Durch die Bank. Dieter Lüders

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Durch die Bank - Dieter Lüders


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bis zu den Harburger Bergen. Abertausende Container in zig Farben, darüber der blaue Frühlingshimmel, und keiner sah hin.

      „Vater, das weißt du doch. Ich will um die Welt segeln. Such dir jemand anderen, der deine Bank weiter führt.“ Manuel leierte diesen Satz herunter, als hätte er es schon mehrmals gesagt und wurde doch nie ernst genommen.

      „Reich deine Diplomarbeit ein, und alles wird gut.“ Als Peter das sagte, suchte er Papiere in den Schubladen. Claudia schien keiner sonderlich zu beachten. Manuel nahm Peter einige Zettel ab und sah sie sich an. Dann machte er zwei Häufchen und sortierte sie nach Regeln, die nur er kannte.

      Dass man in Hamburg zuweilen etwas kühl mit seinen Mitmenschen umging, das war Claudia bekannt. Viele mochten das nicht. In Amerika war das genau umgekehrt. Erst ‘hello’ und ‘how are you?’, und danach wurde man wie Luft behandelt. Es war aber nur der durchschnittliche Umgangston, denn es gab auch Ausnahmen. Hier aber nicht. Peter und Manuel waren sogar überdurchschnittlich im Ignorieren. Claudia dachte sich nichts dabei. Sie kannte beide Mentalitäten, und ihr war es recht so, wie es war. Hauptsache, wieder im Berufsleben. Auf dem Arbeitsamt war es teils noch viel schlimmer. Ihr zuständiger Sachbearbeiter hatte sie sogar einmal überhaupt nicht begrüßt. Er musste sehr überfordert gewesen sein. Claudia konnte sich diesen Angestellten des Jobcenters beim besten Willen nicht als Bankangestellten vorstellen. Kunden einer Bank waren so wichtig wie in Indien die Kühe. Kunden eines Jobcenters waren für ihn alles andere als gern gesehen. Sie selber gab sogar einmal die Parole raus; ‘Der Kunde ist nicht König, der Kunde ist Gott!’ Das richtete sich nicht gegen den Schöpfer, es brachte nur den verirrten Glauben auf den Punkt. Die einen tanzten um das goldene Kalb, und die anderen tanzten um die Melkkuh namens Kunde. Was manchmal als goldenes Kalb anfing und sich zur Melkkuh entwickelte, das endete ab und zu auch als störrischer Ochse.

      Horst Wohlert, ihr Vater, war dafür ein Beispiel. Er trug sein Joch und zog den Karren durch den Dreck, bis er desertierte. Er ließ seine Landmaschinenfirma im Morast stecken, und Claudia sollte nun den Matsch auslöffeln. Ein Gedanke, der sie herausforderte. Lange genug hatte sie auf ihren Einsatz gewartet. Und heute war ihr großer Tag. Die Uhr war zurück gedreht auf die Stunde Null. Es konnte nur noch wenige Sekunden dauern, bis einer der beiden Bankiers etwas sagte, und zwar zu ihr.

      Dann hatten die beiden die Zettel studiert und sortiert. Manuel trat zurück, Peter ergriff das Wort: „Seit drei Monaten sind keine Zahlungen mehr eingegangen.“

      Manuel sah zu Claudia herüber. Sie sah schuldbewusst zurück. Manuel tat es etwas leid, dass Claudia in der Mithaftung stand. Nicht rechtlich, aber moralisch und auch beruflich. Ihr Vater wollte sie nicht ans Ruder lassen, ihm war alles egal geworden.

      „Mahnungen, Zwangsvollstreckungen, wir sind am Ende. Jemand hat ein Insolvenzverfahren für die Landmaschinenfirma angemeldet“, sagte Peter und schaute in die Gesichter der beiden.

      „Oh! So schlimm?“ Claudia war ratlos.

      „Ja. Das ist sehr schlimm. Was nämlich gerade erst passiert ist, das ist, dass das Gericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter eingesetzt hat.“

      Manuel resümierte, was er in seinen Vorlesungen an der Uni über das Insolvenzrecht gelernt hatte. Aber viel war das nicht. Es war nicht gerade sein ‘Spezialgebiet’.

      Claudia kannte sich mit Pleiten, Pech und Pannen viel besser aus. Aber jetzt sofort mit Fachbegriffen zu jonglieren, das wollte sie nicht. In Deutschland hatte sie damit noch keine Erfahrungen. Peter kannte sich aus. Ihm war blitzartig klar, dass er seine Kredite abschreiben musste, was die Landmaschinenfirma anging. Ein Insolvenzverfahren dauerte nicht nur lange; meist gab es nur einen Bruchteil des eingesetzten Kapitals zurück. Alleine die Gerichtskosten fraßen manchmal die Insolvenzmasse komplett auf. Mit diesen Hintergedanken sah er Claudia und Manuel erneut an. Die machten nur große Augen und schwiegen.

      „Der Gläubigerwettlauf ist damit erst mal hinfällig. Das wisst ihr ja.“

      Claudia und Manuel stimmten mit angedeutetem Nicken zu und warteten, dass er fortfuhr. Peter merkte, dass er sich noch nicht klar genug ausgedrückt hatte.

      „Ihr beiden fahrt da jetzt mal für drei Tage hin und seht, was man da noch machen kann.“

      Damit hatte Claudia nicht gerechnet, sie hatte es zwar geahnt, aber sie wollte es nicht wahr haben. Manche Leute in der Landmaschinenfirma kannten sie vielleicht von früher. Sie würden sich sicherlich wundern, dass sie jetzt für die Bank arbeitete. Aber das müsste sie ja nicht jedem auf die Nase binden. Manuel war das ziemlich egal. Er musste ‘Ja’ und ‘Amen’ sagen. Er tat ja sonst nicht viel für seinen Lebensstandard. Um seine Kreditkarte und den Sportwagen behalten zu können, könnte man ja tatsächlich mal zeigen, was man einmal gelernt hatte. Und wenn alle Stränge rissen, dann läge sein Segelboot im Hafen von Blankenese. Er hatte nichts zu verlieren, im Gegenteil, dachte er. Er konnte etwas gewinnen, und zwar das Herz von Claudia. Was für eine Frau..., Anfang dreißig, und sie hatte ihre Bachelor-Arbeit erfolgreich eingereicht.

      Er hatte seine Abschlussarbeit nur in der Schublade abgelegt. Ohne Abschluss war alles offen, mit Abschluss war man geprägt und der Weg vorgegeben. Er liebte seine Freiheit aber mehr. Sie hatte Auslandserfahrungen, sogar in Amerika, und sie hatte die Bankenkrise überstanden. Er war ganz kleinlaut in ihrer Gegenwart, denn er wusste nichts von ihrer Niederlage. Das war sein Problem. Es interessierte ihn nicht, was in der Bank seines Vaters vorging. Dass er nun mit der neuen Mitarbeiterin einen Auftrag hatte, fand er einfach nur gut. Er wünschte sich plötzlich nichts sehnlicher, als dass er seinen Abschluss gemacht hätte. Und es kam noch schlimmer; es wurde ausgesprochen - von Peter.

      „Sie, Frau Petersen und du, Manuel, ich vertraue euch. Enttäuscht mich nicht, ich habe viel Geld in die Landmaschinenfirma investiert. Rettet den Laden, oder holt mir mein Geld zurück. Wie ihr das macht, das ist mir egal. Ich will nur nicht in der Presse lesen, dass Kunden unserer Bank pleite gehen. Was wirft denn das für ein Bild auf uns?“

      Manuel sah Claudia kurz an. Ihr Blicke trafen sich, und sie begannen zu lächeln.

      „Klar“, sagte Manuel.

      „Klare Ansage. Ok. Wir tun, was wir können.“

      Peter haute die Zettel auf den Tisch.

      „Versteht mich denn hier niemand? Das Kind ist in den Brunnen gefallen. Die Landmaschinenfirma untersteht jetzt dem Gericht.“

      Manuel wollte etwas sagen, aber was sollte er dazu sagen? Er war doch kein Zauberer. Die normale Arbeit eines Bankangestellten war ihm schon suspekt, und sich jetzt noch weiter aus dem Fenster lehnen? Das war eher etwas für Experten, für abgebrühte Profis, die mit allen Wassern gewaschen waren. Für Leute wie Claudia. Leute, die Banken durch Weltwirtschaftkrisen führen konnten. Er bekam nach und nach weichere Knie. Sollte er jetzt schweigen und gehen, oder sollte er große Versprechen machen?

      Claudia hatte fast die selben Gedanken. Noch eine Pleite einkassieren oder sich aufbäumen? Alles oder nichts. Wenn die Landmaschinenfirma wirklich am Ende wäre, dann konnte sie ihren Vater ebenso abschreiben. Sie könnte ins Familienalbum eintragen oder auf seinen Grabstein eingravieren lassen: Hier ruht mein Vater, er hat sich totgesoffen, weil ich seine Firma nicht retten konnte. Andererseits schoss ihr der Gedanke durch den Kopf, dass sich Stresshormone auch zu einem Angriff vortrefflich eigneten.

      „Mit allen Mitteln?“ fragte sie und sah Peter mit festem Blick an.

      Peter fiel eine Gerölllawine vom Herzen. Er sah an die Decke, klatschte beide Hände zusammen und atmete tief durch.

      „Frau Petersen! Sie sind ein Engel. Manuel, Sohn! Die Frau hat es! Wenn du bloß auch etwas von ihrem Kampfgeist hättest.“

      Manuel kam sich plötzlich schäbig vor. Kleingläubig lächelte er Claudia an. Sie konnte sich sehr gut in seine Lage versetzen. Genauer gesagt, war sie in seiner Lage. Sie war und dachte so, wie es Peter sich von seinem Sohn immer gewünscht hatte. In der Hoffnung, dass sich Manuel von Claudia eine Scheibe abschneiden konnte, wurde es für ihn zur Gewissheit: Er hatte ein Traum-Team geboren.

      Für alle drei Beteiligten war es zwar nicht nötig, die Hintergründe dieser


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