Edgar Wallace - Gesammelte Werke. Edgar Wallace

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Edgar Wallace - Gesammelte Werke - Edgar Wallace


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Bank gegangen sein, um sein Konto zu eröffnen. Aber es ergab sich die merkwürdige Tatsache, daß die erste Einzahlung von einer anderen Bank in der Provinz überwiesen wurde, deren Direktor gestorben war. Doch wenn er noch gelebt hätte, wäre er wohl kaum in der Lage gewesen, Aufschluß über Selim zu geben. Hätte man nun sagen wollen, daß er seine Spuren verwischt hatte, so wäre das auch nicht richtig gewesen, denn er hatte überhaupt keine Spuren hinterlassen, die zu verwischen wären. Er war unerkannt irgendwoher gekommen und ebenso unerkannt wieder ins Nichts verschwunden.

      Scottie ging selten bei Tag aus. Er tat es aber nicht aus Geheimniskrämerei, sondern er nahm Rücksicht auf Andys Wünsche. Er ließ sich im allgemeinen nur zwischen ein und zwei Uhr mittags sehen, und um diese Zeit speiste man in Beverley Green gewöhnlich zu Mittag.

      Er verließ Nelsons Haus durch den Seitenausgang, um zum Gästehaus zu gehen und Andy zu sprechen. Ein Artikel in einer Morgenzeitung, die er unter dem Arm trug, war der Zweck seines Besuches. Er selbst wurde nämlich darin erwähnt, und ihm war unbehaglich. Irgendein Berichterstatter, der anscheinend nichts von der Beendigung des Verfahrens gegen Scottie gehört hatte, schrieb etwas von einer aufsehenerregenden Verhaftung in diesem kleinen Ort, die kurz vor dem Mord stattfand, und zog hieraus für Scottie wenig schmeichelhafte Schlüsse.

      Er hatte kaum einen Schritt auf die Straße getan, als er schon wieder stehenblieb.

      Ein großes Auto versperrte den Weg, es stand halb auf der Straße und war halb in die Sträucher hineingefahren, die sie begrenzten. Scottie wußte, daß die Anlagen der Stolz der Bewohner von Beverley Green waren.

      Der Chauffeur hatte ein rotes Gesicht und machte verzweifelte Anstrengungen, den Wagen zu wenden, worunter natürlich die Sträucher litten. Aber Scotties Aufmerksamkeit richtete sich nicht auf den Chauffeur, auch nicht auf das prachtvolle Auto – er sah nur die Dame, die darin saß.

      Ihr Alter war schwer zu schätzen, aber sie war eine majestätische und bis zu einem gewissen Grad sogar schöne Erscheinung. Unter dem Hut zeigte sich üppiges, rotes Haar, zu dem ihre schwarzen Augenbrauen einen eigentümlichen Gegensatz bildeten. Eine dicke Puderschicht bedeckte ihr von Natur rotes Gesicht. Die großen blauen Augen traten ein wenig hervor. All dies stellte Scottie fest, während er ihren Schmuck einer eingehenden Prüfung unterwarf.

      In den Ohren trug sie Brillanten von der Größe zweier Erdnüsse. Eine dreifach geschlungene Kette großer Perlen lag um ihren Hals. Eine Brillantbrosche blitzte an ihrem Kleid, eine Smaragdspange an ihrem Gürtel. Scottie betrachtete ihre Hände und stellte fest, daß sie nur an den Daumen keine Ringe trug.

      »Es tut mir entsetzlich leid, daß der Wagen hier soviel Schaden anrichtet, aber warum machen Sie Ihre Straßen nicht breiter?«

      Sie mußte wohl einige Jahre in Amerika gelebt haben, denn sie hatte diesen eigentümlichen Akzent angenommen, den Engländer nach einem längeren Aufenthalt in den Vereinigten Staaten bekommen. Scottie war unbehaglich zumute.

      Recht gewöhnlich, dachte er und fragte sich, wie sie zu dem Schmuck gekommen sein mochte.

      »Ich bin seit vielen Jahren nicht in dieser Gegend gewesen«, sprach sie gleich weiter. Sie hielt ihn natürlich für einen Bewohner von Beverley Green. »Man hat mir soviel von diesem Ort erzählt. Hier ist doch jemand umgebracht worden?«

      »Gewiß«, entgegnete Scottie höflich und reichte ihr die Zeitung. »Sie finden hier einen eingehenden Bericht darüber.«

      »Ich habe leider meine Brille nicht bei mir«, sagte sie, nahm aber die Zeitung trotzdem an, »Es ist doch schrecklich, daß schon wieder ein Mensch getötet wurde. Man hat mir seinen Namen nicht genannt, und er ist ja auch ohne Bedeutung für mich. Es ist wirklich fürchterlich, daß in letzter Zeit wieder so viele Morde vorkommen. Vor einigen Jahren wurde auch ein solches Verbrechen ganz in unserer Nähe in Santa Barbara verübt, aber mein verstorbener Mann, der Senator, wollte mir nichts darüber erzählen, um mich nicht zu beunruhigen. Er war der Senator Crafton-Bonsor. Vielleicht haben Sie schon einmal von ihm gehört? Sein Name war häufig in den Zeitungen. Er hat sich allerdings nicht viel darum gekümmert, was sie schrieben.«

      Scottie schloß daraus, daß die Zeitungen den Mann wahrscheinlich recht unfreundlich behandelt hatten, aber ein Senator der Vereinigten Staaten! Darüber kam er nicht so leicht hinweg. Er wußte zwar nicht viel von den Amerikanern, deren Namen in der Öffentlichkeit eine Rolle spielen, seine Kenntnisse beschränkten sich auf einige Staatsanwälte. Aber er hatte die Vorstellung, daß amerikanische Senatoren hochgestellte Leute seien.

      »Nun, ich muß jetzt weiterfahren. Es wäre mir entsetzlich, an einem Ort leben zu müssen; an dem ein Mord verübt wurde. Ich könnte nachts nicht mehr schlafen, Mr. –«

      »Bellingham ist mein Name – Professor Bellingham.«

      Seine Worte schienen großen Eindruck auf sie zu machen.

      »Ach, wie interessant! Wissen Sie, ein Professor kam auch einmal zu uns in Santa Barbara. Die Rasenflächen in meinem Park sind so groß wie der ganze Ort hier. Ach ja, der Professor, der mich besuchte, war einfach wunderbar. Er holte lebendige Kaninchen aus seinem Zylinder, und vorher hatte er mir doch gezeigt, daß er nichts darin hatte. Nun muß ich aber wirklich weiterfahren, Herr Professor. Ich wohne im Great Metropolitan-Hotel. Mein Gott, die können einem aber Rechnungen schreiben! Und als ich nach einer Beutelmelone fragte, wußte kein Mensch, was ich meinte. Also, dann auf Wiedersehen.«

      Der Wagen fuhr an und war bald außer Sicht. Scottie wurde nachdenklich.

      »Haben Sie den Wagen gesehen?« war die erste Frage, die er an Andy richtete.

      »Nein, gesehen nicht, aber gehört – ich dachte, es wäre ein Lastauto gewesen.«

      »Ja, so könnte man es nennen«, gab Scottie zu. »Sie hätten nur die Fracht sehen sollen! Ungefähr – aber ich will Sie nicht langweilen. Es war einfach großartig – und was für eine Dame!«

      Andy hatte etwas anderes zu tun, als sich um gelegentliche Besucher von Beverley Green zu kümmern.

      »Wie geht es Miss Nelson?«

      »Ausgezeichnet, sie macht heute nachmittag einen langen Spaziergang.«

      Andy wurde rot.

      »Wer hat Ihnen denn das verraten?«

      »Sie selbst«, antwortete Scottie kühl. »Sie hat mir sogar aufgetragen, es Ihnen zu sagen. Dieses Mädchen ist recht intelligent.«

      »Ich habe nicht die Absicht, mich mit Ihnen über die Intelligenz Miss Nelsons zu unterhalten«, entgegnete Andy ein wenig von oben herab. »Und ich weiß auch nicht, warum Sie irgendwelche Schlußfolgerungen aus ihren Worten ziehen. Wahrscheinlich hat sie gemeint, Sie möchten mir bestellen, daß sie sich wohl genug fühlt, allein einen längeren Spaziergang zu machen.«

      »Vielleicht. Sie sagte nur, daß sie um drei Uhr am zweiten Golfloch sei und dort auf Sie warten werde.«

      Andy wußte darauf nichts zu erwidern.

      »Und da wir gerade von Liebe sprechen«, fuhr Scottie fort, »so möchte ich Sie doch bitten, einmal nachzusehen, was der Berichterstatter des ›Post Herald‹ über die Verhaftung eines gefährlichen Verbrechers schreibt – damit meint er nämlich mich. Er zieht allerhand Schlüsse aus der Tatsache, daß sich die Verhaftung kurz vor dem Mord ereignete.«

      *

      Andy hatte schon zehn Minuten am Golfloch gewartet, ehe Stella kam.

      »Ich fürchtete schon, Sie könnten nicht abkommen«, sagte sie. »Hat Ihnen der Professor meinen Auftrag ausgerichtet?«

      »O ja, er hat es mir bestellt«, entgegnete Andy trocken.

      »Hat er Ihnen auch von der merkwürdigen Dame erzählt?« fragte sie ihn interessiert. »Scottie hatte eine lange Unterredung mit ihr. Ihr Auto hat zwei Fliederbüsche vollständig umgefahren. Der große Wagen wollte in der engen Straße wenden!«

      »Was war denn das für eine merkwürdige Dame? Hat sie Beverley Green besucht?«


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