Preis des aufrechten Gangs. Prodosh Aich

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Preis des aufrechten Gangs - Prodosh Aich


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Jahre und alle mit einem abgeschlossenen Universitätsstudium, lassen sich anstiften, täglich unser Haus ab dem späten Vormittag zu belagern, wenn ich aus dem Haus gehe, mir in einer Entfernung von 2–3 Metern zu folgen, Drohungen und Beschimpfungen auszustoßen und abends am Telefon schlimmste Drohungen auszusprechen. Dabei verweilen sie in der Universität doch eigentlich, um Forschungsqualifikationen zu erwerben. Es ist schmerzlich zu registrieren, daß kein einziger im Campus bisher in meiner Gegenwart zu diesem Zirkus irgendetwas gesagt hat.

      Spätestens ab dem 9. Januar weiß Mathur hierüber Bescheid. In seinem etwas ausführlicheren Schreiben vom 23. Januar geht er auf diesen täglichen Psychoterror ein. Auch sonst ist dieses Schreiben augenöffnend. Mathur erblickt wahrscheinlich andere Zusammenhänge. Seine Verwaltung muß ihn informiert haben, daß wir Materialien über diese Universität seit ihrer Gründung sammeln. Nach den Statuten der indischen Universitäten ist die Veröffentlichungspflicht unbegrenzt. Es gibt keinen sogenannten vertraulichen Teil in den Sitzungen der Gremien. Zur Verschleierung der Regelwidrigkeit stehen nur drei Instrumente zur Verfügung: die Informationen im Protokoll auf ein Minimum zu beschränken, die Drucklegung der Dokumentation so lange wie möglich hinauszuzögern und den Verteiler dieser Berichte zu minimieren. Wer soll sich schon für diese Dokumente interessieren, wenn sie mit Verspätung von Jahren vorgelegt werden und wenn eh daran nichts mehr zu rütteln ist? Nun erfährt Mathur, daß zwei Leute sich bemühen, diese Dokumente vollständig zu sammeln.

      Mathur sieht über den Tellerrand Unnithans hinaus. Er ist Mitglied der „Education Commission“. Sie arbeitet im Auftrag der Zentralregierung seit 1964 unter Beteiligung auch vieler ausländischer Gelehrter. Mathur weiß, daß der Bericht diese Tage veröffentlicht werden wird. Also wird die indische Universität einige Zeit in öffentlicher Diskussion bleiben. Den Ist–Zustand der indischen Universitäten kennt die Kommission ausschließlich von den bisherigen Veröffentlichungen der in– und ausländischen Gelehrten. Ihre empirische Grundlage ist mehr als mager. So haben die prominenten Vertreter aus den Universitäten wie Mathur ein großes Gewicht. Mathur erblickt in unserem Ansatz eine überzeugende empirische Beschreibung des Ist–Zutandes, wenn es uns gelänge, erfolgreich die Studierenden und die Lehrenden zu befragen und die Befragungen mit der faktischen Entwicklungsgeschichte der Universität zu verknüpfen. Auch wenn dies zunächst die Beschreibung einer indischen Universität ist. Also sucht Mathur nach einer Strategie, unsere Arbeiten elegant und effektiv zu Fall zu bringen.

      Mathurs Schreiben von 23. Januar verlangt mehr Energie von uns als uns lieb ist. Am 24. Januar haben wir auch Post bekommen. Nicht aus Köln. König und die Kollegen lassen uns in der Wüste von Rajasthan wirklich schmoren. Nein, wir haben Post bekommen aus Amsterdam. Ein eingeschriebener Brief von Frau Dr. Vreede-de-Stuers. Das Schreiben ist an mich adressiert. Eine Kopie des Schreibens schickt sie an Frau Unnithan. Die umgekehrte Konstruktion diesmal. Sie reagiert auf ein Schreiben ihrer Freundin in Jaipur vom 10 Januar, also einen Tag nach meiner Eingabe auf den Dienstweg. Frau Unnithan bittet Frau Vreede darin, die unerträgliche Atmosphäre in Jaipur mit einem Schreiben an mich aufzuklären. Ich würde Unnithan mit angeblichen Informationen über seine akademische Karriere in Holland erpressen, die ich von Frau Vreede erhalten haben soll. Frau Unnithan will von Frau Vreede wissen, ob sie damit einverstanden sei, daß ich mit von Frau Vreede geschriebenen Briefen in Jaipur hausieren gehe.

      Frau Vreede beginnt mit dem zweiten Punkt und meint, daß Frau Unnithan von Leuten falsch informiert worden sein muß, weil Frau Vreede mir bisher überhaupt keine Briefe geschrieben habe. Wie könnte ich also mit ihren Briefen hausieren gehen? Dieser Punkt allein zeige ihr aber auf, daß eine Kontroverse über eine Sache Formen angenommen hätte, mit Verleumdungen, Erpressungen usw., also mit Methoden, die, wie sie weiß, ich genauso verabscheuen würde wie sie („Methods, I know, you abhor as much as I do.“).

      Was Frau Vreede zum ersten Punkt schreibt, möchte ich doch lieber wörtlich übersetzen:

      „Was den ersten Punkt über Ihre Drohung mit enthüllenden kompromittierenden Informationen von mir (‚revealing compromising informations received from me‘) angeht, kann ich kaum sehen, wie Sie mit dem Wissen von Fakten jemand drohen könnten, worüber es weder Geheimnisse noch Gründe für Gerede geben kann, nämlich folgendes: Dr. Unnithan wollte ursprünglich an der Universität Amsterdam graduieren; als die angesprochenen Professoren ihm rieten, ein weiteres Jahr für die Bereicherung der Promotionsarbeit zu verwenden, konnte Dr. Unnithan offensichtlich diesem Rat nicht folgen, fand eine andere Universität für die Arbeit, so wie sie war. Es gibt sonst nichts ungeregeltes in seiner akademischen Karriere in Holland.

       Dies war meine Erklärung, als Sie ihre Verwunderung über den engen Kontakt zwischen Dr. Unnithan und einem holländischen Soziologen zum Ausdruck brachten, dessen Arbeiten anderswo unbekannt sind, aber dessen Name im Department, wo Sie gegenwärtig arbeiten, von jedermann erwähnt (‚whose name was on everybody’s lips in the Department‘) wird. (...)

       Weil dieses Schreiben gleichzeitig meine Antwort an Mrs. Unnithan ist, stelle ich ihr eine Kopie als meine exklusive Antwort an sie zu, die von beiden von Ihnen als mein endgültiger Standpunkt betrachtet werden soll.

       Vertrauend darauf, daß weder Frau Unnithan noch Sie meinen Namen beliebig gebrauchen werden, Ihnen mentalen Frieden und Gesundheit wünschend, die Sie für die Verwirklichung Ihrer interessanten Forschungsprojekte brauchen (‚and wishing you the peace of mind and the health necessary to materialise you interesting research projects‘), Ihre, (C. Vreede-de-Stuers)“

      Ich habe mit Frau Dr. Vreede nie korrespondiert. Vor unserem zufälligen Treffen habe ich sie nicht gekannt, und sie war eine langjährige Freundin von Frau Unnithan. Wir können ihr Verhalten nicht einschätzen. Es scheint, sie hatte irgendeine Rechnung mit Unnithans offen. Der letzte Satz ihres Schreibens deutet darauf hin, daß sie über die Realisierung unserer Forschungsarbeiten Skepsis hegte. Ich weiß nicht, ob ihre Sorge so weit ging, daß sie darüber je mit Wertheim gesprochen hätte und ob Wertheim mit König über die Geschichte beraten hätte.

      Aber das Schreiben von Frau Dr. Vreede beunruhigt uns doch. Nach der Anordnung von Mathur soll für mich etwas gelten, was Frau Unnithan als ständiges Mitglied der Universität nicht einhält, das Verbot, außenstehende „Dritte“ in diesem Konflikt einzuschalten. Außerdem liegen uns Informationen über Strafanzeigen gegen uns vor. Also setze ich Mathur am 24. Januar in Kenntnis, daß

      1 wenn die Universität eine Entscheidung über unsere Erhebungen um noch weitere zwei Wochen verzögert, sich die Angelegenheit von selbst negativ geregelt haben – akademische Freiheit hin, akademische Freiheit her;

      2 Unnithan ohne Angabe von Gründen und ohne die Studierenden zu informieren, unterbunden hat, daß ich meine Lehrveranstaltungen abhalten kann;

      3 Unnithan Doktoranden und Forschungsassistenten Papiere über den Konflikt gegen uns unterschreiben läßt, es uns aber untersagt ist, Dritte zu informieren;

      4 Unnithans die Verleumdung auch im Ausland fortsetzen, wie das Schreiben von Frau Dr. Vreede belegt;

      5 unsere Forschungsprojekte beim Geheimdienst als antinational angezeigt worden sind und daß der Geheimdienst Kopien des Fragebogens von der Druckerei bereits in Beschlag genommen hat;

      6 wir auch bei der Zollbehörde angezeigt worden sind, mit der Anschuldigung, wir würden geschmuggelte Güter im Besitz halten.

      Darüber hinaus halten wir in einem getrennten Schreiben am selben Tag die beiden folgenden Sachverhalte fest. Erstens: König ist stets über die Entwicklung im Department genauestens informiert gewesen. Weil es zu Konflikten gekommen ist, hat er uns nachträglich Institutsbriefbögen geschickt, damit wir die Durchführung der Befragungen im Namen des Instituts organisieren können. Und zweitens: Wir haben von der Existenz einer Untersuchung des Departments erst nach dem 24. Oktober Kenntnis erhalten, als Unnithan anregte, diese seine ältere Untersuchung in unsere neuen Untersuchungen mit einzubeziehen, was wir ablehnen mußten. Zu diesem Zeitpunkt waren wir bereits mit Voruntersuchungen beschäftigt. Außerdem gab es für die Ablehnung auch konzeptuelle Gründe: Unsere Untersuchungen sind von den neuesten soziologischen Theorien abgeleitet.

      Während Mathur eine


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