Die blaue Hand. Edgar Wallace

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Die blaue Hand - Edgar Wallace


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dieser Firma war sein Vorgänger entlassen worden, und die Neugierde einer Reinmachefrau über die nächtliche Tätigkeit dieser Leute führte zu der sofortigen Entlassung dieser Vorwitzigen.

      »Ich glaube, sie handeln mit ausländischen Aktien«, sagte der Portier. »Es kommen viele Auslandstelegramme hier an, aber ich habe den Inhaber des Geschäfts noch niemals gesehen. Er kommt stets durch den Seiteneingang herein.«

      Dieser zweite Eingang zu den Büroräumen der Firma ging von einem kleinen Hof aus. Selenger & Co. war die einzige Firma in diesem Gebäude, die zwei Eingänge zu ihren Büros hatte. Und außerdem war es nur ihnen gestattet, die ganze Nacht hindurch zu arbeiten.

      »Selbst die Bankagenten in der zweiten Etage müssen um acht Uhr schließen«, erklärte der Portier. »Und das ist sehr hart für sie, besonders wenn eine Hausse in Aktien ist. Dann haben sie gewöhnlich so viel Arbeit, daß sie bis zwölf aufhalten könnten. Aber um acht wird ganz streng geschlossen. Die Mieten sind hier nicht besonders hoch, und es ist eine große Nachfrage nach Büros in der City heutzutage. Die Zeiten werden hier strikt innegehalten; das war schon so zu Mr. Dantons Zeit.«

      »Mr. Dantons Zeit?« fragte Jim schnell. »War er denn der Eigentümer des Gebäudes? Sie meinen doch den Schiffsreeder Danton, der ein großes Millionenvermögen besaß?«

      Der Mann nickte.

      »Jawohl, Sir«, sagte der Portier, der anscheinend mit der Wirkung seiner Worte sehr zufrieden war. »Aber er hat es verkauft oder sonstwie veräußert – schon vor einigen Jahren. Ich weiß es zufällig, weil ich damals als Bürobote in demselben Hause angestellt war. Ich kann mich sehr genau auf Mr. Danton besinnen – sein Büro lag in der ersten Etage; es war ganz herrlich dort.«

      »Wer bewohnt die Räume denn jetzt?«

      »Ein Ausländer, Levenski. Er ist aber niemals hier.«

      Jim hielt die Nachrichten, die er erhalten hatte, für so wichtig, daß er sich aufmachte, um Mr. Salter in seiner Wohnung zu besuchen. Er erfuhr nur, daß der Rechtsanwalt nichts von diesem Geschäftshaus in der Brade Street wußte. Er konnte sich lediglich darauf besinnen, daß es eine Privatspekulation Dantons war. Es kam in seinen Besitz, als die früheren Eigentümer in Konkurs gerieten. Er hatte das Gebäude später ohne Rücksprache mit seinem Anwalt veräußert. Jim stand wieder vor einem Rätsel.

      9

      Ich kann heute nicht im Büro bleiben, ich habe verschiedene wichtige Dinge zu erledigen«, sagte Jim.

      Mr. Salter sah auf. »Geschäfte, Steele?« fragte er höflich.

      »Nicht nur Geschäfte.« Jim hatte den Eindruck, daß Mr. Salter wußte, um was es sich handelte.

      »Es ist gut.« Salter setzte seine Brille wieder auf und wandte sich der Arbeit zu.

      »Ich möchte Sie aber noch etwas fragen, Mr. Salter. Deswegen kam ich ja eigentlich hierher, sonst hätte ich Ihnen meine Abwesenheit auch telefonisch erklären können.«

      Der Rechtsanwalt legte geduldig die Feder wieder hin.

      »Ich verstehe nicht recht, warum dieser Mr. Groat so viele spanische Freunde hat? Da ist zum Beispiel eine junge Dame, die er sehr häufig sieht, Comtessa Manzana. Haben Sie schon von ihr gehört?«

      »Ich lese ihren Namen gelegentlich in der Zeitung.«

      »Es verkehren noch andere Spanier bei ihm, besonders ein gewisser Villa. Auch habe ich erfahren, daß Mr. Groat fließend spanisch spricht.«

      »Das ist merkwürdig.« Mr. Salter lehnte sich in seinen Sessel zurück. »Sein Großvater hatte auch viele spanische Freunde. Vielleicht ist irgendwie eine spanische Verwandtschaft in der Familie. Der alte Danton, ich meine damit Jonathan Dantons Vater, verdiente den größten Teil seines Vermögens in Spanien und Zentralamerika. Die Dantons waren eigentlich eine sonderbare Familie. Sie lebten alle sehr zurückgezogen und für sich, und ich glaube, Jonathan Danton hat während seiner letzten zwanzig Jahre nur ein Dutzend Worte mit seiner Schwester gewechselt. Sie waren nicht böse miteinander, das war nur eine seiner Eigentümlichkeiten. Ich kenne auch andere Familien, in denen dergleichen vorkommt. Schweigsame Leute, aber sehr ehrenhaft.«

      »Hat der Großvater Dantons Mrs. Groat irgendein Vermögen hinterlassen? Er hatte doch nur zwei Kinder? Einen Sohn und diese Tochter?«

      Septimus Salter nickte.

      »Er hat ihr keinen Pfennig vermacht. Sie lebte in Wirklichkeit von der Mildtätigkeit ihres Bruders. Ich weiß nicht, aus welchem Grunde sie der alte Mann nicht leiden mochte. Jonathan wußte ebensowenig darüber wie ich, denn der Alte sprach nie darüber. Jonathan hat sich verschiedene Male mit mir darüber unterhalten, was seine Schwester wohl getan haben mochte, daß sie sich die Abneigung ihres Vaters zuzog. Diese Abneigung, um nicht zu sagen Feindschaft, war auch der Grund, warum er seine Tochter in seinem Testament vollständig überging.

      Vielleicht ärgerte sich der alte Mann über ihre Heirat mit Mr. Groat, denn dieser hatte keine große gesellschaftliche Stellung. Er war nur ein Angestellter in Dantons Liverpooler Büro. Er wußte sich in Gesellschaft nicht zu bewegen, hatte ein unfreundliches Wesen und stand mit seiner Frau niemals auf gutem Fuß. Die arme Lady Mary war die einzige, die immer gut zu ihm war. Seine Frau haßte ihn aus einem Grunde, den ich nicht näher kenne. Als er starb, hinterließ er sein ganzes Geld einem entfernten Vetter. Es waren ungefähr fünftausend Pfund. Der Himmel mag wissen, woher er die hatte. – Aber nun machen Sie, daß Sie fortkommen, Steele!« sagte Mr. Salter verzweifelt. »Sie bringen mich immer wieder auf diese alten Geschichten.«

      Jim ging an diesem Morgen zuerst zum Ministerium des Innern. Er wollte das Geheimnis aufklären, das über Madge Benson lag. Weder das Polizeipräsidium noch die Zentraldirektion der Gefängnisse waren gewillt gewesen, einem Privatmann irgendwelche Auskunft zu geben, und in seiner Verzweiflung hatte er sich direkt ans Büro des Unterstaatssekretärs gewandt. Glücklicherweise hatte er dort einen Freund, einen Mann von mittlerem Alter, mit dem er während des Krieges in Frankreich war.

      Er empfing ihn in seinem Büro mit einer Wärme, die Jim zeigte, daß er nicht vergessen war.

      »Nehmen Sie Platz. Ich kann Ihnen leider nur wenig in dieser Angelegenheit mitteilen.« Er nahm ein Blatt Papier von seinem Schreibtisch auf. »Eigentlich dürfte ich Ihnen ja überhaupt nichts darüber sagen – aber hier ist die Auskunft, die mir die Gefängnisdirektion gesandt hat.«

      Jim las die wenigen Zeilen, die darauf standen.

      »Madge Benson, 26 Jahre alt, Hausmädchen. Ein Monat Gefängnis wegen Diebstahls. Verurteilt vom Polizeigericht in Marylebone. 5. Juni 1911. Überführt nach Holloway-Gefängnis. Entlassen am 2. Juli 1911.«

      »Wegen Diebstahls?« sagte Jim nachdenklich. »Man weiß natürlich nicht, was sie gestohlen hat?«

      Der Beamte schüttelte den Kopf.

      »Ich würde Ihnen den Rat geben, den Gefängniswärter in Marylebone aufzusuchen. Diese Leute haben oft ein außerordentlich gutes Gedächtnis für Personen. Außerdem könnten Sie ja auch noch die Akten über ihre Verurteilung einsehen. Aber es wäre besser, wenn Sie Mr. Salter darum bitten, einen Antrag zu stellen. Einem Rechtsanwalt wird man die Auskunft nicht verwehren.«

      Aber das war ja gerade das, was Jim nicht tun wollte.

      10

      Eunice Weldon gewöhnte sich rasch an ihre neue Umgebung. Durch die Krankheit ihrer Herrin bekam sie mehr Arbeit, als sie erwartet hatte. Es war richtig, wie Digby Groat ihr gesagt hatte, daß sie noch viel zu tun bekäme. Er ließ sie auch die Haushaltungsbücher durchsehen und ordnen, und sie war erstaunt, wie sparsam, ja fast geizig die alte Frau war. Eines Nachmittags, als sie den alten Sekretär aufräumte, hielt sie plötzlich in ihrer Arbeit inne, um dieses alte, schöne Möbelstück zu bewundern.

      Es war halb Schreibtisch, halb Bücherschrank. Das Schreibtischfach war mit Glastüren geschlossen, die an der Innenseite mit grünseidenen


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