und deren oberste Repräsentanten abhören, dass Maßnahmen ergriffen würden, um die eigene Bevölkerung vor derartigen Eingriffen in die Privatsphäre zu schützen, verhält sich die Politik unverständlich ruhig und zurückhaltend.
Kein Wunder, dass ein solches Verhalten das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung erschüttert.
Ich möchte im weiteren Verlauf dieses ersten Teils an Hand von exemplarischen Beispielen aufzeigen, welche Erscheinungen in der heutigen Zeit im Wirtschaftsleben, im gesellschaftlichen und sozialen Zusammenleben und im moralischen und zwischenmenschlichen