Mein Name ist DRAKE. Francis Drake. Wulf Mämpel
Читать онлайн книгу.damals einen Korb. Was er durch Heirat nicht erreichen konnte, will er nun mit seiner riesigen Armada erledigen, denkt Elisabeth. Spanien ist immer noch die größte Seemacht der Welt, wir haben zwar aufgeholt, doch es reicht noch nicht, um der Aggression stand zu halten. Wir bauen täglich an neuen Schiffen, setzen das gesamte Gold ein, das die „Seefalken“ den Spaniern abgenommen haben. Unsere Werften arbeiten wie wild an der neuen englischen Flotte.“
„Was bedeutet das für uns . . . für Dich und mich?“
„Ich bin Admiral, Liebling. Ich werde ein Kommando übernehmen, ganz sicher. In den letzten Monaten haben erste geheime Konferenzen stattgefunden, von denen ich Dir ja erzählte. Die Pläne reifen nun noch schneller. Die Königin ist zwar bemüht, ihr diplomatisches Geschick spielen zu lassen, um Zeit zu gewinnen, was ihr ja bisher gut nutzte, doch ich bezweifle, dass der Spanier sich weiter täuschen lässt.“
„Nun, dass der Habsburger verärgert ist, kann ich verstehen: Ihr habt ihm gehörig in die Goldkiste gegriffen. Du und Deine Piraten-Freunde, die berüchtigten Seefalken. Kein spanisches Schiff war vor euch sicher. Und Du vorne weg, Du und John Hawkins.“
Elisabeth lacht und kommt langsam auf mich zu. Sie nimmt mich in den Arm und flüstert: „Du großer Freibeuter, Du hast auch mich gekapert.“ Wir küssen uns lange. Ich spüre ihr Verlangen in dem Moment, als John McFinn ins Zimmer stürmt und voller Freude berichtet, dass er zwei Hasen geschossen habe, die bereits in der Küche verarbeitet würden. Jetzt erst spürt der treue Kumpel, dass er stört und verschwindet schnell von der Terrasse.
„Ich muss es immer wiederholen: Wir müssen schneller sein als die Spanier, unsere neuen Kriegsschiffe sind leichter und wendiger, das ist unser Vorteil. Vor allem ist es auch von großer Bedeutung, dass wir unsere Küsten schützen, also eine wichtige Aufgabe für die Generäle der Landtruppen. Die Häfen müssen noch besser gesichert werden. Wir müssen Soldaten rekrutieren und vieles mehr.“
„Wann . . . wann wird es so weit sein?“
„Ich weiß es nicht. Unsere Spione sind in vielen spanischen und französischen Häfen eingesetzt. Jede für uns wichtige Bewegung wird gemeldet. Sir Francis Walsingham, dieser clevere Jurist und Witwentröster, er heiratet nur Witwen, leistet gute Arbeit, obwohl ich den Kerl nicht leiden kann. Er ist ein ekeliger Bursche, verklemmt und spießig, aber sehr erfolgreich. Spione sind für mich irgendwie auch immer Verräter. Aber . . . seine geheimen Truppen, die er überall in Europa einsetzt, haben schon mehrere Attentate auf die Königin vereitelt. Das muss man anerkennen. Nun nützt er uns mit Informationen über unsere Gegner. Wir erwarten seine Berichte aus den feindlichen Häfen mit großer Neugierde. Ohne diese Spione wüssten wir nur wenig über die spanischen Pläne.“
„Es wird wieder viele Tote geben, Francis, – auf beiden Seiten. In einem Krieg leiden die Mütter und Ehefrauen am meisten, wenn ihre Söhne und Männer sterben. Auch ein Sieger ist irgendwie immer ein Verlierer. Hoffentlich geschieht Dir nichts. Ich möchte mein Glück mit Dir nicht verlieren . . . wegen dieser brutalen Spanier. Ich sehe aber ein, dass ein Land sich verteidigen muss. Du wirst mal wieder gebraucht. Ich möchte ja ebenfalls nicht eines Tages unter der spanischen Knute leben.“
„Wir müssen schneller sein als die Spanier, wir müssen ihnen zuvorkommen. Ich habe einen Plan, der sie überraschen soll: Wir werden sie in ihren heimatlichen Häfen angreifen und einen Teil ihrer Armada zerstören. Das ist mein Plan, den ich mit John und Walter Raleigh besprochen habe.“
„Ja, Du und John Hawkins und Walter, Ihr seid die Haudegen der britischen Flotte. Das Trio Infernale. Ich habe Angst um Dich.“
„Nun, wir sind erfolgreich, das ist wohl wahr. Ich denke, es wird bald soweit sein. Den Gegner zu überraschen, das ist mein Handwerk. Außerdem will ich Branderschiffe ausprobieren, brennende Schiffe, die wir in die Häfen treiben lassen, um die Schiffe unserer Feinde in Flammen aufgehen zu lassen und sie zu versenken, ohne dass wir kämpfen müssen.“
„Ich mache mir große Sorgen um Dich, Francis. Du hast in letzter Zeit hier in Ruhe leben können. Nur wird unser Leben wieder gefährlich werden. Ich habe Angst.“
„Mir wird nichts geschehen!“
X
Heute lasse ich mich von Fernando Pareira mit einem zweisitzigen Gig an den Strand südlich von Plymouth fahren. Ich kenne dort eine Stelle, die sehr einsam ist und wo ich oft schon trainiert habe, was ich heute ebenfalls plane. Es gibt solche Tage, da muss ich mich körperlich betätigen. Mir bekommen die Steinwurfübungen, die ich selbst für mich entwickelt habe, sehr gut, weil sie meinen ganzen Körpereinsatz erfordern. In meiner Begleitung sind entweder Fernando oder John. Sie trainieren dann ebenfalls ihre persönlichen Kampf- und Fitnessübungen. Außerdem bewundere ich an dem paradiesischen Ort die Farben des Meeres, die in dieser kleinen, steinigen Bucht besonders intensiv leuchten. Ich genieße den Geruch des Meeres, diese Mischung aus Salz, Fisch und Tang. Ich liebe die Geräusche, das monotone Krachen der großen Wellen, ihre unendliche Wiederkehr, die jede Zeitvorstellung sprengt. Den gleichen Effekt erlebe ich, wenn ich in die Feuer meiner Kamine starre. Wasser und Feuer – zwei Elemente, die mich faszinieren. Elemente, die mich beruhigen, hier kann ich vor mich hin dösen, Konzepte entwickeln und maßlos träumen.
Vor Jahren habe ich hier einen Landschaftsmaler getroffen, der Farbskizzen für ein großes Ölbild anfertigte. Ich habe seinen Namen vergessen, er soll aber in Italien, in Florenz, eine Karriere gemacht haben. An diesem Teil der Küste, sind die Wellen besonders mächtig, das Schwimmen erfordert daher eine gute körperliche Verfassung. Dieser stille Ort wird kaum von Menschen besucht, weil er außer der wilden Romantik wenig attraktiv ist. Ich hörte von Schmugglern, die vor Jahren an dieser Stelle ihre erbeuteten Waren an Land brachten. Meist wehen hier raue Winde, was ich liebe. Auch der gelbweiße Sand ist hier grobkörniger als an anderen Stellen. Das einzige, was diese Einöde an Land wirft sind Holzstämme und Berge von Muscheln, über die sich die Möwenschwärme freuen, die sich mit ihren kreischenden, wehklagenden Lauten voller Freude auf die tägliche Mahlzeit stürzen.
Wir sind heute ohne Eskorte unterwegs, was sicher leichtsinnig ist. Ich habe von Überfällen auf Landhäuser gehört, von Attacken auf Kutschen, Reitern und sogar auf Gottesdienstbesucher. Es sei zu Morden und Brandstiftungen gekommen. Auch an den Stränden und in den Wäldern soll es neuerdings Gesindel geben, das dort sein Unwesen treibt. Das Parlament verschärfte inzwischen die Gesetze, doch die Angst geht um im Reich. Ich selbst habe eine Aufstockung der Patrouillen angeordnet, um unsere Häfen besser zu schützen, denn auch dort hat es schon Gewalttaten gegeben. Vor zwei Monaten wurde eines unserer Schiffe durch gezielte Brandpfeile zerstört. Wir konnten zwei spanische Matrosen fangen und hinrichten, die in der Folter gestanden hatten, im Auftrage eines spanischen Admirals gehandelt zu haben. Zurzeit scheint es etwas ruhiger geworden zu sein, doch das kann täuschen. Das Böse ist immer und überall! Eine große Anzahl von Wegelagern, Dieben, Mördern und Betrügern wurde inzwischen hingerichtet oder zu grausamen Strafen im Schnellverfahren verurteilt: unter anderem zur Schwerstarbeit in Steinbrüchen und in den walisischen Zinn-Bergwerken.
Fernando packt den Inhalt seines Korbes aus, den er in unserer Küche hat bestücken lassen: Kaltes Huhn, ein Stück Schweinebraten, Brot, Obst, Küchlein, eine Flasche Wein: „Was darf es sein, Kapitän“, fragt er fröhlich. Ich antworte streng: „Nach der Arbeit kommt das Essen!“
Die geplante Strandwanderung verschieben wir erst einmal und beginnen bei herrlichem Sonnenschein mit dem Training: Fernando wirft mir in regelmäßigen Abständen mit seinem rechten Arm mittelgroße Kiesel zu, die ich auffange und mit all meiner Kraft weit von mir werfe. Diese Übung ist für mich einfach und effektiv, sie stärkt meine Muskeln und meine Reaktionsfähigkeit. Nach einer halben Stunde schwitze ich kräftig. Ich ziehe mich nackt aus und gehe in die Wellen, dann schwimme ich einige Meter entlang des Strandes und wir beginnen mit der Steinaktion von neuem. Dreimal Wurfübungen, dreimal schwimmen – dann fallen wir über die Köstlichkeiten aus unserer Küche her. Wir lagern uns in den Schatten eines mächtigen Granitfelsens, um uns zu laben.
Fernando fragt vorsichtig: „Ich habe von John gehört, dass die Spanier uns bedrohen. Sollte ich selbst in England keine Sicherheit vor diesen Ausbeutern finden? Ich kann es nicht glauben, Kapitän.“