Mord und Totschlag in Chicago. Edgar Wallace

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Mord und Totschlag in Chicago - Edgar Wallace


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der die Transporte begleitete. Seitdem es verboten war, hatten die Leute erst recht ihre Vorliebe für hochprozentige Getränke entdeckt. Sie nahmen achselzuckend davon Kenntnis, daß jeder, der den Alkoholschmuggel störte, damit rechnen mußte, erschossen und vom fahrenden Auto aus auf die Straße geworfen zu werden. Wahrscheinlich wären sie aber doch erschrocken, wenn man ihnen gesagt hätte, daß in dem Alkoholpreis auch die Munition der Mörder und die Blumenkränze für die Gräber der Opfer eingerechnet waren.

      Perelli trat eben in den supervornehm eingerichteten Raum, der zugleich als Frühstücks- und Arbeitszimmer diente. Der japanische Diener hatte gerade den Kaffee gebracht. Nach der Hausordnung, die Perelli festgesetzt hatte, würde Minn Lee erst am Nachmittag erscheinen, und auch Angelo, der vor kurzem eine vornehme Wohnung gemietet hatte, kam erst später.

      Perelli sah auf die Uhr. Es war erst acht, aber trotzdem erwartete er bereits einen Besucher. Im gleichen Augenblick wurde er durch das leichte Surren eines Summers auf seinem Schreibtisch angemeldet.

      Red Gallway war die luxuriöse Umgebung nicht sympathisch, und an diesem Morgen fühlte er sich hier noch weniger wohl als sonst, weil er einen beträchtlichen Groll gegen Perelli aufgespeichert hatte. Die ganze Nacht über hatte er sich in seinen Zorn hineingesteigert, aber jetzt, im hellen Tageslicht, fiel es ihm schwer, diese Stimmung aufrechtzuerhalten.

      »Setz dich, Red, und erzähle, was es im Westen Neues gibt.«

      »Ich muß etwas wissen, Perelli – und wenn ich es nicht sofort erfahre, dann ist der Teufel los. Verstehst du?«

      Tony sah ihn neugierig und ziemlich von oben herab an.

      »Mach dich doch nicht lächerlich. Wirklich zu komisch, wenn du dich aufspielen willst ... Aber schön, schieß los!«

      Red rutschte unruhig in seinem Sessel hin und her.

      »Du kennst Leeson – Mike Leeson. Das war mein Freund, Perelli. Und jetzt hat ihn einer über den Haufen geknallt. Ich möchte den Kerl sehen, der das getan hat!«

      Antonio Perelli lächelte.

      »Ich habe ihn umgelegt«, sagte er fast gemütlich.

      Tiefes Schweigen folgte.

      »Hast du vielleicht etwas dagegen?« erkundigte sich Perelli dann freundlich.

      Red biß sich auf die Lippen.

      »Aber das ist doch keine Art, einen so netten Kerl einfach mir nichts, dir nichts ... Einen Freund von mir! Mike und ich waren wie Brüder ...«

      »Dann solltest du eigentlich Trauer tragen«, erklärte Perelli gelassen, »denn dein Bruder ist tot.«

      »Warum hast du das getan?« fragte Red verbissen.

      Perelli hielt es für nicht der Mühe wert zu antworten.

      »Sag doch, warum du es getan hast? Mike war ein netter Kerl und hat mir viel geholfen.«

      »Ich habe es eben für richtig gehalten.«

      Tony lehnte sich nachlässig auf seinem Stuhl zurück, griff nach der Kaffeetasse, die vor ihm stand, und nahm einen Schluck.

      »Ja – ich habe es für richtig gehalten. Und wenn ich erst einmal etwas für richtig halte, dann tue ich es auch.«

      Red nagte an seiner Unterlippe. Er fürchtete Perelli, aber innerlich kochte er vor Wut.

      »Du hast dich nicht besonders liebenswürdig mir gegenüber verhalten!«

      Tony nickte.

      »Na, wenn du willst, kondoliere ich dir. Warst du übrigens im Krankenhaus? Nein? Da liegt gerade ein anderer Freund von dir, der Grieche Ontropolos. Es geht ihm ziemlich schlecht – gestern Abend hat ihm jemand mit dem Gummiknüppel eins übergezogen. Möchtest du wissen, warum? Er hat einem meiner Leute Koks verkauft.«

      Red schwieg.

      »Und ich will nicht, daß meine Leute trinken oder irgendwelche Rauschgifte nehmen!«

      »Das brauchst du mir nicht zu sagen. Für mich selber kann ich allein sorgen ...«, begann Red.

      »Sicher kannst du das. Übrigens liegt niemand etwas daran, wenn du es nicht tust. Vor allem aber wirst du nicht dafür bezahlt, daß du für dich selbst sorgst, sondern daß du dich um mich und meine Leute kümmerst. Wenn deine Hände zittern und wenn du nicht ganz klar im Kopf bist, dann ist das schlimm. Wenn du trinkst und die Klappe nicht halten kannst, ist es noch viel schlimmer – denn ich weiß nur zu genau, daß ein Kokainsüchtiger jedes Geheimnis gegen eine entsprechende Menge Koks verkauft. So, nun weißt du es. Und das ist mein letztes Wort – laß die Finger von dem weißen Pulver oder mach, daß du fortkommst.«

      Red erhob sich.

      »Schön, in Ordnung, ich gehe!«

      Ein rätselhaftes Lächeln spielte um Perellis Mundwinkel.

      »Gut – wie du meinst!«

      Wenn Red im allgemeinen auch nicht sehr sensibel veranlagt war, so fühlte er doch jetzt fast körperlich die Drohung, die in diesen Worten lag.

      »Tony, ich bin kein Schuljunge, der sich in jede Ecke stoßen läßt! Und wenn sich zwei Partner nicht mehr miteinander vertragen, dann müssen sie sich eben trennen.«

      »Da hast du recht«, entgegnete Tony und nickte.

      Red ging. In seinem Kopf schwirrte es von Plänen. Er hatte verschiedene Tricks des Alkoholgeschäfts gelernt, von denen er nie etwas erfahren hätte, wenn Tony Perelli nicht etwas zu mitteilsam gewesen wäre.

      Als nächstes ging er zu einem guten Bekannten, der auch der Schmugglerbande angehörte, und lud ihn zum Mittagessen bei Bellini ein. Dort erzählte er ihm alles, was ihm durch den Kopf ging.

      Victor Vinsetti war ein gutgekleideter junger Mann mit merkwürdig ruhelosen Augen. Bezeichnend für ihn war, daß er immer den Verdacht zu haben schien, daß jemand hinter ihm stände. Nur sehr selten äußerte er eigene Ansichten, verstand dafür aber ausgezeichnet zuzuhören.

      Er erfuhr, was Red Gallway bedrückte und was mit Mike Leeson passiert war. Red versuchte ihm klarzumachen, wie leicht es sein würde, ein eigenes Schmuggelunternehmen zu starten, Stoff über die Grenze zu bringen und neue Absatzgebiete zu finden. Wenn man nur ein paar tüchtige, smarte Jungen fand, die in den geheimen Kneipen als Vertreter fungierten, konnte man in lächerlich kurzer Zeit ein Vermögen verdienen.

      Vinsetti hörte interessiert zu, weil er selbst auch schon ähnliche Gedanken gehabt hatte. Seit einiger Zeit befaßte er sich allerdings mit anderen Plänen.

      »Habe ich recht oder nicht, Vic?« fragte Red am Schluß seiner langen Ausführung.

      »Natürlich hast du recht – und ich verstehe dich durchaus. Aber die Sache ist doch nicht so einfach, wie du es dir vorstellst. Und auf jeden Fall bist du sehr unvorsichtig, wenn du so viel darüber sprichst.«

      »Mike Leeson war ein tüchtiger Kerl ...«

      »Mike war gar nichts, höchstens eine große Null«, unterbrach ihn Vinsetti ruhig. »Er ist tot, und es ist auch nicht weiter schade um ihn – ich möchte nur wissen, wie Perelli darüber denkt ...«

      Er dachte intensiv nach, während Red ihn neugierig betrachtete. Vinsetti war selbst ein gefürchteter Pistolenschütze, wenn er auch nicht zu den ganz großen Leuten gehörte. Alle wußten, daß er reich war. Die Pläne, die ihn beschäftigten, bestanden einfach darin, daß er sich vom Alkoholschmuggel zurückziehen wollte – obwohl man sagte, daß dies selten jemand gelänge, der einmal daran beteiligt gewesen war. Auf der ›Empress of Australia‹ war eine Kabine für ihn belegt. Er wollte über Kanada reisen; alles, was wertvoll war, hatte er bereits zu Geld gemacht und stand auch schon wegen einer Villa an der Küste von San Remo in Unterhandlungen. Reds Offenheit war ihm peinlich; besonders weil er wußte, daß jeder zweite Kellner bei Bellini ein Spion war.

      Noch am gleichen Abend ging er zu Perelli.

      »Red ist wütend«, erzählte er. »Ich war mit


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