Blauer Himmelsstern. Bianca Wörter
Читать онлайн книгу.sehen kann. Unser Schicksal verbindet uns. Ich würde lieber sterben, als jetzt vor dir zu fliehen", flehte ich den Drachen an und seine Augen nahmen einen warmen, weichen Schimmer an.
„Du darfst nicht sterben."
„Ich möchte dich erlösen."
„Dann geh!"
Ich spürte Verzweiflung in mir aufsteigen: "Nein, schick mich nicht weg! Ich will dich erlösen!"
Der Drache brüllte: "Dann geh! Du musst gehen! Du kannst mich nur erlösen, wenn du die Quelle des Bösen, die mich gefangen hält, vernichtest. Tatsächlich bist du zu schwach dazu. Geh! Ich kann dich nicht länger verschonen. Geh, bevor es zu spät ist. Der Verlust deiner Anwesenheit schmerzt mich genauso wie dich. Flieh!"
Ich blickte ihm tief in die Augen und erkannte den Schmerz, den er mir beschrieben hatte, wie meinen eigenen, er loderte in meinem Körper, ich konnte nicht mehr auseinander halten, wessen Schmerz es war. Das spielte auch keine Rolle, denn wir waren eins. Eins vom Ursprung an und er verschonte mich, damit ich ihm helfen konnte.
Von einem Augenblick zum nächsten veränderte sich der Schwarze Drache. Er schien größer zu werden, breitete seine Flügel weit aus, sein Körper bebte heftiger, er stieß sich mit seinen Hinterläufen vom vereisten Boden ab und schwang sich in den Himmel hinauf.
Ab diesem Zeitpunkt hatte eine andere Macht, groß und böse, von ihm Besitz ergriffen, überflutete ihn und ich wusste, wenn ich jetzt nicht fliehen würde, müsste er seine Drohung wahr machen. So drehte ich mich auf einem meiner Hinterläufe um und jagte in die Richtung, aus der ich gekommen war. Ich berührte mit meinen Hufen kaum den eisigen Boden; mit aller Kraft, die ich in meinem Körper mobilisieren konnte, rannte ich davon. Langsamer durfte ich nicht werden, sonst würde er mich einholen und töten, denn er jagte mir in der Luft nach. Er wehrte sich dagegen, aber die Macht, die ihn von nun an steuerte, war stärker als sein Wille. Doch ich fühlte, dass er an diesem Tag einen kleinen Sieg gegen diese Macht errungen hatte, einfach, indem er sich mit mir unterhalten und mich gewarnt hatte. Dass er mich entkommen ließ, war ein weiteres Indiz. Er musste zu seiner Befreiung ebenso viel beitragen wie ich. Und die Liebe zu dem Einhorn half ihm. Ich warf schnell einen Blick nach oben, nach hinten und erkannte erleichtert, dass sein schwarzer, majestätischer Körper im grauen Himmel hinter den Wolken verschwand. Ich war gerettet, er hatte einen Sieg errungen und beide trugen wir den Schmerz des Verlustes in uns.
Ich ließ mich in dem Schmerz treiben, rannte weiter, fühlte den eisigen Wind durch mein Fell brausen, litt, versuchte die Leere in meinem Inneren zu vergessen, doch sie brannte tief und unerbittlich. Ich verlangsamte meine Schritte, taumelte zum Schluss nur noch einem Schatten entgegen, den ich am Horizont entdeckt hatte. Erschöpft wie ich war, spürte ich den Schmerz des Verlustes bis ins kleineste Detail. Als dieser Schmerz allmählich nachließ, brach ich vor Schwäche zusammen. Der Schatten am Horizont näherte sich und ich konnte mich kaum mehr auf den Beinen halten. Die Verwandlung begann einzusetzen, ohne mein Zutun. Meine Beine konnten mich endgültig nicht mehr tragen und noch bevor die Verwandlung vollendet war, brach ich bewusstlos im Schnee zusammen.
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