Logbuch – Teil 2 – Anthologie – Hochseefischerei – Küsten- und Hochseeschifffahrt. Jürgen Ruszkowski

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Logbuch – Teil 2 – Anthologie – Hochseefischerei – Küsten- und Hochseeschifffahrt - Jürgen Ruszkowski


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      FD „HANS PICKENPACK“– Dank für Bildrecht: World Ship Society – Sammlung Biedekarken

      Das Fahrt- und Fanggebiet sollte Island / Grönland sein. Ich sagte zu und wurde als letztes Besatzungsmitglied für die anstehende Seereise amtlich gemustert. An Bord wurden schon die notwendigen Reisevorbereitungen getroffen. Wir schleppten und verstauten Proviant und andere wichtige Dinge für die geplante etwa sechswöchige Seereise. Danach wurde Brennstoff gebunkert. Man sprach von einer Seereise von mehreren tausend Seemeilen.

      Die Fahrten auf diesem Schiff sind mir in besonderer Erinnerung geblieben. Sie sind mit dem Bordleben auf Frachtschiffen nicht zu vergleichen. Hier bestimmt der gefundene Fischgrund, d. h. die Verdiensterwartung die Stimmung an Bord. Guter Fang: alles gut. Schlechter Fang: „Polen offen“! Reibereien gehörten einfach dazu. Gängiger Spruch war: „Een vort Mul - oder wat?“ So eine Sechswochenreise kann sich hinziehen. Ein Entrinnen gibt es nicht. Man lernt schnell zu überleben. Nach der Proviantübernahme nahm meine erste Reise ihren Anfang.

      Nach dem Auslaufen folgten Erklärungen des zweiten Steuermanns zum Schiff und den einzelnen Aufgabenbereichen im schnellen Durchlauf. Es wurde dargestellt, dass das Bordleben auf einem Fischdampfer mit dem eines Frachtschiffes nicht zu vergleichen sei. Frachtschiffe beförderten eben Ladung vom Hafen A zum Hafen B, während Fischdampfer Fanggründe suchten. Die Schiffsführung eines Fischdampfers habe daher eine Doppelaufgabe. Der Kapitän sei Nautiker und Fischer in einer Person. Ein lohnender Fang garantiere entsprechende Fangprozente. Am Fangergebnis werde ein Fischdampfer-Kapitän gemessen.

      Schnell hatte ich begriffen, dass ein Leichtmatrose auf einem Fischdampfer gleich Kochsmaat war, also an Deck und in der Kombüse beschäftigt wurde. Hinzu kamen Aufgaben wie „aufbacken“ - also Teller auf den Tisch bringen und abzuräumen (Backschafter). Ich war wieder mit einem Schiffsjungen auf einem Kümo vergleichbar (Lappendudel). Aber auch an Deck gab es allerlei zu tun. In dieser rauen Männerwelt galt es, sich zu arrangieren. Davon später.

      Die Seereise führte uns zunächst an den oberhalb Schottlands gelegenen Shetlands vorbei zu den dänischen Färöer Inseln im Atlantik. Dort warteten noch etwa 12 Fischarbeiter, um bei uns einzusteigen. Sie waren für das filetieren bzw. die Weiterverarbeitung des zu erwartenden Fangs unter Vertrag genommen und hatten den Fisch am Fließband zu Filetstücken zu verarbeiten, bevor der in Kartons verpackt und tiefgefroren wurde.

      Nachdem die Männer von den Färöers an Bord waren, nahmen wir Kurs auf Island – Grönland. Die große Suche nach Fischgründen begann. Nun kam es auf den Kapitän an, dem man große Erfahrung im Fischfang nachsagte. Zwar gab es schon damals technische Hilfsmittel, z. B. Fischortungsgeräte, (Fischlupen), Echolot, Radar und anderes, doch der Joker war stets der Alte. Der besaß die notwendigen Kenntnisse von Meeresströmungen, der Beschaffenheit des Meeresgrundes und verfügte im Idealfall über ein besonderes Gespür für Fischgründe. Alles hängt von seinen Fähigkeiten ab. Die Stimmung an Bord wird maßgeblich von ihm bestimmt.

      Schweres Wetter im Nord-Atlantik war immer wieder ein Erlebnis der besonderen Art. Fischdampfer suchen keinen Schutzhafen, sondern reiten den Sturm mit dem Kopf gegen die See ab. Das hatte ich so noch nicht erlebt. Da wird noch echte Seefahrt gelebt. Mich ergriff ein Gefühl von Faszination und Angst, wenn unser Schiff in gewaltige Wellenberge eintauchte, um sich dann wieder aufzubäumen wie ein Wildpferd. Von der Kommandobrücke war dies sehr gut zu beobachten. - Fischdampfer sind sehr seetüchtig und stabil gebaut. Außerdem haben sie eine sehr leistungsfähige Maschine, die schließlich auch das Schleppen von Netzen über dem Meeresgrund schaffen muss.

      Im Übrigen waren nicht alle unsere Fischarbeiter seefest. Die kotzten sich im Waschraum die Seele aus dem Leib und lagen dabei übereinander. Es hätte nicht viel gefehlt, und ich hätte mich zu ihnen gesellt. Dabei glaubte ich bis dahin, meine Seekrankheit bereits überwunden zu haben. Die älteren Fahrensmänner zeigten sich bei schwerem Seegang durchweg unbeeindruckt. Beklemmungen wurde von allen bei Nebel und Schneetreiben empfunden. Der Alte blieb dann Tag und Nacht auf der Brücke. Die erfahrenen Seeleute hatten vor einer Grundberührung mit treibendem Eis allerdings große Sorge. Von solchen Erlebnissen sollte auch ich nicht verschont bleiben.

      Unter Grönland ging der Koch, der sich bei so einem schweren Wetter leichtsinnig auf das Bootsdeck gewagt hatte, um an seine Kartoffelkiste zu gelangen, über Bord. Danach kochte ein Alt-Matrose.

      Um die Mannschaft nicht mit Fisch zu beköstigen, den sie nicht mehr sehen konnte - zumal wir alle lang anhaltend danach rochen, fuhr ein Schwein im Hock mit, das mit Fischabfällen gefüttert wurde. Anschließend wurde Schlachtfest gefeiert.

      War ein Fischschwarm aufgebracht, wurde es an Deck lebendig. Regelmäßig waren dann auch andere Fischereifahrzeuge verschiedener Nationalitäten in Sichtweite. Man beobachtete sich offensichtlich gegenseitig.

      Außerdem war unser schwimmendes Hospital „MS MEERKATZE“ in der Nähe. Es handelte sich um einen zum Schutzboot umgebauten Fischdampfer. Bei Unfällen oder ernsthaften Krankheiten wurden die Betroffenen von der Besatzung bei jedem Wetter in Sicherheit gebracht. War der Einsatz eines Schlauchbootes wegen zu hohen Wellengangs und Kentergefahr nicht möglich, wurde der Mann mittels Hosenboje auf das Schutzfahrzeug geholt. Einen solchen Einsatz habe ich persönlich miterlebt. Unser zweiter Steuermann erlitt einen Magendurchbruch und bedurfte dringend der entsprechenden Behandlung. Von dieser Rettungsaktion bin ich noch heute beeindruckt.

      Das Fischen begann, nachdem die Maschine gestoppt und das Schiff langsam beigedreht hatte, um die Steuerbordseite nach Luv (der Wind zugewandten Seite) zu halten. Von dort wurde das Schleppnetz zu Wasser gebracht. Es bestand aus den zentnerschweren Bomberkugeln, die das Netz über dem Meeresboden halten und den Leichtmetallkugeln, die den Auftrieb gaben. Um das Schleppnetz seitlich zu öffnen, war es mit zwei Scherbrettern ausgestattet. Die notwendige Leinenlänge wurde von der Winsch abgetrommelt. Erst wenn die Leine (Kurrleine) singend straff stand, nahm das Schiff langsam seine Schleppfahrt auf. Das Kurren hatte begonnen. Nach einer vom Kapitän bestimmten Schleppzeit wurde das Netz langsam eingeholt und danach das Schiff erneut gestoppt und wieder beigedreht. Alle Männer standen nun an der Verschanzung (Reling), um das volle Netz an die Bordwand zu ziehen. Erst dann konnte die Winde das Netz in dem bogenförmigen Galgen an Bord hieven. Der zweite Steuermann öffnete mit einem schnellen Ruck den am unteren Teil des Netzes befindlichen Spezialknoten (Steert) und sprang blitzschnell aus der Gefahrenzone. Aus dem so geöffneten Netz prasselte machtvoll der Fang an Deck. Die Fische wurden sogleich in die einzelnen Abgrenzungen geschaufelt, die an Deck durch Planken in Metallschienen vorbereitet waren. Es wurde Kabeljau, Rotbarsch, Seelachs, Katzenfische und sonstiges Meeresgetier aus dem Meer geholt. Fische sortieren war mit anderen auch meine Arbeit. Das geschah mit Mistforken und Schaufeln. Zeitgleich flickten und reparierten einige Matrosen das Netz, um es danach schnellstens wieder außenbords zu bringen. War es am Meeresgrund, nahm unser Schiff langsam die Schleppfahrt wieder auf. Nun galt es, den Fisch schnellstens von Deck auf das Förderband und damit zur weiteren Verarbeitung zu bringen.

      An Backbordseite standen die Fischarbeiter am Fließband und filetierten Rotbarsch und Kabeljau. Unterhalb dieses Laufbands waren Trichter angeordnet. Der geköpfte und filetierte Fisch wurde durch diese Öffnungen der Fischmehlanlage zugeführt. Im Maschinenraum war das gesamte Maschinenpersonal mit dem Binden und Schleppen von Fischmehlsäcken beschäftigt. Die Fischleber lieferte schließlich Lebertran. Die einzelnen Arbeitsgänge dazu sind mir nicht mehr genau in Erinnerung geblieben. (Tranofen im Dom – Raum an Steuerbordseite im Decksaufbau?) Die Filetstücke wurden in flachen Kartons tief gefroren. Im letzten Arbeitsgang kamen die Platten in größere Kartons, die dann in einem Tiefkühlraum gestapelt lagerten.

      Noch heute ist mir das Schuften über viele Stunden mit kurzen Unterbrechungen unter Bedingungen, die von überkommenden Seen, Kälte und rutschigem Deck durch Fischkot bestimmt war, gegenwärtig. Das Arbeiten an Deck war eine einzige Schinderei. Solange Fisch gefangen wurde, gab es kaum Schlaf. Schwerstarbeit im Rhythmus von 18 bis 20 Stunden und mehr. Das konnte auch bis zu 30 Stunden durchgehen. Um das alles irgendwie erträglich zu machen, kam mittels Tonband über Decklautsprecher


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