Seemannserinnerungen – Seefahrt damals. Jürgen Ruszkowski
Читать онлайн книгу.auf dem glühend heißen Deck seine Kammer unbeschadet zu erreichen...
Nachdem die Bierfrage geklärt war, wurde der Betreffende dann erlöst.
Auf der ALTMARK hatten wir das Glück über ein stationäres Bassin zu verfügen, das schon von erfindungsreichen Vorgängern fest installiert wurde. Von dieser Möglichkeit wurde in den warmen Zonen auch ausgiebig Gebrauch gemacht. Vorraussetzung war natürlich immer ruhige See und keine abrupten Kurswechsel. Ansonsten konnte es passieren, dass die tiefer gelegenen Kammern mit ihren ausgebrachten Windhutzen, Wasser schaufelten und die Wohnbereiche regelrecht „absoffen“. Das kam zum Glück nur selten vor. Auch sollte man das Becken nur auf offener See befüllen, was bei manchen Hafenkloaken nur allzu verständlich war.
Auf der Rückreise in die kühleren Breiten diente das Becken immer noch als Stauraum für unser Leergut, das hier gut und sicher stand.
Für Manche wird es unverständlich sein, hier über Dinge zu lesen, die heute fast zur Grundausstattung jedes Schiffneubaus gehören. Damals gab es für die Besatzungen noch keine temperaturregulierten Schwimmbecken, Trimmräume, Fitnesscenter und Saunen an Bord.
Man war damals froh und dankbar, neben der schweren körperlichen Arbeit, der wochenlangen Monotonie an Bord, eine kleine Abwechslung zu haben...
Dazu gehörte auch ein Swimmingpool, egal wie der Eigenbau auch beschaffen war, er erfüllte seinen Zweck und man war stolz auf die Kreation.
Oslofahrt – die Verwechslung
Die Erste:
1974 – die ALTMARK kommt mit einer Ladung Zitrusfrüchte aus Mersin / Türkei und Limassol / Zypern und soll diese in der norwegischen Hauptstadt Oslo löschen.
Ein sonniger, frühherbstlicher Morgen. Einlaufen in den Oslofjord noch vor dem Frühstück, und es besteht die Möglichkeit das herrliche Panorama und die Stille des Oslofjords zu genießen. Der norwegische Lotse ist bereits an Bord, und einer typischen Revierfahrt steht nichts im Wege. Der Wachsmatrose kommt zur Kombüse, um die obligatorische „Lotsen-Imbissplatte“ zu ordern. Bringt man natürlich bei solchen Gegebenheiten selbst auf die Brücke, kann man ja dadurch kurz auch mal einen Blick auf den Oslofjord in der Morgensonne aus anderer Perspektive ergattern.
Ohaa... da oben auf der Brücke ist aber lautstark „Trouble“ Der nautische Assistenzoffizier, der schon auf eine 25-jährige seemännische Laufbahn bei der Marine zurückblicken kann, bekommt vom „Alten“ gerade sehr lautstark einen Einlauf der sich gewaschen hat, den von einem sonst eher sehr ruhigen und erfahrenen Kapitän, der sonst nicht aus der Ruhe zu bringen ist. Was war passiert? Der norwegische Lotse sprach den Kapitän unseres Schiffes auf den in Norwegen „berühmten“ Namensvetter der ALTMARK des Jahres 1941 an. Irgendwie passte es wohl auch nicht ganz in die politische Landschaft, dass ein Schiff gleichen Namens, sogar aus dem ersten deutschen Arbeiter- und Bauernstaat, nach Norwegen kam. Zum Eklat kam es aber erst richtig, als der Lotse die beiläufige Frage stellte, aus welchem Deutschland das Schiff denn nun komme: Am Heck wehe ja die bundesdeutsche Flagge...
Der Verursacher dieses Vorfalls war der erwähnte IV. nautische (Assistenz) Offizier, der besagte Flagge dort bei Sonnenaufgang hochgezogen hatte. Nach derartigem seemännischem Fehlverhalten konnte er sofort den Einlauf in seiner Kabine verkraften und sich über disziplinäre Folgen Gedanken machen.
Die andere Altmark
Schatten der Vergangenheit
Bei dieser ALTMARK handelte es sich um das Versorgungsschiff des im Dezember 1939 vor Montevideo selbstversenkten Panzerschiffes „ADMIRAL GRAF SPEE“. Die ALTMARK war auf dem Rückweg nach Deutschland und hatte die Besatzungen der von ADMIRAL GRAF SPEE versenkten Schiffe an Bord. Am 16.02.1940 wurde die ALTMARK vor der norwegischen Küste vom britischen Zerstörer „COSSACK“ gesichtet. Der Zerstörer verfolgte die ALTMARK, welche sich in norwegische Hoheitsgewässer flüchtete. Dabei wurde sie von zwei norwegischen Torpedobooten begleitet. Die Norweger durchsuchten die ALTMARK und signalisierten an COSSACK, dass sie die ALTMARK durchsucht hätten, das Schiff nicht bewaffnet sei und daher zum Befahren der norwegischen Hoheitsgewässer berechtigt sei. Der Kommandant der COSSACK hielt daraufhin Rücksprache mit der britischen Admiralität und bekam von Churchill den Befehl, in die norwegischen Hoheitsgewässer einzudringen und die Gefangenen auf der ALTMARK zu befreien. Dies geschah auch, und in einem kurzen Gefecht an Bord der ALTMARK kamen sieben deutsche Seeleute ums Leben und fünf wurden verwundet. Die Gefangenen wurden befreit, an Bord der COSSACK und zurück nach England gebracht.
Hoffen wir, dass Schiffe und Besatzungen aller Nationen eine friedliche Seefahrt betreiben und zur Völkerverständigung beitragen, damit sich so etwas nie wiederholt.
Zum Einsatzbereich des MS ALTMARK:
Im Jahre 1968 wurden Teile der Flotte der DSR zu Flottenbereichen zusammengefasst. Neben den Flottenbereichen Asien/Amerika, Nord- und Ostsee, Spezialschifffahrt und Passagierschifffahrt entstanden die beiden Bereiche Afrika und Mittelmeer, die eng miteinander kooperierten.
Der Bereich Afrika bediente folgende Liniendienste:
1. Liniendienst DDR- Westafrika:
Anlaufhäfen: Rostock – Hamburg – Rotterdam – Antwerpen – Dünkirchen – Rouen – Dakar – Banjul (Bathurst) – Conakry – Freetown, – Monrovia – Abidjan – Takoradi – Tema – Lome – Cotonou – Lagos – Port Harcourt – Douala – Pointe Noire – Luanda.
Frequenz: bis zu drei Abfahrten im Monat mit unterschiedlicher Hafenfolge.
Gemeinschaftsliniendienst mit Polskie Linie Oceaniczne und Estonskoe Morskoe Parochodstvo unter der Bezeichnung UNITED WEST AFRICA SERVICE (UWAS).
Mitglied der Continent West Africa Conference (COWAC).
2. Liniendienst DDR- Ostafrika / Rotes Meer:
a.) Liniendienst DDR - Ostafrika.
Anlaufhäfen: Rostock – Kopenhagen – Hamburg – Rotterdam – Antwerpen – Mombasa – Dar-es-Sallam – Tanga – Zanzibar – Maputo – Beira.
Frequenz: eine Abfahrt im Monat.
Gemeinschaftsliniendienst mit der Polish Ocean Lines unter der Bezeichnung BALTAFRICA. Mitglied der East African Conference (EAC).
b.) Liniendienst DDR – Rotes Meer.
Anlaufhäfen: Rostock – Hamburg – Rotterdam – Antwerpen – Akaba – Jeddah – Containerdienst.
Rostock – Hamburg – Rotterdam – Antwerpen – Hodeidah – Assab – Aden – Port Sudan – konventionelle Fahrt.
Abfahrt je einmal monatlich Container bzw. konventionelle Fahrt.
3. Liniendienst DDR-Mittelmeer:
Anlaufhäfen: Wismar – Hamburg – Bremen – Rotterdam - Antwerpen – Dünkirchen – Tripolis – Benghazi – Piräus – Saloniki – Izmir – Istanbul – Mersin – Beirut – Lattakia – Tartous – Limassol.
Frequenz: 10 Abfahrten im Monat
Bemerkung: Der VEB Deutfracht / Seereederei betrieb zusammen mit Estonskoe Morskoe Parochodstvo Tallin, Polskie Linie Oceanizne Gdynia, Bolgarski Morske Flot Varna, Latvijskoe Morskoe Parochodstvo Riga seit 1975 den Gemeinschaftsliniendienst UNILEVANT. Diese Reedereien boten Abfahrten von Hamburg – Bremen – Rotterdam – Antwerpen nach Tripolis – Benghazi – Beirut – Lattakia – Limassol – Istanbul – Izmir – Piräus – Saloniki.
UNILEVANT-Reeder