Das Gesetz der Vier. Edgar Wallace

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Das Gesetz der Vier - Edgar Wallace


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erwiderte der andere heiser. »Danke sehr, ich bin Nichtraucher.«

      »Nun, was kann ich für Sie tun?«

      »Ich möchte Sie kurz in einer privaten Angelegenheit sprechen.« Bei diesen Worten schaute er ängstlich auf die Glastür, die Mr. Stedlands Büro von dem kleinen Raum trennte, in dem seine Angestellten arbeiteten.

      »Sie können ganz unbesorgt sein«, meinte Stedland belustigt. »Ich kann Ihnen dafür garantieren, daß die Scheidewand schallsicher ist. Was haben Sie denn für Sorgen?«

      Er vermutete, daß der Mann in einer augenblicklichen Geldverlegenheit steckte, und ein Bankbeamter in solcher Lage konnte sehr nützlich für die Zukunft sein.

      »Ich weiß kaum, wie ich anfangen soll, Mr. Stedland«, sagte der Mann und setzte sich schüchtern auf die Ecke eines Stuhles. Sein Gesicht zuckte nervös. »Es ist eine schreckliche Geschichte, einfach furchtbar.«

      Stedland hatte schon oft von solchen furchtbaren Dingen gehört. Manchmal bedeuteten sie nicht mehr, als daß sein Besucher vom Gerichtsvollzieher bedroht und ängstlich bemüht war, seinen Arbeitgeber nichts davon erfahren zu lassen. Zuweilen waren die Geständnisse auch schwererer Art.

      »Erzählen Sie mir nur alles«, sagte er aufmunternd. »Mich können Sie nicht so leicht aus der Fassung bringen!«

      Diese Äußerung war jedoch ein wenig voreilig.

      »Ich bin nicht meinetwegen so in Sorge, sondern wegen meines Bruders John Curtis, der seit zwanzig Jahren Kassierer bei der Bank ist«, erwiderte der Mann aufgeregt. »Ich hatte nicht die geringste Ahnung, daß er in Schwierigkeiten war, aber er hat an der Börse spekuliert und hat es mir erst heute gesagt. Es ist entsetzlich – ich fürchte, er wird sich das Leben nehmen. Er ist ganz zusammengebrochen.«

      »Was hat er denn getan?« Stedland wurde ungeduldig.

      »Er hat sich an den Geldern der Bank vergriffen, mein Herr«, sagte Curtis heiser. »Wäre das vor zwei Jahren passiert, so wäre es nicht so schlimm gewesen, aber gerade jetzt, wo die Geschäfte so schlecht gehen und wir uns die größte Mühe geben müssen, unsere Bilanz in Ordnung zu bringen ich darf nicht daran denken, welche Folgen das noch haben wird.«

      »Wieviel hat er denn genommen?« fragte Stedland schnell.

      »Hundertfünfzigtausend Pfund!«

      Stedland sprang erregt auf.

      »Hundertfünfzigtausend Pfund?« rief er ungläubig.

      »Jawohl, mein Herr. Ich kam zu Ihnen, um Sie zu bitten, ein gutes Wort für ihn einzulegen. Sie sind doch einer der besten Kunden der Bank, und man hält viel auf Sie!«

      »Was, ich soll auch noch ein gutes Wort für ihn einlegen!« schrie Stedland. Aber plötzlich wurde er wieder ruhig. Er erfaßte die Situation sofort und überdachte die Möglichkeiten. Schnell schaute er auf die Uhr – es war Viertel vor drei.

      »Weiß in der Bank schon jemand etwas davon?«

      »Nein, noch niemand, aber es ist meine Pflicht, dem Generaldirektor die ganze traurige Geschichte zu erzählen. Nach Geschäftsschluss werde ich ihn bitten, mir eine Privatunterredung zu gewähren und dann –«

      »Gehen Sie jetzt zur Bank zurück?«

      »Ja«, sagte Curtis überrascht.

      »Nun hören Sie einmal zu, mein Freund.« Stedlands Gesichtszüge waren hart und undurchdringlich geworden. Er nahm zwei Banknoten aus seiner Brieftasche. »Hier haben Sie zwei Fünfzigpfundnoten – nehmen Sie die und gehen Sie nach Hause.«

      »Aber ich muß wieder zur Bank zurück – man wird sich wundern –«

      »Das ist ganz gleich, ob man sich wundert. Sie haben doch genügend Entschuldigungsgründe, wenn die ganze Sache herauskommt. Wollen Sie tun, was ich Ihnen sage und jetzt sofort nach Hause gehen?«

      Der Mann nahm die beiden Banknoten zögernd.

      »Ich weiß nicht, was Sie –«

      »Das hat nichts zu sagen, was ich unternehmen werde. Ich habe Ihnen das Geld gegeben, damit Sie den Mund halten und nach Hause gehen. Können Sie denn nicht verstehen?«

      »Ja – ich verstehe.« Curtis schwankte mit unsicheren Schritten aus dem Zimmer.

      Fünf Minuten später öffneten sich die Glastüren der Molbury-Bank vor Mr. Stedland. Er ging sofort zur Kasse. Vornehme Ruhe herrschte in den Geschäftsräumen. Der Kassier, der ihn persönlich kannte, trat lächelnd zu ihm.

      Stedland reichte ihm ein Blatt Papier. Der Mann sah es verwundert an und runzelte die Stirn.

      »Das ist ja fast Ihr ganzes Guthaben bei uns, Mr. Stedland?«

      »Ja, ich muß sehr eilig verreisen und komme vor zwei Jahren nicht zurück. Aber es bleibt doch noch genügend, um mein Konto aufrechtzuerhalten.«

      Es war allgemein bekannt, daß die Firma Molbury & Co. bei solchen Gelegenheiten keine Schwierigkeiten machte.

      »Dann wollen Sie wahrscheinlich auch den Inhalt Ihres Safes mitnehmen?« fragte der Kassier höflich.

      »Ja, bitte.«

      So erhielt er denn den Zinnkasten von der Bank zurück, den er dort deponiert und in den er von Zeit zu Zeit weitere Dokumente hineingelegt hatte.

      Zehn Minuten später verließ er das Haus. Er hatte nahezu hunderttausend Pfund an Banknoten in seinen Taschen untergebracht und hielt einen Zinnkasten in der einen Hand. Mit der anderen beschützte er seine Hüfttasche, denn er war sehr vorsichtig. Dann bestieg er das wartende Taxi.

      Als er in Clapham angekommen war, ging er direkt in sein Arbeitszimmer, schloß die Tür hinter sich zu und öffnete den kleinen Geldschrank, in den er zwei dicke Pakete von Banknoten und den Zinnkasten legte. Dann klingelte er nach Jope, und als er ihn kommen hörte, machte er ihm die Tür auf.

      »Haben wir noch ein Feldbett hier im Hause?« fragte er.

      »Jawohl, Mr. Stedland.«

      »Dann bringe es hierher. Ich schlafe heute nacht in meinem Arbeitszimmer.«

      »Ist etwas los?«

      »Stelle keine dummen Fragen, sondern tu das, was ich dir sage!«

      Morgen wollte er einen anderen sicheren Aufbewahrungsort für sein Vermögen suchen. Er brachte den Abend in seinem Arbeitszimmer zu und legte sich nieder, um zu ruhen, aber nicht, um zu schlafen. Auf dem Stuhl neben seinem Bett lag ein Revolver. Mr. Stedland war ein vorsichtiger Mann. Aber obwohl er sich fest vorgenommen hatte, kein Auge zuzutun, war er doch bereits eingeschlafen, als ihn Lärm von der Straße her plötzlich wieder weckte.

      Von unten klangen die wohlbekannten Glockensignale der Feuerwehr herauf. Scheinbar war ein ganzer Zug unten in der Straße, denn er hörte Motorgeknatter und Stimmengewirr. Jetzt bemerkte er auch einen strengen Brandgeruch im Zimmer, und als er sich umsah, entdeckte er den Widerschein roten Feuers an der Decke. Sofort sprang er aus dem Bett – das halbfertige Gebäude nebenan stand in hellen Flammen. Die Leute waren schon an der Arbeit und bekämpften das Feuer mit mehreren Spritzen. Mr. Stedland lächelte vergnügt. Dieses Feuer würde ihm schöne Summen einbringen, denn er hatte das Bauwerk hoch versichert, und ihm selbst konnte ja nichts passieren.

      Plötzlich hörte er unten im Flur lautes Sprechen. Eine tiefe Stimme gab irgendeinen Befehl, und Jope sprach aufgeregt dazwischen. Stedland schloß die Tür auf. In der Diele und auf der Treppe brannten die Lichter. Er schaute über das Geländer und sah Jope, der einen Mantel übergeworfen hatte und vor Kälte zitterte. Er stritt mit einem Feuerwehrmann, der einen großen Helm trug.

      »Ich kann auch nichts dafür«, sagte der Mann. »Ich muß eine Schlauchleitung durch eins dieser Häuser legen. Ich kann keine Rücksicht darauf nehmen, daß dieses Haus Ihnen gehört.«

      Mr. Stedland wünschte durchaus nicht, daß eine Schlauchleitung durch sein Haus gelegt wurde und hoffte, es so einrichten zu können, daß diese Unannehmlichkeit seinen


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