Die Abenteuerin. Edgar Wallace

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Die Abenteuerin - Edgar Wallace


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aber es gelang ihrem Mann, sie so weit zu beruhigen, daß sie sich zur Ruhe legte.

      Um halb zwei ging er zum vierten Male zum Krankenzimmer. Da er sich vor Ansteckung fürchtete, begnügte er sich wieder damit, durch den Türspalt zu schauen. Der Arzt hielt noch immer neben dem Bett Wache und las in einem Buch.

      Vorsichtig ging Grandman wieder die Treppe hinunter, und zwar so leise, daß er beinahe mit einer schlanken jungen Dame zusammengestoßen wäre. Sie begegnete ihm in dem dunklen Flur, an dem die Zimmer der vornehmsten Gäste lagen.

      Sie drückte sich in eine Nische, und da sie ein ganz dunkles Kleid trug, ging er an ihr vorüber – so nahe, daß sie ihn mit der Hand hätte berühren können. Sie wartete, bis er verschwunden war, glitt an der Wand entlang, bis sie zu einer der Türen kam, und fühlte vorsichtig nach dem Schlüsselloch.

      Der Gast, der das Zimmer bewohnte, hatte den Fehler gemacht, die Tür zu verschließen und den Schlüssel abzuziehen. Im nächsten Augenblick steckte sie einen Nachschlüssel ins Schloß, drehte ihn vorsichtig herum und schlich auf Zehenspitzen in den Raum.

      Sie blieb stehen und lauschte. Erst als sie leises, gleichmäßiges Atmen hörte, ging sie zu dem Toilettentisch und tastete dort alles ab. Sie hatte bald gefunden, was sie suchte, und schüttelte den glatten Lederkasten leicht. Kaum eine Minute nach ihrem Eintritt verließ sie das Zimmer wieder.

      Die nächste Tür hatte sie schon halb geöffnet, als sie Licht in dem Zimmer bemerkte. Regungslos blieb sie stehen. Auf der anderen Seite des Zimmers brannte die kleine Nachttischlampe. Das war zwar in gewisser Weise sehr angenehm, aber das junge Mädchen wollte sich zunächst vergewissern, ob die Dame, die zwischen all den aufgehäuften Kissen lag, wirklich fest schlief. Sie wartete fünf Minuten lang. All ihre Sinne waren aufs äußerste angespannt; erst als sie auch hier regelmäßiges Atmen feststellen konnte, war sie beruhigt und ging zu dem Toilettentisch. Hier war ihre Aufgabe leicht; nicht weniger als ein Dutzend kleiner Samt- und Lederetuis lagen auf der Glasplatte. Geräuschlos öffnete sie eins nach dem andern und ließ den funkelnden Inhalt in ihre Tasche gleiten.

      Als sie das letzte Schmuckstück eingesteckt hatte, kam ihr ein Gedanke. Sie sah sich die Schläferin genauer an; es war eine etwas hagere Frau: Lady Ovingham. Geräuschlos verließ sie das Zimmer.

      In dem nächsten Raum, der nicht verschlossen war, schlief Mrs. Grandman. Aber ihr Schlaf war nicht ruhig. Sie hatte die Tür für ihren Mann aufgelassen, der ihr versprochen hatte, sie noch aufzusuchen, um die Anordnungen für den nächsten Tag mit ihr zu besprechen. Das hatte er aber anscheinend in seiner Aufregung vollkommen vergessen.

      Ein kleiner Safe war in die Wand eingelassen; der Schlüssel steckte. Mr. Grandman hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, seine und seiner Frau Wertsachen jeden Abend in den Safe einzuschließen.

      Sie öffnete die Tür und tastete das Innere ab. Bald hatte sie auch gefunden, was sie suchte. Im selben Augenblick aber hörte Mrs. Grandman plötzlich auf, ruhig zu atmen. Sie stöhnte und drehte sich von einer Seite auf die andere. Die Einbrecherin stand wie versteinert, aber schließlich begann das ruhige Atmen von neuem, und sie stahl sich auf den Gang hinaus.

      Sooft sie eine Tür schloß, blieb sie einen Augenblick stehen und drückte ein Papiersiegel darauf.

      Unten in der Bibliothek hörte Mr. Grandman das leise Brummen eines Motors, und er erhob sich erleichtert. Nur der Butler war ins Vertrauen gezogen worden; der stattliche alte Mann saß in der Halle in einem Sessel. Er war ebenso erleichtert wie sein Herr; rasch ging er zur Haustür und öffnete.

      Draußen stand ein Krankenauto, aus dem zwei Wärter stiegen. Sie holten eine Trage und mehrere Decken aus dem Wageninnern und brachten sie in die Halle.

      »Ich werde Ihnen den Weg zeigen«, sagte Grandman. »Aber seien Sie bitte so leise wie möglich.«

      Er führte sie die mit schweren Läufern belegten Treppen hinauf, bis sie schließlich zu dem Krankenzimmer kamen.

      »Ach, da sind Sie endlich«, sagte der Arzt und gähnte. »Setzen Sie die Trage dicht neben das Bett. Mr. Grandman, ich würde Ihnen raten, nicht zu nahe heranzukommen. Die Ansteckungsgefahr ist doch ziemlich groß.«

      Gleich darauf trugen die beiden Krankenwärter die Trage hinaus; eine fest in Decken gewickelte Gestalt lag darauf. Das Gesicht der Patientin war kaum zu sehen, aber als sie an Mr. Grandman vorübergetragen wurde, spielte ein schwaches Lächeln um ihren Mund.

      Die Krankenwärter verstanden ihre Sache ausgezeichnet. Ohne das geringste Geräusch trugen sie die Kranke die Treppe hinab und schoben die Trage in den Wagen.

      »Das wäre also in Ordnung«, meinte der Arzt. »An Ihrer Stelle würde ich das Zimmer, in dem die junge Dame lag, abschließen und morgen gründlich desinfizieren lassen.«

      »Ich bin Ihnen wirklich zu größtem Dank verpflichtet, Doktor. Wenn Sie mir Ihre Adresse geben wollen, werde ich Ihnen morgen sofort einen Scheck schicken, um mich erkenntlich zu zeigen.«

      »Tun Sie das lieber nicht«, erwiderte der andere heiter. »Es ist mir ein Vergnügen gewesen, Ihnen behilflich zu sein. Ich fahre jetzt mit meinem Wagen zur Stadt zurück.«

      »Wohin bringen Sie die junge Dame?« fragte Mr. Grandman.

      »In die Isolierstation des Bezirkskrankenhauses«, entgegnete der Arzt, »Das ist doch wohl Vorschrift?« fragte er einen der Krankenwärter.

      »Jawohl«, entgegnete der Mann.

      Mr. Grandman blieb auf den Stufen der Treppe stehen, bis die roten Schlusslichter des Wagens verschwunden waren, dann ging er, in dem stolzen Gefühl, eine schwierige Aufgabe gut gelöst zu haben, ins Haus zurück.

      »So, nun ist alles in Ordnung«, sagte er zu dem Butler. »Ich danke Ihnen, daß Sie so lange gewartet haben.«

      Befriedigt lächelnd ging er den Korridor zu seinem eigenen Zimmer entlang. Als er an der Tür seiner Frau vorbeikam, stolperte er über einen Gegenstand. Er bückte sich und hob einen Lederkasten auf. Da er in der Dunkelheit nichts sehen konnte, drehte er das Licht an.

      »Donnerwetter!« entfuhr es ihm, denn das Lederetui, das er in der Hand hielt, war der Schmuckkasten seiner Frau.

      Er eilte zu ihrer Tür und wollte gerade die Klinke herunterdrücken, als er das Papiersiegel auf der Türfüllung sah. Entsetzt starrte er auf die vier Quadrate, in deren Mitte sich ein J befand – das Zeichen der ›Quadrat-Jane‹!

      An der nächsten Straßenkreuzung, wo ein großes Auto wartete, hielt der Krankenwagen. Die Patientin, die sich schon lange vorher aus den Decken gewickelt hatte, stieg aus, sie trug einen großen, schweren Lederbeutel. Einer der beiden Wärter nahm ihn ihr ab und legte ihn in das andere Auto, an dessen Steuer der junge Arzt saß.

      Dieser sagte zu dem Wärter: »Also bis morgen früh, Jack!«

      »Jawohl, Doktor«, entgegnete der Mann.

      Er nickte ›Quadrat-Jane‹ zu und ging zu dem Krankenauto zurück, an dem er das hintere Nummernschild entfernte, bevor er in der entgegengesetzten Richtung nach London fuhr.

      »Nun, sind Sie fertig?« fragte der Arzt seine ›Patientin‹.

      »Alles in bester Ordnung«, entgegnete sie und setzte sich neben ihn. »Sie sind aber reichlich spät gekommen, Jim. Ich hätte beinahe einen Ohnmachtsanfall bekommen, als ich hörte, daß die Leute im Schloß nach dem Dorfarzt geschickt hatten.«

      »Sie hätten sich keine Sorge zu machen brauchen«, sagte der Mann am Steuer und ließ den Motor an. »Ich hatte den Dorfarzt durch einen Freund nach London rufen lassen. Nun, wie ist es – haben Sie genügend gefunden?«

      »Reichlich«, entgegnete ›Quadrat-Jane‹ kurz. »Morgen früh werden Grandmans Gäste lange Gesichter machen.«

      Er lächelte. »Was haben Sie übrigens mit der Detektivin, die Ross geschickt hatte, angestellt?«

      »Die habe ich ja ganz vergessen! Ich habe sie gleich am Bahnhof in Empfang genommen und in eine Garage eingeschlossen. Aber lassen Sie die nur ruhig


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