Nachtschatten. Lea Wintterlin
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Der Hagere war ihm gefolgt und griff nach meinem Arm: » Komm jetzt, Pia, wir m ö schten gehn. «
» Ich – ä h – unterhalte mich gerade. «
» Mit deeem da? «
» Das ist –« ich wandte mich an
» Lennox « , sagte Lennox da zum ersten Mal und sch ü ttelte meinen Mitbewohnern l ä chelnd die Gelenke aus den H ä nden, » nice to meet you. «
Der Ü berbiss wackelte und der Amerikaner stotterte: » Meet – yeah – wonderful –«
Dann zu mir: » Pia, du willst doch nicht etwa hier – bleiben – willst du? «
» Aber ich – ä h – warum nicht? «
» Weil du sooo betrunken bist. «
» Also Pia, « der Ü berbiss versuchte sich zu n ä hern, » du wei ß ja nisch, was du sags. «
Der Ami wieder: » Und gibst dich jetzt mit dem N ä chstbesten ab! «
Ich schaute Lennox an, der wie eine Mauer – ich glaube, das sagte ich schon – gegen alles B ö se neben mir stand und von oben bis unten – ich glaube, das sagte ich noch nicht – wundersch ö n aussah.
» Lennox und ich, wir – ä h – wollten uns gerade noch was zu trinken holen. «
Meine Mitbewohner wurden immer kleiner.
» Macht euch keine Sorgen « , sagte ich noch, » ich finde den Weg nach Hause. «
Schlie ß lich murrten sie davon.
Lennox und ich standen da und blieben, als w ä ren wir seit Ewigkeiten miteinander bekannt. Fakt ist, dass ich in Gedanken tats ä chlich pr ü fte, ob ich den Weg nach Hause auch finden w ü rde. Und als ich mir ganz sicher war, tranken wir noch was in derselben Bar und danach in einer anderen und dann noch in einer versteckten Taverne, bis wir dort die letzten waren und aufgefordert wurden zu gehen.
Auf der Stra ß e lief uns ein Rosenverk ä ufer ü ber den Weg, der einen riesigen Berg an Rosen auf dem Arm trug. Lennox kaufte eine, die knallrot war wie alle, reichte sie mir und k ü sste meine Hand.
» Ich wohne nicht weit von hier – m ö chtest du den Blick von meiner Terrasse sehen? «
Ich f ü hlte mich sehr erwachsen mit meiner Rose in der Hand und vielleicht hatte ich mich verh ö rt.
» Wir k ö nnen auch noch einen Tee trinken « , Lennox schaute mich an und ich schaute ihn an und nickte, w ä hrend ich dachte, dass Tee doch jetzt gar nicht zum Abend passte. Er sah so wundersch ö n aus.
An der Schwelle zu seiner Terrasse schloss mich Lennox von hinten in seine Arme.
» I won ‘ t make love to you tonight « , sagte er, » weil ich zu betrunken bin. «
Ich glaubte ihm nicht und lie ß mich halten. Gemeinsam blickten wir ü ber die D ä cher, es war sehr ruhig. Nur am Hafen war noch alles be- leuchtet. Dann zog mich Lennox auf sein Bett und aus und wir verschlangen uns, gegenseitig, verschwammen ineinander und liebten uns mindestens zweimal.
Von den Glockenschl ä gen irgendeiner nahen Kirche wurde ich wach am sp ä ten Vormittag, wickelte mir das Bettlaken um den Oberk ö rper und schaute aus dem Fenster den M ö wen zu, die kreischend ü ber den D ä chern ihre Kreise zogen.
Ich liebte Genua. Ich liebte die Tageszeit, wenn der bedeckte Morgenhimmel einem grellen Mittagslicht wich, das bleiern auf den D ä chern lag. Am Horizont hatte der Himmel eine blass-rosa Farbe und wurde zu uns hin immer blauer. Und das Meer wurde immer dunkler, je ä lter der Tag. Ich f ü hlte mich ü berhaupt nicht verkatert.
Lennox kam nackt aus dem Bad und sagte: » Good to have you here « .
Zwischen den Kleidern am Boden klingelte es. Mein deutscher Ex-Freund rief an, seine Firma w ü rde ihm anbieten, f ü r ein-zwei Jahre nach China zu gehen, was ich dazu meine.
» Mach das « , sagte ich, w ä hrend ich Lennox zuschaute, wie er seine Unterhose anzog, » Auslands-erfahrung ist auf jeden Fall eine gute Sache. «
Es war ein bisschen albern, wie ich mir mit der freien Hand das Bettlaken ü ber meinen Br ü sten festhielt.
» Your boyfriend? « , wollte Lennox wissen, als ich aufgelegt hatte.
» Nein, mein ex-boyfriend. «
Wir gingen mitten am Tag fr ü hst ü cken, Lennox wusste ein buntes Caf é , nicht weit, wo wir uns an einem Tisch gegen ü ber sa ß en, mir wurde Cappuccino gebracht und er bestellte Schwarztee. Wie aus allen Wolken sagte er nach dem ersten Schluck: » Ich glaube, ich habe dir letzte Nacht Tee angeboten und gar nicht gemacht. «
Er setzte mir seinen Sonnenhut auf und sch ü ttelte die zerzausten Locken, wir a ß en Panini, auch eine Schale Joghurt mit Fr ü chten und redeten Englisch und Italienisch durcheinander. Ich fragte mich, wo er herkam. Englisch war seine Muttersprache, aber Lennox lebte schon seit Jahren in Genua. Nach einer Weile setzte ich ihm seinen Sonnenhut auf, das Caf é wurde immer bunter, dann setzte er mir seinen Hut wieder auf und bestimmt bestellte ich noch einen Cappuccino. Und er noch einen Tee oder Wei ß wein und bekam seinen Hut von mir aufgesetzt.
Die zweite Nacht verbrachten wir bei mir, kamen allerdings zu sp ä t, um meine Mitbewohner noch anzutreffen. Nur meine portugiesische Mitbewohnerin begegnete Lennox mitten in der Nacht auf dem Weg ins Bad.
» Come un principe del sole « , raunte sie mir am n ä chsten Morgen zu und ich begriff das alles nicht, weil man Gl ü ck immer erst begreift, wenn es nicht mehr da ist.
Nach zwei Tagen, die Lennox und ich nicht voneinander gewichen waren, standen wir im Hausflur und mussten zum ersten Mal Worte suchen zum Abschied.
» Ich wei ß gar nicht, was man jetzt sagt « , sagte ich.
Lennox blinzelte mich an.
» Ich meine, auf Englisch w ü rdest du nice to meet you sagen – aber als du das zu meinen Mitbewohnern gesagt hast, war das ja eine L ü ge, also in der Bar –«
» Ach das, « Lennox lachte, » na, das darf man nicht so eng sehen, ich mag deine Mitbewohner. Es gibt ja in jeder Sprache so Formulierungen f ü r bestimmte Situationen. Die sind Standard. «
» Wie kann ich dann unterscheiden, wann es ernst gemeint ist? «
» Das merkt man im Einzelfall « , grinste Lennox. Dann neigte er sich, fl ü sterte mir » nice meeting you « ins Ohr und ging.
Am Abend schrieb er » looking forward to meet you « als Textnachricht, ich antwortete » me, too « und wir verabredeten uns zum Mittagessen f ü r ü bermorgen. Er war nicht da. Ich wartete ü ber eine Stunde im Schatten der Piazza San Lorenzo und hielt abwechselnd mich und dann wieder ihn f ü r einen Idioten. Ich wollte die Kathedrale nicht mehr sehen, ich war keine Touristin, drehte der Sehensw ü rdigkeit den R ü cken zu und rauchte eine ganze Schachtel Zigaretten. Wie benommen sah ich Lennox aus dem Nichts endlich erscheinen, sein Fahrrad schiebend, seine Locken wippten und er rief » Pia « , mit fr ö hlicher Stimme. Er wollte mir ein Restaurant zeigen, das kein Tourist je finden w ü rde. Wir schlenderten durch f ü nfhundert schmale Gassen, ich lief endlos neben ihm her. Wir ü berquerten einen kleinen Platz, der Piazza Dello Amor Perfetto hie ß , und betraten um die Ecke die Taverna Di Giuseppe. Eine lange Theke zog sich durch den langgezogenen Raum, der beige gekachelt war, ein Spielautomat klapperte vor sich hin. Lennox nahm Platz, es gab nur Thekenpl ä tze, ich versuchte, mich auf dem Barhocker seitw ä rts zu platzieren, damit ich ihn anschauen konnte. Er sah unglaublich wundersch ö n aus.
» Rotwein oder Wei ß wein? «
» Gerne « , antwortete ich, und wir a ß en dort und tranken. Der Wirt war ein Freund von ihm. Lennox kannte furchtbar viele Leute. Wo wir hinkamen, waren wir nie allein. Wir verbrachten mehr Zeit bei ihm als bei mir, und st ä ndig kamen noch Leute mit, um den Blick von seiner Terrasse zu genie ß en. Oder auf ein Glas Wein und eine Zigarette. Ein paar Studentinnen aus den Niederlanden