Preis des aufrechten Gangs. Prodosh Aich

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Preis des aufrechten Gangs - Prodosh Aich


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für die Befragung. Dank Unnithan, der mich de facto von meinen Dienstpflichten entbunden hat, habe ich mehr Zeit. Wir nutzen die Zeit nicht mit schlechtem Erfolg, was natürlich Mathur und Unnithan nicht verborgen bleibt. Sie sind wütend.

      Am 25. Januar schließt Unnithan die Fragebögen unserer Voruntersuchungen in seinem Büro ein. Am 26. benachrichtige ich Mathur über diesen Vorfall und bitte ihn dafür zu sorgen, daß die ausgefüllten Fragebögen mir unverzüglich zurückgegeben werden. Am 27. wird mir ein „vertrauliches“ Papier, das fünf Unterschriften trägt, offiziell zugestellt. Das Papier, adressiert an Unnithan, enthält zunächst einen ausführlichen Bericht von ca. 75 Zeilen, unterschrieben von dem Sekretär Unnithans, der die Vermutung äußert, ich hätte von einem früheren Fragebogen im Department für unsere Untersuchung Fragen abgeschrieben. Unnithan leitet das Papier zur Überprüfung dieser Vermutung an J. C. Sharma, „Research Assistent“, weiter. Dies ist die zweite Unterschrift. Sharma erstattet Bericht. Einige Fragen seien abgeschrieben. Die Dritte Unterschrift. Unnithans Vermerk: Er ist zufrieden („I am satisfied that Dr. Aich has committed an offence under Indian Copyright Act. We shall report the matter to the Vice Chancellor and seek his permission to take legal action against Dr. Aich. In the meanwhile, the office may bring this to the notice of Dr. Aich“). Vierte Unterschrift. Eine Kopie des ganzen wird mir zugestellt. Unterschrieben von dem Sekretär. Alle fünf Unterschriften tragen das Datum des 24. Januar.

      Am 28. schicke ich Mathur eine Kopie dieses Papiers und teile ihm mit, daß alles erfunden ist. Bei der Gelegenheit erinnere ich ihn, daß die ausgefüllten Fragebögen meiner Voruntersuchungen immer noch nicht zurückgegeben sind. Am nächsten Tag teilt mir Mathur mit, daß er Unnithan gebeten hat, mir die Fragebögen zurückzugeben. In einem gesonderten Brief bittet er mich, ich solle dazu Stellung nehmen, inwiefern unsere Fragebögen über „Education, Social Change and Modernisation – A Sociological Study of, Aspirations, Attitudes and Values of Indian Students and Teachers“ mit dem beigefügten, von der Studentin Kamla ausgefüllten Fragebogen über „A Sociological Study of Aspirational Level and Values of Youths“ Ähnlichkeiten aufweise. Über die Zustellung des von der Studentin Kamla ausgefüllten Fragebogens, bin ich froh. Ab jetzt bin ich in der Lage, jedem sachkundigen Dritten die beiden Fragebögen für ihre eigene Beurteilung vorzulegen und nicht selbst Stellung nehmen zu müssen.

      Am 30. Januar habe ich etwas mehr Luft. Ich schreibe zwei Briefe an Mathur. In dem kürzeren der beiden Briefe danke ich ihm dafür, daß auf seine Veranlassung hin die Fragebögen endlich mir zurückgegeben worden sind. In dem langen Brief hebe ich zunächst den Widerspruch hervor: Warum soll Unnithan, seine Untersuchung in unsere Untersuchungen mitintegrieren wollen, wie dies schriftlich belegt ist, wenn unsere von seiner Untersuchung abgeschrieben worden sein sollten? Dann mache ich ihn darauf aufmerksam, daß Unnithans Fragebogen 75 Fragen und 8 Tabellen und unser Fragebogen 149 Fragen und zwei Tabellen enthalten. Selbst in der „Office Note“ wird festgestellt, daß 15 Fragen in Unnithans Fragebogen Ähnlichkeiten mit 25 Fragen in unserem hätten. Wie könnte dann unser Fragebogen von Unnithans abgeschrieben sein? Danach erwähne ich, daß unser Fragebogen mehr Ähnlichkeiten mit den Fragebögen hätte, die ich in Deutschland verwendet habe und weise schließlich darauf hin, daß alle Fragebögen einige statistische Grunddaten erheben, deren Erfragung naturgemäß nicht sehr unterschiedlich durchgeführt werden könne.

      Konkret unterbreite ich Mathur noch zwei Vorschläge. Er könnte irgendeinen Sozialforscher bitten, jene in beiden Fragebogen erfaßten statistischen Variablen in Fragen zu operationalisieren. Das Resultat wird Mathur sicherlich überzeugen. Oder könnte er die beiden Fragebögen an die folgenden bekannten Soziologen für ihre Stellungnahme verschicken: Daniel Lerner (Harvard University), Erwin K. Scheuch (University of Cologne), Edward A. Shils (University of Chicago und Oxford), W. F. Wertheim (University of Amsterdam). Jede ihrer Entscheidung werde ich akzeptieren.

      Am 30. Januar übersende ich sämtliche angelaufenen Schriftstücke mit dem folgenden Begleitbrief an König nach Köln:

      „Sehr geehrter Herr Professor, bitte entschuldigen Sie, daß ich Ihnen so viele Kopien von Briefen zusende. Aber ohne den Briefwechsel zu kennen, werden Sie sich kaum vorstellen können, in welchen Dschungel ich hier geraten hin. Wäre mir diese Geschichte nicht selbst passiert, ich hätte sie niemandem geglaubt. Ich hoffe nur, daß wir die Untersuchungen doch irgendwie durchziehen können. Sobald die abgeschlossen sind, werden wir diesen Ort fluchtartig verlassen. Das heißt nicht, daß ich nicht von einem anderen Ort aus etwas gegen die Schikanen Dr. Unnithans und gegen die Untätigkeit des Vice Chancellors etwas unternehmen werde. Auch deshalb werden wir Jaipur baldmöglichst verlassen, weil ständig anonyme Anrufe mit Drohungen kommen und man mir auch auf der Straße Gewalt androht. Dem Vice Chancellor ist das alles bekannt.

      Meine Eltern habe ich immer noch nicht besuchen können, ich warte immer noch auf das Visum. Ich hoffe, wir können wenigstens einmal nach Ostpakistan fahren. Wenn dieser Besuch nicht zustande kommt, dann war es den ganzen Ärger und die finanzielle Belastung wirklich nicht wert. (...)

      Den Fragebogen und mein Schreiben vom 17. Januar haben Sie sicherlich bekommen. Ich nehme an, Sie haben dem Vice Chancellor schon geschrieben. Da im Campus nicht alle von der Sorte Unnithans sind, ist es uns gelungen, mit Ausnahme von 6 Departments die Klassenzimmerbefragung durchzuführen. Falls der Vice Chancellor nicht endlich entscheidet, werde ich immer noch etwa 400 bis 450 ausgefüllte Fragebogen von dieser Universität haben. Ich habe an den Vice Chancellor der Universität Delhi geschrieben. Eine Antwort steht noch aus. Wäre es Ihnen möglich, auch an den Vice Chancellor der Universität Delhi, Prof. Ganguli, zu schreiben, damit ich die Untersuchung auch dort durchführen kann? Ich hatte auch an den Vice Chancellor der Banaras Hindu University, Dr. Triguna Sen, geschrieben und ebenfalls an Prof. Dr. S.K. Srivastava, Head of the Department of Sociology, Banaras Hindu University. Im Prinzip war man dort einverstanden, aber wegen der Entfernung ist die Durchführung nicht ohne Unterstützung des dortigen Departments möglich. Könnten Sie vielleicht auch an Prof. Srivastava schreiben, damit er gewisse Unterstützung gibt? Ich habe pro Untersuchung 2000 Fragebögen drucken lassen, die ich nicht gern leer zurückbringen möchte.

      Ich hoffe sehr, Ihnen in meinem nächsten Brief etwas Erfreulicheres berichten zu können. Mit den besten Empfehlungen, Ihr“

      Am Vormittag des 31. Januar. werde ich mit einem 65zeiligen Schreiben von Unnithan beehrt, das mit „Dear Sir“ beginnt und mit „Professor & Head of the Univ. Dept. of Sociology“ endet. Dazwischen sind alle denkbaren Anschuldigungen, unter anderem auch, daß ich als Angehöriger der Universität Rajasthan ohne Genehmigung mit einem ausländischen Institut kollaboriere. Ich soll mich nicht später als um 17.00 Uhr des 1. Februar dazu äußern, („but not later than 5.00 p.m. of the first day of February 1967“).

      Ich stelle Unnithan frei, alles zu unternehmen, was er will. Eine Kopie des Schreibens und meine Antwort dazu stelle ich Mathur zu. Bei der Gelegenheit erinnere ich Mathur auch daran, daß eine Entscheidung der Universitätsleitung über unsere beiden Untersuchungen immer noch aussteht und unterbreite als Entscheidungshilfe einen dritten konkreten Vorschlag. Mathur möge beide Fragebögen seinen beiden professoralen Kollegen Pande (Department of History) und Daya Krishna (Department of Philosophy) für deren Urteil vorlegen. Ich bitte ihn auch um die Erlaubnis, daß ich von der Studentin Kamla ausgefüllten Fragebogen in meine Akte legen darf.

      In meiner Anhörung bei der von Mathur eingesetzten Kommission am Vormittag des 4. Februar erfahre ich, daß Unnithan viele Schriftstücke produziert und bei Mathur eingereicht hat, wovon ich keine Kenntnis habe. Auch die Kommission gewährt mir keinen Einblick. Sie will von mir wissen, welche Bewandtnis es hätte, daß ich auf den Fragebögen für die Voruntersuchungen das Copyright beansprucht hätte. Ich berichte, daß ich angesichts der Ausbeutungs– und Diebstahlspraxis in Unnithans Department meine mühsamen Operationalisierungen komplizierter soziologischer Konzepte schützen wollte. Ohne diese Benennung hätte ich die Unterlagen meiner Voruntersuchungen, die Unnithan sich angeeignet hatte, nicht zurückbekommen.

      Die Kommission will von mir wissen, ob ich auf das Copyright verzichten könne. Unnithan hat der Kommission gegenüber die Befürchtung geäußert, durch die Benennung des Copyrights werde seinem Department verwehrt, später zum gleichen Thema Untersuchungen durchzuführen.


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