Faust in 60 Minuten. Johann Wolfgang von Goethe

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Faust in 60 Minuten - Johann Wolfgang von Goethe


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ich dir, Flammenbildung, weichen?

      Ich bin's, bin Faust, bin deinesgleichen!

      Der du die weite Welt umschweifst,

      Geschäftiger Geist, wie nah fühl ich mich dir!

      GEIST:

      Du gleichst dem Geist, den du begreifst,

      Nicht mir!

      verschwindet

      FAUST zusammenstürzend:

      Nicht dir?

      Wem denn?

      Nicht darf ich dir zu gleichen mich vermessen;

      Hab ich die Kraft dich anzuziehn besessen,

      So hatt ich dich zu halten keine Kraft.

      Den Göttern gleich ich nicht! zu tief ist es gefühlt;

      Dem Wurme gleich ich, der den Staub durchwühlt.

      Dies hohe Leben, diese Götterwonne!

      Du, erst noch Wurm, und die verdienest du?

      Ja, kehre nur der holden Erdensonne

      Entschlossen deinen Rücken zu!

      Hier ist ein Saft, der eilig trunken macht;

      Mit brauner Flut erfüllt er deine Höhle.

      Den ich bereit, den ich wähle,

      "Der letzte Trunk sei nun, mit ganzer Seele,

      Als festlich hoher Gruß, dem Morgen zugebracht!

      Er setzt die Schale an den Mund. Glockenklang und Chorgesang.

      CHOR DER ENGEL:

      Christ ist erstanden!

      Freude dem Sterblichen.

      FAUST:

      Welch tiefes Summen, welch heller Ton

      Zieht mit Gewalt das Glas von meinem Munde?

      Verkündigt ihr dumpfen Glocken schon

      Des Osterfestes erste Feierstunde?

      Dies Lied verkündete der Jugend muntre Spiele,

      Der Frühlingsfeier freies Glück;

      Erinnrung hält mich nun, mit kindlichem Gefühle,

      Vom letzten, ernsten Schritt zurück.

      O tönet fort, ihr süßen Himmelslieder!

      Die Träne quillt, die Erde hat mich wieder!

      Vor dem Tor

      Spaziergänger aller Art ziehen hinaus.

      Faust und Wagner.

      FAUST:

      Vom Eise befreit sind Strom und Bäche

      Durch des Frühlings holden, belebenden Blick;

      Im Tale grünet Hoffnungsglück;

      Der alte Winter, in seiner Schwäche,

      Zog sich in rauhe Berge zurück.

      Ich höre schon des Dorfs Getümmel,

      Hier ist des Volkes wahrer Himmel,

      Zufrieden jauchzet groß und klein:

      Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein!

      WAGNER:

      Mit Euch, Herr Doktor, zu spazieren

      Ist ehrenvoll und ist Gewinn;

      Doch würd ich nicht allein mich her verlieren,

      Weil ich ein Feind von allem Rohen bin.

      FAUST:

      Nur wenig Schritte noch hinauf zu jenem Stein,

      Hier wollen wir von unsrer Wandrung rasten.

      Hier saß ich oft gedankenvoll allein

      Und quälte mich mit Beten und mit Fasten.

      An Hoffnung reich, im Glauben fest,

      Mit Tränen, Seufzen, Händeringen

      Dacht ich das Ende jener Pest

      Vom Herrn des Himmels zu erzwingen.

      Der Menge Beifall tönt mir nun wie Hohn.

      O könntest du in meinem Innern lesen,

      Wie wenig Vater und Sohn

      Solch eines Ruhmes wert gewesen!

      Mein Vater war ein dunkler Ehrenmann,

      Der über die Natur und ihre heil'gen Kreise

      In Redlichkeit, jedoch auf seine Weise,

      Mit grillenhafter Mühe sann;

      Der, in Gesellschaft von Adepten*,

      * Eingeweihte in die Alchimie

      Sich in die schwarze Küche schloß,

      Und, nach unendlichen Rezepten,

      Das Widrige zusammengoß.

      Hier war die Arzenei, die Patienten starben,

      Und niemand fragte: wer genas?

      So haben wir mit höllischen Latwergen*

      * eigentlich eingekochtes Mus, hier als abfällige Bezeichnung für die Medizin des Vaters verwendet.

      In diesen Tälern, diesen Bergen

      Weit schlimmer als die Pest getobt.

      Ich habe selbst den Gift an Tausende gegeben:

      Sie welkten hin, ich muß erleben,

      Daß man die frechen Mörder lobt.

      WAGNER:

      Wie könnt Ihr Euch darum betrüben!

      Tut nicht ein braver Mann genug,

      Die Kunst, die man ihm übertrug,

      Gewissenhaft und pünktlich auszuüben?

      Doch gehen wir! Ergraut ist schon die Welt,

      Die Luft gekühlt, der Nebel fällt!

      Am Abend schätzt man erst das Haus.-

      Was stehst du so und blickst erstaunt hinaus?

      Was kann dich in der Dämmrung so ergreifen?

      FAUST:

      Siehst du den schwarzen Hund durch Saat und Stoppel streifen?

      WAGNER:

      Ich sah ihn lange schon, nicht wichtig schien er mir.

      FAUST:

      Betracht ihn recht! für was hältst du das Tier?

      WAGNER:

      Für einen Pudel, der auf seine Weise

      Sich auf der Spur des Herren plagt.

      FAUST:

      Bemerkst du, wie in weitem Schneckenkreise

      Er um uns her und immer näher jagt?

      Und irr ich nicht, so zieht ein Feuerstrudel

      Auf seinen Pfaden hinterdrein.

      WAGNER:

      Ich sehe nichts als einen schwarzen Pudel;

      Es mag bei Euch wohl Augentäuschung sein.

      FAUST:

      Geselle dich zu uns! Komm hier!

      WAGNER:

      Es ist ein pudelnärrisch Tier.


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