Auf zum Nullarbor. Hermine Stampa-Rabe

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Auf zum Nullarbor - Hermine Stampa-Rabe


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steht tief am Himmel.

      28.01.2013: Ouyen – Tooleybuc: 104 km

      Ich schlafe tatsächlich bis 6.00 Uhr durch. Die morgendliche Dusche weckte mich vollends auf. Bei aufgehender Sonne schiebe ich auf dem groben Weg des Caravan-Parks zur Straße, 200 m zurück und ich biege in die B12 ein, die mich ganz bis zum Murray River nach Tooleybuc bringen soll. Der geringe Autoverkehr ist wohl darauf zurückzuführen, dass heute ein australischer Feiertag ist.

      Die gestrigen Schmerzen meiner Hände sind über Nacht verschwunden. Werden sie heute auf dieser langen Strecke noch einmal durchhalten?

      Die Landschaft gleicht der gestrigen mit den beidseitig stehenden Mallee-Trees. Auf der Hälfte finde ich den Ort Manangatang. Im dortigen Supermarkt esse und trinke ich. Glücklich nehme ich die Straße gen Osten nach Tooleybuc wieder unter die Räder.

      Nach 104 km erreiche ich meinen in der völlig ruhigen Natur am Murray-River gelegenen Caravan-Park. Der Inhaber fährt sein Auto gleich von seinem Rasenparkplatz und stellt ihn mir zum Zelten zur Verfügung. Darüber hängen große Tücher, die Schatten bieten. Diese Art des Schattengebens gibt es auch bei großen Kaufhäusern für die Autos ihrer Käufer.

      Ich skype mit Gudrun in Spanien. Wir verabreden uns für das nächste Video-Telefonieren auf Sonntag. Ich freue mich jetzt schon darauf. Sie hat dann Zeit. Auch kann ich dann mit meiner kleinen Enkeltochter Anna-Lena sprechen.

      In der Dusche – es sind nur zwei vorhanden und die eine ist besetzt – erblicke zu meinem Entsetzen auf den weißen Fliesen ein schwarzes Ungeziefer mit länglichem, dickem Bauch und mit Beinen nach allen Seiten. Da denke ich, dass es sich um die Schwarze Witwe handelt und möchte absolut nicht darin duschen. Aber anfassen möchte ich es auch nicht, auch nicht mit meinen Flip-Flops darauf treten. So stehe ich fassungslos mit meiner Waschtüte davor und hypnotisiere es, um aufzupassen, wohin es läuft. Aber es bleibt brav sitzen. Da erscheint eine junge Koreanerin, der ich dieses Tier zeige. Sie meint: „Lebt es noch?“

      „Ich glaube, ja. Ist es die Schwarze Witwe?“

      „Ich glaube nicht.“ Sie holt den Aufwischmob und will das Tier damit fangen. Es läuft weg. Da merke ich, dass es ein schwarzer, dicker Käfer, eine Kakerlake, ist. Auf jeden Fall befördert sie das Tier nach draußen. Unser Gespräch hört der Inhaber des Caravan-Parks und kommt heraus. Er tötet das eklige Tier. Na, die Ureinwohner hätten es bestimmt gern verspeist. Ich nicht. Auf diese Weise kann ich dann doch duschen, aber nicht in dieser, sondern in der anderen Dusche, aus der die Freundin der jungen Koreanerin tritt.

      Wieder in meinem Zelt gelandet, telefoniere ich noch mit meinem Klaus-Otto. Mir wird richtig warm ums Herz.

      Der Tanz mit den Road Trains

      29.01.2013: Tooleybuc – Kerang: 109 km

      Nach einer bis 4.30 Uhr währenden Nacht mache ich mich fertig, esse mein Müsli und lege mich noch einmal in meinen Schlafsack. Mit meinem Goretex-Windhemd und der rosa Windbluse unter der gelben Fleecejacke bin ich gegen die kalte Luft draußen warm angezogen. Um 6.30 Uhr starte ich bei 16°C und Sonnenschein. Fast 4 km muss ich zurücklegen, um wieder auf den Highway 400 zu kommen. Aber dann geht es gegen den kühlen Wind zur Sache.

      Wer schon einmal an der Westküste Schleswig-Holsteins gen Norden radelte, der weiß, wovon ich rede. Da gibt es kaum Windschutz. Da pfeift der Wind!

      Um diese Zeit sind die Straßen noch fast leer. Ich radle durch eine ziemlich platte Landschaft, die anfangs von großen Weinplantagen flankiert wird. Danach sieht beidseitig alles ziemlich ausgetrocknet aus. Früher war der Murray River noch nicht von den Weißen eines großen Teiles seines Wassers beraubt worden. Da gab es hier überall noch viel Grundwasser. Aber da das ja nun zum Teil abgesogen wird, sind der Wasserspiegel und dementsprechend auch das Grundwasser sehr abgesunken. Das bedeutet für die Landschaft, dass die Pflanzen vertrocknen. Ein trauriger Anblick. Er erinnert mich an die Lüneburger Heide bei uns in Norddeutschland, wo auch das wunderbar schmeckende Grundwasser für andere Städte abgezapft wurde. Als dann aber dort durch den niedrigen Grundwasserstand auf der Oberfläche große Schäden angerichtet wurden, wurde es verboten.

      Aber können die Menschen hier in Südaustralien das auch machen? Ich glaube es nicht. Sie sind auf das Wasser dieses einzigen für sie zuständigen großen Flusses angewiesen.

      Mir wird richtig flau zumute. Meine Beine wollen nicht so richtig Geschwindigkeit machen. Der Wind ist zu stark. Und dann erinnere ich mich, dass ich gestern überhaupt kein Abendbrot aß, sondern aufgrund der großen Hitze nur zwei Liter sehr kalter Milch trank. Nun muss ich für Abhilfe sorgen. In Swan Hill fahre ich beim Roadhouse vor und versorge mich.

      Wieder mit einem guten Gefühl in der Magengegend besteige ich mein bepacktes Rad und radle weiter. Kurze Zeit später stürze ich beinahe mit meinem Rad beim Fotografieren durch den Sog eines vorbeifahrenden Road Trains. Ich halte es gerade noch stramm genug vorn fest. Hinten liegt es schon auf der Seite. Dabei bricht mein einer Flaschenhalter ab. Nun besitze ich nur noch eine kleine Trinkflasche am Fahrradrahmen. Mit Schwund muss ich wohl rechnen.

      Nicht allzu lange danach, reisst mir der Windsog hinter einem Road Train meinen Sturzhelm bis auf den Hinterkopf. Wie kann das nur passieren? Ich halte an und ziehe die Riemen, die unter meinem Kinn zusammengeschoben werden, kürzer. Hatte sie vorher wohl nicht richtig festgestellt. Und weiter geht es.

      Gegen 14.00 Uhr setzt sich die Sonne wieder mit voller Kraft gegen die Kälte der Nacht durch. Mein Thermometer zeigt 30°C an. Deshalb ziehe ich die warme Garderobe aus. Die Luft, die nun an meinen Körper gelangt, tut mir richtig gut. Sehr oft lege ich eine Trinkpause ein.

      Nun befinde ich mich im Gebiet einiger Seen. Da der Lake Boga ziemlich dicht am Highway liegt, radle ich hin und fotografiere dort. Die anderen Seen sind weiter entfernt.

      Nach zehn Stunden erreiche ich Kerang. Ein mich freundlich grüßender Rennradfahrer mit Gepäck hinter dem Sattel und einem kleineren Rucksack auf dem Rücken kommt mir entgegen und hält. Auch er fährt mit Sturzhelm-Rückspiegel, aber einem viel stabileren, als dem meinen. Er heißt Ron, befindet sich auf einer Marathonstrecke und will noch bis zum Abend – dabei ist es schon Abend – nach Tooleybuc rasen, wo ich heute früh startete. Er aber hat den großen Vorteil, vom Sturm geschoben zu werden. Er ist ein sehr interessanter Mann von 58 Jahren. Wir lachen, weil wir uns beide schon in unserer fortgeschrittenen zweiten Jugend befinden. Wir beide sind Vegetarier. Eigenartig, dass die Vegetarier schlank bleiben und ein fröhliches Gemüt aufweisen. Auch sind davon viele sehr sportlich. Wir beide beschliessen, noch lange so jung zu bleiben, indem wir weiterhin so leben und Fahrrad fahren. Wir lachen. Wir fotografieren uns gegenseitig. Er will mir das Foto, das er von mir schoss, per Email senden. Sein Rennrad besitzt ein noch viel stärkeres E-werk als meins. Mit seinem kann er eine doppelte Beleuchtung an seinem Lenker einschalten. Er bittet mich: „Komm im nächsten Jahr Mitte Januar wieder nach Australien und mache die Fahrradrennen mit.“

      „Aber von diesen ekligen Bergrennen halte ich nichts. Mir sind flache Strecken lieber.“

      Er lächelt und fischt aus seiner kleinen Tasche eine Creme gegen meine aufgeplatzte Unterlippe, drückt einen kleinen Schnirks darauf, den ich verteile. Diese halbvolle Tube schenkt er mir, weil er noch eine – er zeigt sie mir auch – in der Tasche hat. Heute Abend soll ich unbedingt vor dem Schlafengehen wieder meine Unterlippe eincremen. Ron ist ein selten sympathischer Mann, der auch an andere, die er eigentlich nicht kennt, denkt und für sie sorgt.

      Beim Caravan Park erhalte ich für $10 einen Zeltplatz. Beim Supermarkt in 200 m Entfernung kaufe ich ein. Weil ich so müde und so hungrig bin, lasse ich mein Rad im Park stehen und esse gleich hier. Fliegen umschwirren mich und landen laufend auf meinem Gesicht. Also, das mag ich nicht, hole meinen Mücken- und Fliegenspray heraus und befeuchte damit mein Gesicht. Da verschwinden sie.

      Da, wo ich mein Zelt aufstellen soll, befinden sich viele Mauselöcher und –gänge. Nein, Besuch möchte ich nicht in meinem Vorzelt haben. Bald sitze ich in der Laundry und schreibe meine Erlebnisse


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