Heute bei uns zu Haus. Ханс Фаллада

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Heute bei uns zu Haus - Ханс Фаллада


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an. Paßte man nicht auf, so war der Verlag im Handumdrehen viele Hunderte von Exemplaren los, ohne irgendeine Leistung dafür zu erhalten.

      Mein Amt sollte es nun sein, übersichtliche Listen über den Versand dieser Besprechungsexemplare anzulegen, aus denen auf einen Blick zu ersehen war, wer wann was erhalten hatte. Weiter mußte ich dann die von zwei Ausschnittbüros übersandten Kritiken aus den Zeitungen ordnen und in eben diesen Listen abbuchen, so daß allmählich klar zu erkennen war, was die Böcke, was die Schafe waren.

      Eine solche genaue Organisation aufzuziehen (und sie auch in Ordnung zu halten), das hat mir immer viel Spaß gemacht. Mit Eifer entwarf ich ein Listenformular und konstruierte Heftmappen dazu. Alles fiel etwas überlebensgroß aus, sehr handlich waren diese Mappen nicht, aber was mußten sie auch alles enthalten! Hunderte von Zeitungen und Zeitschriften, sämtliche Neuerscheinungen mußten auf Jahre hinaus eingetragen werden können. Ich entwarf also, legte alles dem bleichen Herrn mit der Zigarre vor, erhielt eine genuschelte Billigung, und nun wurde gedruckt, gebunden, beschriftet, eingerichtet …

      Worauf ich mich auf wahre Berge von Zeitungsausschnitten stürzte. Ich las, ordnete, klebte ein, buchte – kurz, aus dem Straßenläufer war ein Bürositzling geworden! Mir gefiel das ausgezeichnet.

      Meinem Verleger weniger. Es kam der Tag, da er aus seinem Urlaub zurückkehrte, es kam die Stunde, da ich vor meinen Chef befohlen wurde. Stolz auf meine vorzügliche Organisation, ergriff ich die ungeheuern Mappen, ein freundliches Mädchen öffnete und schloß hinter mir die Türen, und ich trat in das Allerheiligste.

      Ich konnte meinen Chef nicht sehen, er mich auch nicht: die Mappen verbargen die Hälfte meines Leibes. Er sah nur zwei Beine hereinwandeln, sehr dünne Beine. Aber ich hörte ihn. Du lieber Himmel, wie schrie er!

      »Sie sind wohl wahnsinnig geworden!« schrie er. »Was bringen Sie denn da an?! Das sollen Besprechungslisten sein? Mist ist das! Ich soll mich wohl auf den Bauch legen, wenn ich darin was nachsehen will?! Um solchen Bockmist anzurichten, habe ich Sie also aus Altholm geholt! Mit Idioten hat man zu tun! Nur mit Idioten! Herr Meyer! Herr Müller! Herr Schulze! Herr Schmidt! Fräulein Bauch! Fräulein Lauch! Fräulein Tauch! Kommen Sie doch mal her! Haben Sie das gesehen, was der Fallada da angerichtet hat?! – Und das haben Sie zugelassen?! Ich sage es ja, alles Idioten, mein ganzer Verlag besteht aus Idioten! Kaum kehrt man einen Augenblick den Rücken …«

      Mein guter alter Verleger! Niemand von seinen Angestellten nahm seinen Wutausbruch tragisch, er brauchte von Zeit zu Zeit so etwas! Aber ich, sein neuester Angestellter, kannte diese Ausbrüche noch nicht. Bleich stand ich hinter meinen Mappen, ich sah uns schon auf der Straße, und wir »erwarteten« in knapp anderthalb Monaten!

      Trotzdem war ich noch immer von der Vorzüglichkeit meiner Organisation überzeugt. Schwach gegen das starke Löwengebrüll anmeckernd, versuchte ich hinter den Mappen zu erklären, zu zeigen, zu verteidigen – so sehr meine Kollegen auch abwinkten.

      Man mußte den Löwen brüllen lassen, dann hörte er von allein auf. Ich machte ihn nur immer wilder. Schließlich flog ich mit meinen Mappen aus dem Allerheiligsten. Zerschmettert, schlimmster Ahnungen voll. Der erste Lichtblick in der allgemeinen Finsternis meiner Lebensaussichten war unser Kontorbote Männe, der im Durchgangszimmer damit beschäftigt war, Post fertigzumachen. Bei meinem Anblick hob er den Kopf und sagte als echter Berliner: »Fallada, morjen früh kommen Se aber mit frisch jewaschener Brust: morjen früh erschießt der Chef Ihnen!«

      Ein bißchen atmete ich auf. Also wurde dieses Gebrüll nicht so tragisch genommen, noch war unsere und des Ungeborenen Existenz nicht bedroht. Ich habe es dann auch erlebt, wie der Chef sich allmählich mit den unhandlichen Mappen abfand. Langsam gab er zu, daß sie auch Vorteile hatten. Dann, als die gedruckten Formulare erschöpft waren, sagte er mit einem halben Lächeln: »Na, lassen Sie wieder welche drucken. Schließlich haben sich die Untiere doch bewährt.«

      Aber bis wir soweit waren, hatten wir noch über manchen Berg zu klettern. Vorläufig beherrschte mich noch völlig die Sorge um unser Auskommen. Es war klar, von dem Gehalt konnten wir nicht leben, ich mußte etwas dazuverdienen. Nun hatte mein Brotgeber eine seltsame Einrichtung getroffen, ohne ein Wort zu mir, ohne eine Erklärung. Auf dem ganzen Verlag wurde bis abends fünf oder sechs gearbeitet, ich aber hatte jeden Tag um zwei Uhr Büroschluß, so hatte er es angeordnet. Dieser listige alte Verleger! Nie hatte er mit einem Wort meine früher erschienenen Bücher erwähnt (auch nicht den Vorschuß). Nie hatte er sich erkundigt, ob ich wohl Lust hätte, etwas Neues zu schreiben. Aber er schickte mich um zwei Uhr nach Haus, er gab mir den halben Tag frei. Er war ein großer Menschenkenner, er las es mir an der Nase ab, daß ich zu den Menschen gehörte, die immer beschäftigt sein müssen, die stets etwas vorhaben müssen. Die Zeit meines Nichtstuns war eine Zeit des Gelähmtseins, von Krankheit gewesen, nun war ich wieder gesund. Wenn mir kein anderer Arbeit auftrug, machte ich mir selber welche.

      Hinter »Kupferberg Gold« setzte ich mich an den Schreibtisch und fing an, Papier vollzuschreiben. Oh, ich hatte meinen Stoff, ich hatte in Altholm so einiges gesehen, erlebt, gehört. Ich fing an, einen Roman zu schreiben, des Titels »Ein kleiner Zirkus namens Monte«.

      Ich schrieb mit tausend Zweifeln, oft ganz mutlos. Ich hatte es mir technisch so schwierig wie nur möglich gemacht. Nach meinen ungeliebten Erstlingen, die gar zu persönlich gewesen waren, sollte der Autor diesmal im Buch ganz fehlen. Mit keinem Wort sollte er andeuten, was er selbst über das Erzählte dachte, das war Sache des Lesers. Wie ich geächzt habe! Wie ich darüber verzweifelt bin, daß ich nie »beschreiben« wollte, daß die ganze Entwicklung in Dialogform gegeben werden sollte! Sagte er, sagte sie – ich konnte das schon nicht mehr sehen.

      Daß ich das Buch je zu Ende geschrieben habe, verdanke ich nur meiner niederdeutschen Hartnäckigkeit. Ich war überzeugt, es war alles Mist – aber ich war hartnäckig wie ein Maulesel. Es mußte zu Ende geschrieben werden, da es einmal angefangen war. Halbe Geschichten habe ich nie gemocht.

      Dann wanderte das Manuskript, da es nun einmal geschrieben war, auf den Verlag. Die Lektoren lasen es, der Verleger las es. Ich muß sagen, daß er nach jenem ersten Zornesausbruch wegen meiner überdimensionierten Mappen der angenehmste Chef gewesen war. Er hatte nie den Arbeitgeber herausgekehrt, sein Ton war immer freundschaftlich gewesen. Aber nun klang er doch noch anders. Er hatte richtig getippt, er hatte eine gute Nase gehabt: in diesem halb verbummelten Menschen steckte etwas. Ein Verlagsvertrag wurde geschlossen …

      Und dann kam der große Glücksschlag: eine illustrierte Wochenschrift entschloß sich zum Vorabdruck des Romans, der in »Bauern, Bonzen und Bomben« umgetauft war. Das war damals eine sehr mutige Tat, denn einmal wimmelte dieser Roman von den deftigsten Derbheiten, zum andern mußte er »oben«, »bei den Roten« heftigsten Anstoß erregen. Aber die Zeitung entschloß sich, sie wollte sogar zwölftausend Mark für das Wagnis zahlen! Liebe Leute, zwölftausend Mark – Suse und ich gerieten ja wohl völlig aus dem Häuschen! Zwölftausend Mark, das war Reichtum, das bedeutete Sorgenlosigkeit – dafür konnte man sich die halbe Welt kaufen! Unterdes war unser Erstgeborener längst eingetroffen und schrie die Wände hinter der Sektreklame dauerhaft an. Natürlich würden wir nun aus der Steinwüste hinausziehen. Wir würden uns in irgendeinem Vorort ein Häuschen kaufen. Wir würden Möbel anschaffen, Wäsche, Kleidung! Und Bücher, natürlich Bücher! Es war wie ein Taumel! Soviel Glück war eigentlich gar nicht möglich!

      Meiner zweiflerischen Veranlagung entsprechend, war ich natürlich nicht ohne Befürchtungen. Würden die illustrierten Herren nicht noch zurückweichen? Würden sie auch zahlen? Eigentlich war es ja unmöglich, einen so derben Roman in einer Illustrierten zu veröffentlichen! Suse sollte schon sehen, wir hatten uns umsonst gefreut. Ich sah streng darauf, daß an unserer sparsamen Lebenshaltung nichts geändert wurde!

      Aber die Wochenschrift zahlte, es kam die Stunde, da das Geld beim Verlag einging. Ich fand mich auf der Kasse ein. Der Verlag war damals »ein bißchen klamm«, ich bekam eine Abschlagszahlung, fünfhundert oder tausend Mark, weiteres würde ich später erhalten. Aber was kümmerte mich das weitere?! Wir hatten eine ungeheure Barsumme in der Hand. Wir gingen einkaufen.

      Nie hatten Suse und ich einkaufen können, was man so richtig einkaufen nennt. Nun konnten wir es, nun taten wir es, nun genossen wir es.


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