Edgar Wallace - Gesammelte Werke. Edgar Wallace

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Edgar Wallace - Gesammelte Werke - Edgar Wallace


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gehen Sie hin und bleiben Sie einen oder zwei Tage in Beverley Green, dann werden Sie dasselbe Gefühl haben. Es brütet etwas in der Luft, es ist wie die Stille, bevor der Blitz in Ihr Haus einschlägt – aber hier kommt der Zug. Und wenn Sie vor Gericht als Zeuge gegen mich auftreten müssen, machen Sie mich nicht zu schlecht.«

      »Habe ich schon einmal etwas gegen Sie gesagt, Scottie?« fragte Andy. »Also viel Glück mit Ihrem Alibi!«

      Scottie blinzelte.

      In diesem Augenblick hielt der Zug an, und Stella Nelson stieg aus dem Abteil, das vor ihnen hielt. Andys Blicke folgten ihr, bis sie außer Sicht war.

      »Sie ist auch irgendwie in das Unheil verwickelt«, flüsterte Scottie ihm ins Ohr. »Also auf Wiedersehen, Macleod!«

      Scottie fuhr nach London und wurde vor Gericht gestellt. Aber es ging ihm nicht so schlecht, wie er gefürchtet hatte, da sein Alibi gut und einwandfrei war und die Aussage von vier anscheinend ehrenhaften Personen genügte. Sie hatten mit ihm Karten gespielt, als das Verbrechen begangen wurde. Auch die klug aufgebaute Anklage des Staatsanwaltes und das geschickte Kreuzverhör des skeptischen Richters konnten nichts daran ändern.

      Andy hatte sich eigentlich vorgenommen, eine schöne Mondscheinfahrt über Land nach seinem Feriensitz zu machen, von dem man ihn so plötzlich weggeholt hatte. Alle Formalitäten des Verhörs von Scottie wurden ja von dem Polizeiinspektor, der den Fall leitete, erledigt. Wenn die Untersuchung oder die Gerichtsverhandlung seine Anwesenheit notwendig machten, konnte er für einen Tag nach London fahren.

      Aber Scotties Bemerkung über Beverley Green hatte auf ihn gewirkt wie ätzende Säure auf eine Kupferplatte. Als er zu dem Gasthaus zurückging, wo sein Wagen untergestellt war, hatte er sich entschlossen, in Beverley zu bleiben. Er wunderte sich, daß bereits alle Leute wußten, wer er war. Auf der Straße, wo sie hier und dort in Gruppen herumstanden, wandten sie sich nach, ihm um, als er vorbeiging.

      Wenn er schon nicht die Absicht hatte, Beverley in dieser Nacht zu verlassen, so dachte er doch nicht daran, Beverley Green zu besuchen. In seinem Unterbewußtsein mochte dieser Plan allerdings bestanden haben, doch folgte er nur einem augenblicklichen Impuls, als er plötzlich nach dem Abendessen seinen Wagen aus der Garage holte und zu der schönen Villenkolonie fuhr. Er kam zum Gästehaus, stellte den Motor ab und schaltete die Scheinwerfer aus. Es war Vollmond, und die magische Wirkung des weißen Lichtes beeinflußte auch ihn.

      Er stand lange und betrachtete die herrliche Landschaft, dann ging er über den grünen Rasen und wandte sich zum Haus Mr. Nelsons. Er beobachtete, wie sich die Haustür öffnete und ein Lichtschein herausfiel. Er trat in den Schatten eines der Rhododendronbüsche, die in den Anlagen neben der Straße standen.

      Es kam ein Mann heraus, dessen Gang sofort seine Aufmerksamkeit auf sich zog.

      Andy hatte sich eingehend mit dem Studium der Menschen befaßt. Er kannte die Sprache der Hände, er konnte aus der Art und Weise, wie sich jemand an den Tisch setzte und seine Serviette entfaltete, viele Schlüsse auf seinen Charakter oder seine augenblickliche Gemütsverfassung ziehen.

      Dort geht jemand, der in sehr schlechter Stimmung ist, dachte er und schaute Artur Wilmot nach, der niedergeschlagen den geschotterten Weg entlangging. Der junge Mann öffnete die Gartentür zu seinem eigenen Grundstück, blieb dann aber stehen, als ob ihm ein anderer Gedanke gekommen wäre, trat wieder auf die Straße und ging in ein Haus, das dort an der Ecke der Landstraße stand. Es war Mr. Merrivans Anwesen. Andy erinnerte sich, daß Wilmot Merrivans Neffe war.

      Der Detektiv ging weiter, hielt sich aber immer im Schatten der Büsche und Bäume. Etwas wie Furcht hatte auch ihn plötzlich gepackt. Er hatte ein feines Gefühl, das sich jedoch mehr auf praktische Dinge bezog. Sicherlich war er nicht so empfindlich für gewisse Einflüsse, wie Scottie es zu sein behauptete. Er hatte über dessen Erzählung nachgedacht, aber trotz aller Übertreibungen war doch immer noch eine gewisse Aufrichtigkeit dieses Mannes in Betracht zu ziehen, Auch Scotties Furcht hatte er für Übertreibung gehalten, und jetzt beschlich ihn selbst ein unheimliches Gefühl. Ihm war, als ob ein drohender Schatten auf ihn fiel.

      Dennoch blieb er in der Nähe von Mr. Merrivans Haus stehen. Er wußte selbst nicht, warum er es tat. Immerhin setzte er das gute Einvernehmen mit den Bewohnern von Beverley Green aufs Spiel. Artur Wilmot hatte die Gartentür offenstehen lassen. Andy überquerte die Straße und trat in den Garten. Er hütete sich aber, den Kiesweg zu benützen, und ging auf dem angrenzenden Rasenstreifen.

      Als er die Bäume hinter sich hatte, die die Fassade teilweise verdeckten, sah er, daß das Haus viele Fenster hatte. Die Rahmen waren weiß gestrichen, und der Mond spiegelte sich in den Scheiben, so daß sie wie Silber glänzten. Aus keinem der Fenster drang Licht nach außen. Er folgte dem Weg, bis er dicht unter einem Fenster in der Nähe des Eingangs stand. Hier hörte er plötzlich mit merkwürdiger Deutlichkeit eine Stimme.

      »Das wirst du nicht tun – bei Gott, das darfst du nicht tun! Eher will ich dich umbringen!«

      Es war nicht Merrivan, der sprach, und Andy vermutete, daß es Wilmot sein mußte. Gleich darauf vernahm er ein Geräusch. Das obere Fenster wurde etwas geöffnet. Die beiden Männer befanden sich wahrscheinlich in diesem Zimmer. Jetzt konnte er Merrivans Stimme deutlich unterscheiden.

      »Mach dich doch nicht so lächerlich – was du da redest, ist Unsinn, mein Lieber. Vor deinen Drohungen fürchte ich mich durchaus nicht. Und jetzt werde ich dir etwas sagen – das wird dich in Erstaunen setzen! Ich kenne deine geheimnisvolle Beschäftigung in der Stadt.«

      Die Stimmen wurden leiser, und obgleich Andy sich die größte Mühe gab, konnte er nichts mehr verstehen. Er hörte nur noch ein schnelles, dringendes Sprechen, und einmal lachte Mr. Merrivan laut auf.

      Dann wurde ein Stuhl gerückt. Andy eilte aus dem Garten und verbarg sich in den gegenüberliegenden Büschen, bis Artur Wilmot herauskam und langsam seinem eigenen Haus zuschritt.

      Familienstreitigkeiten erscheinen meistens schwerwiegender, als sie in Wirklichkeit sind. Aber hier handelte es sich doch um eine ungewöhnliche Auseinandersetzung. Welcher Art war wohl die geheimnisvolle Beschäftigung Artur Wilmots, die Mr. Merrivan nur zu erwähnen brauchte, um ihn ganz zahm zu machen? Vorher hatte er geschrien und seinen Onkel mit Mord bedroht, dann war er plötzlich ruhig geworden und hatte normal, fast bittend, gesprochen.

      Andy wartete, bis Wilmot seine Haustür geschlossen hatte, dann trat er wieder auf den Weg und ging langsam zurück. Als er in die Nähe von Nelsons Haus kam, blieb er stehen und schaute hinauf. Sein Herz schlug ein wenig schneller. Er konnte das Mädchen oben am Fenster deutlich erkennen. Das Mondlicht ließ ihre Züge noch schöner erscheinen. Sie zog sich zurück, und das Fenster schloß sich langsam. Er wußte, daß sie ihn gesehen hatte. War sie erschrocken? Fürchtete sie sich vor ihm?

      Sonderbar, dachte er, als er nach Beverley zurückfuhr, und das Merkwürdigste von allem war, daß er sich wieder wohler fühlte und das Gefühl der Bedrohung ihn verließ, sobald er wieder in die Hauptstraße einbog. Wenn es wirklich Teufel und Gespenster in Beverley Green gab, so mußten sie wirklich sehr mächtig sein, denn sogar Andrew Macleod hatte kurze Zeit unter ihrem Einfluß gestanden.

      Stella Nelson saß beim Frühstück, als ihr Vater herunterkam. Er war nicht mehr so anmaßend. Er schämte sich, und in seiner ganzen Haltung drückte sich die Bitte um Verzeihung aus.

      Früher hatte sich Stella durch seine Reue täuschen lassen, sie hatte geglaubt, daß doch noch etwas Gutes an einem Mann sein müsse und er sich bessern könne, wenn er seine Fehler einsah. Aber diese Illusion war zerronnen wie so viele andere. »Guten Morgen, mein Liebling. Ich wage kaum, dir ins Gesicht zu sehen«, sagte er, als er sich niedersetzte und mit unsicheren Händen seine Serviette entfaltete. »Ich bin ein Unmensch, ich habe mich aufgeführt wie ein Tier!«

      Sie schenkte ihm Tee ein und kümmerte sich wenig um seine Worte.

      »Du darfst mir glauben, Stella, es war das letzte Mal – wirklich, das allerletzte Mal. Ich habe heute morgen, als ich mich anzog, den festen Vorsatz gefaßt, nie wieder zu trinken. War ich wieder so unausstehlich? Habe ich wieder die Dienstboten


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