Robert Louis Stevenson - Gesammelte Werke. Robert Louis Stevenson

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Robert Louis Stevenson - Gesammelte Werke - Robert Louis Stevenson


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»Wenn ich Euch recht verstehe, billigt Mr. Rankeillor Eure Absicht?« fragte er schließlich.

      »Nach einigem Hin- und Herreden hieß er mich in Gottes Namen gehen«, antwortete ich.

      »Das ist der Name, in dem man eine Sache anfangen soll«, sagte Mr. Balfour und fuhr mit Schreiben fort. Nach einer Weile fügte er die Unterschrift hinzu, überflog noch einmal das Geschriebene und wandte sich dann wieder an mich. »Also hier habt Ihr Euren Empfehlungsbrief, Mr. David. Ich setze mein Siegel darauf, ohne ihn zu verschließen, und übergebe ihn Euch offen, wie es die Sitte verlangt. Da ich aber vollständig im Dunkeln tappe, will ich ihn Euch rasch einmal vorlesen, damit Ihr sehen könnt, ob Euch damit gedient ist:

      ›Pilrig, den 26. August 1751.

      Mylord, – Dieser Brief möchte Eurer Wohlgeneigtheit meinen Namensvetter und Verwandten, David Balfour von Shaw, empfehlen, einen jungen Herrn von untadeliger Herkunft und ansehnlichem Vermögen. Er hat des weiteren die wertvolleren Vorteile einer gottesfürchtigen Erziehung genossen, und seine politischen Grundsätze entsprechen ganz Eurer Lordschaft Wünschen. Ich genieße nicht Mr. Balfours Vertrauen, aber er hat, wenn ich ihn recht verstehe, Eurer Lordschaft eine Angelegenheit zu unterbreiten, die Seiner Majestät Dienste und Rechtspflege betrifft: Dinge, von denen bekannt ist, wie sehr sie Eurer Lordschaft am Herzen liegen. Ich muß noch hinzufügen, daß einige seiner Freunde des jungen Herrn Absichten kennen und billigen, und daß sie mit hoffnungsvoller Besorgnis deren Gelingen und Scheitern verfolgen.‹

      Und dann«, fuhr Mr. Balfour fort, »habe ich noch mit den üblichen Höflichkeitsfloskeln meine Unterschrift daruntergesetzt. Ihr seht, es ist von ›einigen seiner Freunde‹ die Rede; hoffentlich habe ich damit nicht zuviel gesagt?«

      »Durchaus nicht, Sir; meine Absichten werden von mehr als einem gebilligt«, entgegnete ich. »Und Euer Brief, für den ich Euch von ganzem Herzen danke, besagt alles, was ich mir nur wünschen kann.«

      »Ich habe hineingepreßt, was mir nur irgend möglich war,« erklärte er, »und soweit ich über die Angelegenheit, in die Ihr Euch mischen sollt, unterrichtet bin, kann ich nur Gott bitten, daß es genügen möge.«

      Mein Verwandter hielt mich noch zum Mittagessen fest, »um der Ehre des Hauses willen«, behauptete er; und ich glaube, ich legte den Rückweg um so rascher zurück. Ich hatte nur den einen Gedanken, auch den nächsten Schritt zu vollenden und mir damit jeden Rückzug abzuschneiden. Für einen Menschen in meiner Lage hatte eine derartige Geste, die der Unentschlossenheit und der Versuchung scheinbar einen Riegel vorschob, an sich schon etwas ungemein Verlockendes; um so enttäuschter war ich, als ich Prestongranges Haus erreichte und die Auskunft erhielt, daß er ausgegangen sei. Dies traf, glaube ich, für den Anfang und für die darauffolgenden paar Stunden auch zu; später war ich jedoch überzeugt, daß er nach Hause gekommen war und in einem der benachbarten Zimmer mit seinen Freunden tafelte, während man meine Anwesenheit wahrscheinlich ganz vergessen hatte. Wohl ein dutzendmal war ich nahe daran, wieder wegzugehen, und ich hätte es auch getan, wäre nicht das starke Verlangen gewesen, auf der Stelle meine Erklärung abzugeben, um mich dann mit reinem Gewissen schlafen legen zu können. Anfänglich beschäftigte ich mich mit Lesen, denn das kleine Arbeitszimmer, in dem man mich warten ließ, enthielt eine Menge Bücher. Aber ich fürchte, ich zog nur wenig Nutzen aus meiner Lektüre, und da die Dämmerung infolge des trüben Wetters früher als gewöhnlich einsetzte und mein Zimmer nur von einem einzigen kleinen Fenster erhellt wurde, war ich schließlich gezwungen, auch diesen Zeitvertreib (sofern es wirklich einer war) aufzugeben und den Rest der Zeit in überaus quälendem Nichtstun zu verbringen. Nur das Stimmengewirr im Nebenzimmer und die einschmeichelnden Töne eines Spinetts sowie einmal ein Lied, von einer Dame gesungen, leisteten mir gleichsam Gesellschaft.

      Ich weiß nicht, wieviel Uhr es war; aber es war lange schon dunkel geworden, als die Tür zum Arbeitszimmer aufging und ich auf der Schwelle im Licht des Nebenraumes die hohe Gestalt eines Mannes erblickte. Ich erhob mich sogleich.

      »Ist jemand hier?« fragte er. »Wer ist dort?«

      »Ich bin der Überbringer eines Schreibens von dem Herrn von Pilrig an den Lord Staatsanwalt«, antwortete ich.

      »Seid Ihr schon lange hier?« erkundigte er sich.

      »Ich möchte nicht erraten, wieviele Stunden«, erwiderte ich.

      »Das ist das erste, was ich davon höre«, meinte er mit einem leisen Lachen. »Die Burschen müssen Euch vergessen haben. Aber Ihr seid nun endlich am Ziel, denn ich bin Prestongrange.«

      Mit diesen Worten schritt er an mir vorüber in das benachbarte Zimmer, wohin ich ihm auf seinen Wink folgte, und wo er eine Kerze anzündete und auf einen Schreibtisch stellte. Es war ein langgestreckter Raum von ansehnlichem Ausmaß, an den Wänden ganz mit Büchern bedeckt. Der schwache Lichtstrahl in der einen Ecke fiel auf die stattliche Gestalt und auf das energische Gesicht des Mannes. Es war gerötet, seine Augen tränten und funkelten hell, und ich bemerkte, daß er einigemal unsicher hin und her schwankte, ehe er sich setzte. Ohne Zweifel hatte er reichlich getrunken, aber er war vollkommen Herr seines Verstandes und seiner Zunge.

      »Nun, Sir, nehmt Platz«, sagte er, »und laßt sehen, was Pilrig schreibt.«

      Er durchflog den Brief anfänglich nur ganz oberflächlich, indem er bei meinem Namen aufblickte und mir eine Verbeugung machte; bei den letzten Worten jedoch verdoppelte er seine Aufmerksamkeit, und ich bin sicher, daß er sie zweimal las. Ihr könnt Euch denken, wie mir während dieser Zeit das Herz klopfte, denn jetzt hatte ich endgültig meinen Rubikon überschritten und mich in die Schlacht begeben.

      »Ich freue mich, Euch kennenzulernen, Mr. Balfour«, sagte er, als er geendet hatte. »Darf ich Euch ein Glas Wein anbieten?«

      »Mit Verlaub, Mylord, ich täte mir selbst unrecht, es anzunehmen«, entgegnete ich. »Wie Ihr aus dem Briefe erseht, bin ich in einer für mich sehr ernsten Sache hierher gekommen; und da ich Wein nicht gewöhnt bin, könnte er mir leicht zu Kopf steigen.« »Wie Ihr wollt,« meinte er, »aber ich glaube, ich werde mit Eurer Erlaubnis für mich eine Flasche kommen lassen.«

      Er klingelte, und wie auf ein verabredetes Signal erschien ein Lakai mit Wein und Gläsern.

      »Wollt Ihr wirklich nicht mithalten?« erkundigte sich der Staatsanwalt. »Nun denn, auf unsere nähere Bekanntschaft! Womit kann ich Euch dienen?«

      »Ich sollte vielleicht mit der Mitteilung beginnen, Mylord, daß ich auf Eure dringende Einladung hier bin«, sagte ich. »Da seid Ihr mir gegenüber irgendwo im Vorteil,« versetzte er, »denn ich muß gestehen, vor heute abend habe ich meines Wissens nach nie von Euch gehört.« »Das stimmt, Mylord, der Name dürfte Euch wirklich fremd sein«, sagte ich. »Und doch ist Euch seit langem sehr viel daran gelegen, meine Bekanntschaft zu machen, und Ihr habt dergleichen öffentlich erklärt.« »Ich wollte, Ihr gäbet mir irgendeinen Anhaltspunkt«, meinte er. »Ich bin kein Hexenmeister.«

      »Vielleicht wird die Mitteilung genügen,« sagte ich, »daß ich bei Euer Lordschaft, wäre ich zum Scherzen aufgelegt – was durchaus nicht der Fall ist – Anspruch auf zweihundert Pfund erheben dürfte.« »Inwiefern?« forschte er. »Insofern, als auf Einlieferung meiner Person eine Belohnung ausgesetzt ist«, lautete meine Antwort.

      Er schob sein Glas ein für allemal weit von sich und setzte sich in dem Stuhl, in dem er es sich bisher bequem gemacht hatte, kerzengerade aufrecht. »Was soll das heißen?« fragte er.

      »Ein großer, kräftiger Bursche von etwa achtzehn Jahren«, zitierte ich, »spricht wie ein Tiefländer und trägt keinen Bart.« »Ich kenne diese Worte,« sagte er, »und sie können Euch, falls Ihr in der unangebrachten Absicht, Euch einen Scherz zu erlauben, hierhergekommen seid, teuer zu stehen kommen.« »Mein Wollen in dieser Angelegenheit«, entgegnete ich, »ist genau so ernst wie das Leben oder der Tod. Ihr habt mich restlos verstanden. Ich bin der Bursche, der mit Glenure sprach, als er erschossen wurde.«

      »Ich kann nur annehmen (da Ihr hier steht), daß Ihr unschuldig zu sein behauptet«, sagte er.

      »Die Folgerung liegt


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