Die Abenteuerin. Edgar Wallace

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Die Abenteuerin - Edgar Wallace


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standen ein paar Schritte von der Tür zur Bibliothek entfernt, und der Detektiv hatte ein Geräusch wahrgenommen.

      »Ich habe nichts gehört«, erklärte Grandman.

      »Ich möchte aber einen Eid darauf leisten, daß sich in dem Zimmer etwas gerührt hat. Würden Sie so liebenswürdig sein und hierbleiben, während ich den Lord rufe?«

      »Warum gehen Sie denn nicht einfach hinein?«

      »Weil der Lord die Schlüssel zur Bibliothek in der Tasche trägt«, sagte der Detektiv lächelnd. »Ich bin bald wieder hier; Sie brauchen nicht lange zu warten.«

      Der Detektiv fand Lord Claythorpe am Bridgetisch, und als er meldete, was sich eben zugetragen hatte, folgte ihm der Hausherr aufgeregt zur Bibliothek. Mit zitternden Händen öffnete er die schwere Tür.

      »Gehen Sie voran«, sagte er nervös zu dem Detektiv. »Den Lichtschalter finden Sie gleich neben der Tür.«

      Der Raum war hell erleuchtet, aber vollkommen leer. Auf der einen Seite befand sich ein langes, vergittertes Fenster. Der Vorhang war geschlossen, und der Detektiv zog ihn auf. Aber er entdeckte nur, daß das Fenster zu und allem Anschein nach nicht geöffnet worden war.

      »Das ist allerdings seltsam. Ich habe bestimmt etwas am Fenster gehört.«

      »Aber das kann doch auch der Wind gewesen sein«, meinte Grandman.

      »Nein, der Wind war es bestimmt nicht; alle Fenster im Hause sind fest geschlossen.«

      »Aber es ist doch ganz unmöglich, daß jemand durch das Fenster ins Haus kommen kann. Der müßte sich ja zwischen den Eisenstangen durchzwängen«, sagte der Lord.

      Der Detektiv schüttelte den Kopf. »Ein ausgewachsener Mann kann das natürlich nicht, aber ein junges Mädchen kann vielleicht ebenso glatt durch die Gitter hindurchschlüpfen wie durch die Tür.«

      »Das bilden Sie sich nur ein! Sie werden nervös«, entgegnete der Lord von oben herab. »Sehen Sie sich erst einmal gründlich in dem Raum um.«

      Schränke befanden sich nicht in dem Zimmer, und auch sonst gab es keinen Platz, wo sich jemand hätte verstecken können. Die Durchsuchung des Raumes war daher sehr bald durchgeführt.

      »Nun, haben Sie sich jetzt überzeugt, daß nichts geschehen ist?«

      »Jawohl«, sagte der Detektiv.

      Darauf gingen alle wieder hinaus, und Lord Claythorpe schloß die Tür sorgfältig ab.

      Um halb zwölf waren alle Gäste mit Ausnahme von Grandman gegangen, der gern miterleben wollte; wie Claythorpe die Juwelen in den Wandsafes unterbrachte. Aber in diesem Punkt wurde er enttäuscht, denn der Lord ging allein in die Bibliothek, schloß die Tür hinter sich ab und drehte das Licht aus, damit niemand sehen konnte, in welche Safes er die Schmuckkästen legte. Es dauerte eine geraume Weile, bis der Lord wieder herauskam.

      »Die Sache wäre erledigt«, erklärte er befriedigt, während er die Safe-Schlüssel in die Tasche steckte. »Kommen Sie noch mit ins Rauchzimmer und trinken Sie einen Whisky-Soda mit mir, bevor Sie nach Hause gehen. – Sie treten jetzt Ihre Nachtwache an, Johnson«, wandte er sich an den Detektiv.

      »Jawohl, Mylord.«

      Als sie auf dem Wege zum Rauchzimmer waren, wo der Butler die Getränke bereitgestellt hatte, erzählte Lord Claythorpe, daß er sich nicht allein auf den Detektiv verlasse, sondern zur Vorsicht auch Scotland Yard benachrichtigt habe.

      »Das Haus wird bis einen Tag nach der Hochzeit von allen Seiten dauernd bewacht«, sagte er.

      »Das ist eine ganz vernünftige Maßnahme«, bestätigte Mr. Grandman.

      Er trank einen starken Whisky-Soda und ging dann, begleitet von seinem Gastgeber, in die Halle, wo ihm ein Diener beim Anziehen seines Mantels half. Er wollte gerade gute Nacht sagen, als an der Haustür plötzlich laut geklopft wurde. Der Butler eilte durch die Halle, und als er geöffnet hatte, sah man draußen zwei Männer, die eine schlanke, jugendliche Person festhielten.

      »Es ist alles in Ordnung«, sagte der eine triumphierend. »Wir haben sie gefaßt. Können wir sie hereinbringen?«

      »Was? Sie haben sie schon gefangen?« fragte der Lord atemlos. »Wer ist es denn?«

      Das junge Mädchen, das die beiden festhielten, war von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet. Ein dichter, dunkler Schleier, der an ihrem kleinen Filzhut befestigt war, bedeckte ihr Gesicht.

      »Wir haben sie unter dem Fenster Ihrer Bibliothek überrascht«, sagte der eine der beiden selbstbewußt und befriedigt.

      Johnson brummte ärgerlich etwas vor sich hin.

      »Wer sind Sie denn?« fragte der Lord.

      »Sergeant Felton von Scotland Yard. Ich vermute, daß Sie der Hausherr selbst sind?«

      »Jawohl.«

      »Wir hatten den Auftrag, das Haus zu bewachen, und wir sahen diese junge Dame, als sie vom Bibliotheksfenster aus den Weg nach den Ställen entlanglaufen wollte. – Also, mein schönes Kind, nun wollen wir uns einmal Ihr Gesicht ansehen.«

      »Nein, nein, nein!« rief sie verzweifelt. »Das ist ausgeschlossen! Aus wichtigen Gründen geht das nicht. Der Chef von Scotland Yard weiß davon.«

      Der Kriminalbeamte zögerte und sah auf seinen Kollegen.

      »Ich glaube, es ist besser, wir verständigen zunächst den Inspektor von Scotland Yard, der den Fall bearbeitet, und unternehmen im Augenblick nichts weiter, Mylord.«

      Er zog ein paar Handschellen aus der Tasche.

      »Strecken Sie die Hände aus«, sagte er barsch und ließ dann die glänzenden Stahlringe um ihre Handgelenke einschnappen.

      »Haben Sie einen sicheren Raum, Mylord, wo wir sie einschließen können, bis der Inspektor kommt, um sie persönlich zu verhören?«

      »Ja, meine Bibliothek.«

      »Ist die Tür auch stark genug?«

      Lord Claythorpe lächelte, ging selbst voraus und schloß die Tür auf. Dann drehte er das Licht an, und das junge Mädchen in Schwarz wurde hineingeführt und auf einen Stuhl gesetzt.

      Der Beamte nahm einen Riemen aus der Tasche und band ihre Fußgelenke zusammen.

      »Man kann nicht vorsichtig genug sein«, sagte er zu ihr. »Ich weiß zwar nicht, wer Sie sind, aber das werden wir ja bald erfahren. – So, und jetzt möchte ich telefonieren. Würden Sie gestatten, daß ich Ihren Apparat benütze?«

      »Selbstverständlich. Sie können von der Halle aus sprechen.«

      Der Sergeant sah nachdenklich auf die Gefangene, dann fuhr er sich mit der Hand über die Stirn.

      »Es ist gefährlich, sie allein zu lassen, Robinson«, wandte er sich an seinen Kollegen. »Sie bleiben besser bei ihr und bewachen sie. Lassen Sie sie keinen Augenblick aus den Augen!«

      Mit Ausnahme von Robinson gingen alle hinaus, und der Lord verschloß die Tür sorgfältig, während der Sergeant zum Telefon ging.

      »Übrigens – können Sie Robinson hören, wenn er rufen sollte?« fragte er noch.

      »Nein, das ist ausgeschlossen«, entgegnete Claythorpe prompt. »Die Tür ist so dick und massiv, daß man draußen nichts hört. Aber ein Beamter von Scotland Yard wird doch wohl imstande sein, mit einem gefesselten Mädchen fertig zu werden!«

      Grandman hatte alles mit angesehen und bisher geschwiegen; jetzt aber lächelte er, denn er gab sich keinen Täuschungen über die Fähigkeiten der jungen Dame hin. Zu gern wollte er das Ende dieses Abenteuers miterleben.

      Inzwischen hielt die Gefangene in der Bibliothek Robinson ihre Handgelenke hin, und im nächsten Augenblick hatte er die Handschellen aufgeschlossen. Sie bückte sich dann und band den Lederriemen auf, der ihre Füße zusammenhielt. Darauf ging sie sofort zu der Wand, in die die zehn Safes


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