Zwischen meinen Inseln. Ole R. Börgdahl

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Zwischen meinen Inseln - Ole R. Börgdahl


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zwölf gehen die Schüler dann noch mindestens zwei Jahre auf die Oberschule. Die Abgänger können sich dann einen Lehrberuf suchen, werden mit vierzehn oder fünfzehn Büroboten, Schlosser- oder Klempnerlehrlinge oder sonst etwas. Die Oberschule kann aber auch bis zur zwölften Klasse besucht werden. Wer so weit kommt, kann mit dem Abschluss auf den staatlichen Colleges und Universitäten studieren und dann Arzt, Rechtsanwalt oder Ingenieur werden. So weit denke ich für Tom noch nicht. Ich habe auch erfahren, dass viele Kinder nur die Grundschule besuchen und dass es auf dem Land auch Gebiete gibt, in denen sehr wenige der Kinder überhaupt die Schule besuchen. Hier in Brisbane soll es dies aber nicht geben, hier soll angeblich jedes Kind mindestens acht Jahre die Schule besuchen. Ich muss überlegen, wie lange ich überhaupt zur Schule gegangen bin. Die Missionsschule auf Tahiti war ja eigentlich eine Privatschule und es wurde auch nicht in Schuljahren gerechnet. Wir haben nach einer Unterrichtszeit immer die Prüfungen gemacht, wie sie auch die Schüler in Frankreich machen mussten und dann war die Schule vorüber, aber ich habe ja auf Nuku Hiva und Ua Huka an den dortigen Missionsschulen selbst unterrichtet, als Hilfslehrerin. Für Tom wird dies alles anders aussehen, wir leben in einer Großstadt, er wird die Grundschule und die Oberschule besuchen und natürlich vorher noch für ein Jahr die private Vorschule. Nach den Sommerferien wird es im Februar soweit sein.

      Brisbane, 19. Dezember 1916

      Ich habe heute in der Zeitung über Verdun in Frankreich gelesen. Dort wird seit Februar gekämpft, immer an ein und derselben Front. Die Deutschen haben Festungen belagert und eingenommen, aber die tapferen Franzosen konnten sie zurückerobern. Es wurde vormarschiert und sich wieder zurückgezogen. Die Erde bei Verdun muss zerfurcht sein von den Geschützgranaten. In der Zeitung wird es beschrieben, es gibt keine Bilder, es gibt nur die Worte, über Tod und Zerstörung.

      Brisbane, 23. Dezember 1916

      In gut einem Monat wird Tom die Vorschulgruppe hier in New Farm besuchen. Sie haben ihn aufgenommen, aber es wird uns einiges kosten. Er wird dann immer bis mittags fort sein. Ich muss mir meinen Arbeitstag also neu einteilen. Der Vormittag gehört dem Geldverdienen, der Nachmittag Tom.

      1917

      Brisbane, 1. Januar 1917

      Den Silvester Abend haben wir im Restaurant von Onkel Louis gefeiert. Es war gar nicht so voll und darum war es auch sehr gemütlich. Tom durfte bis nach Mitternacht aufbleiben. Um halb eins habe ich ihn dann aber nach oben in die Wohnung gebracht. Er hat auch bei Tante Maggie und Onkel Louis übernachtet. Heute Morgen sind Vater und ich hin, um ihn abzuholen und bei dieser Gelegenheit haben wir sogar noch alle gemeinsam gefrühstückt. Onkel Louis stand wieder am Herd und er musste ein richtiges englisches Frühstück braten. Er hat den Mund verzogen, als er es uns servierte, aber es hat trotzdem herrlich geschmeckt, es gab Eier, Speck, Bohnen, Toast und so leckere weiche Brötchen, die noch warm waren. Tante Maggie hat eines genommen und mit dem Kopf geschüttelt, warme, weiche Brötchen sollen eine Spezialität in Toulouse sein.

      Brisbane, 18. Januar 1917

      Die Vorschule für Tom sollte ja am 29. Januar beginnen, jetzt wurde die Einschulung verschoben. Es ist schon tragisch. Der vorgesehene Erzieher hat in den Sommerferien an einem Zivilschutzprogramm teilgenommen und ist dabei tödlich verunglückt.

      Brisbane, 12. Februar 1917

      Ich bin so glücklich, weil Vater sich über mein Geburtstagsgeschenk wirklich sehr gefreut hat. Ich habe fast die ganze Woche daran gearbeitet, um in den Ledereinband Vaters Zeitungsartikel einzukleben, alle Zeitungsartikel, die ich in den letzten Jahren gesammelt habe. Es war aber mehr als einkleben, ich habe geschnitten, gepuzzelt, ausprobiert und erst dann geklebt. Es ist sehr schön geworden und es sind noch einige Seiten frei, für die ich mich schon verpflichtet habe, alles Kommende aus Vaters Feder hineinzubringen. Wenn der Band dann doch einmal voll ist, werde ich einen Zweiten herrichten.

      Brisbane, 19. Februar 1917

      Einen Monat hat es gedauert, eine neue Vorschullehrerin zu finden. Erst letzte Woche wurden die Eltern unterrichtet, dass heute Einschulung ist. Ich habe Tom hingebracht. Keith und Paul sind in seiner Gruppe. Die Lehrerin hat gleich mit ein paar Kennenlernspielen begonnen und die Eltern haben sich schon nach einer halben Stunde zurückgezogen. Ich werde Tom gegen Mittag abholen.

      Brisbane, 1. März 1917

      Ich bin jetzt selbst zur Lehrerin geworden, zur Privatlehrerin. Ich gebe nachmittags an einer Schule Französischunterricht. Die Schule hat mich darum gebeten, weil einige Eltern einen Französischkurs für ihre Kinder gewünscht haben, aber in der Kürze der Zeit keine richtige Lehrerin zu finden war. Ich mache es also nur vertretungsweise und auch nur bis Ende April. Es bringt nicht viel ein, dafür ist es aber nicht weit von zu Hause und so kann ich schnell hin- und wieder zurückkommen. Es sind vier Stunden die Woche. Ich habe jetzt natürlich den Ehrgeiz, die Kinder so gut vorzubereiten, dass der Lehrer, von dem die Klasse im Mai übernommen wird, über den großen Fortschritt staunt. Ich bin gespannt, ob es mir gelingt.

      Brisbane, 13. März 1917

      Ich bin ganz aufgeregt. Eben hatte ich ein Gespräch mit einem Professor von der Universität in Brisbane, ein Philologe oder Literaturwissenschaftler, wie er sein Gebiet nennt. Es war ganz interessant. Er benötigt die Übersetzung von Artikeln aus spanischen Fachzeitschriften. Es können auch Übersetzungen aus dem Portugiesischen anfallen. Er hat mir gleich einen ganzen Packen Papiere mitgegeben. Ich soll es einfach nur wörtlich übersetzen und dann, wenn ich fertig bin, mit ihm durchsprechen. Die Bezahlung ist sehr gut, sogar sehr, sehr gut. Ich habe mich gleich an meinen Schreibtisch gesetzt und losgelegt. Ich verstehe vieles aus den Fachartikeln zwar nicht, was mich aber an der Übersetzung der Wörter und Sätze nicht hindert.

      Brisbane, 25. März 1917

      Seit zwei Wochen habe ich mit meiner Klasse kein Wort Englisch mehr gesprochen. Zu Beginn des Unterrichts habe ich den Kindern noch jedes Wort übersetzt und die Grammatik fast nur auf Englisch erklärt. Das war nicht so gut, der andere Weg ist besser. Die Kinder drücken sich zwar noch recht umständlich aus, oft nur mit einzelnen Wörtern, aber wenn ich sie dann auf Französisch und nur auf Französisch korrigiere, wird es von Stunde zu Stunde besser. Ich muss eben auch meine Erfahrungen sammeln. Leider habe ich bislang außer meiner Anwaltskanzlei und dem Universitätsprofessor noch keine weiteren Kunden. Ich habe sogar schon meinen Kindern gesagt, sie sollen ihren Eltern erzählen, dass ich auch Briefe oder Dokumente übersetze, aber ich glaube, sie haben mich nicht richtig verstanden.

      Brisbane, 7. April 1917

      Die Amerikaner werden jetzt in den Krieg eintreten. Präsident Wilson hat dem Deutschen Kaiser den Krieg erklärt. Vater sagt, es hätte schon viel früher sein müssen, schon als vor zwei Jahren die Lusitania versenkt wurde. Alle hoffen jetzt, dass die amerikanischen Truppen schnell in Europa eintreffen, kämpfen und siegen.

      Brisbane, 29. April 1917

      Die eine Aufgabe ist jetzt fortgefallen. Ich habe gestern meine letzte Französischstunde gegeben. Ich weiß nur, dass ein neuer Lehrer gefunden wurde, vielleicht lerne ich ihn ja noch irgendwann einmal kennen, um zu erfahren, was er von meiner Klasse hält. In knapp drei Monaten ist zwar noch nicht viel zu erreichen, aber ich habe den Kindern einige Kunststücke beigebracht. Das Zählen funktioniert sehr gut und natürlich auch die ganzen Begrüßungen und Höflichkeitsformeln. Wir sind auch eine Menge Tiere durchgegangen. Die Kinder wissen wie der Hund, die Katze oder auch das Pferd und viele andere Tiere auf Französisch heißen. Ich bin eigentlich zufrieden. Ich hätte wirklich gerne weitergemacht. Dennoch bin ich mit den Aufträgen von der Universität und der Anwaltskanzlei einigermaßen ausgelastet. Die Anwaltskanzlei hat mir sogar ein höheres Honorar bewilligt.


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