Lügen mit langen Beinen. Prodosh Aich

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Lügen mit langen Beinen - Prodosh Aich


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zu fragen, wer der Erzähler ist, wie er seine Brötchen verdient hat, wer seine Erzählungen fördert, wem seine Erzählungen Nutzen gebracht haben und wie seine Quellen aussehen. Das bisherige Ergebnis unserer Übung ist noch deprimierender. Aber alles der Reihe nach. Bei Helmuth von Glasenapp haben wir keine Urquelle entdecken können. Aber Kenntnisse über menschliche Rassen unterschiedlicher Wertigkeit sind ihm nicht fremd gewesen. Im „Tausendjährigen Reich“ hat er keinen Karriereknick erleben müssen.

      Angesichts dieser modernen Wissenschaftskultur, offenbart durch das Buch von Helmuth von Glasenapp, hat uns nicht weiter verwundert, daß in der neuesten Ausgabe dieses Buches Quellen angegeben werden, die nach 1963, also nach seinem Tod, überhaupt erst entstanden sind. Natürlich nicht Quellen, sondern neue Druckerzeugnisse. Aus dem Kleingedruckten können wir erfahren, daß es „eine Anzahl anderer Werke, vorwiegend jüngeren Datums, die für eine weitere Beschäftigung mit den fünf großen Religionen geeignet erscheinen“ gibt. Wir hätten gern gewußt, welcher „Geist“ diese ‚Anzahl anderer Werke‘ ausgewählt hat und ob dieser „Geist“ auch in dem Text herumgefummelt hat. Damit sich das Buch besser verkaufen läßt!

      In einem „Standardgeschichtsbuch“ in Deutschland, Geschichte Indiens: von der Induskultur bis heute / Hermann Kulke; Dietmer Rothermund. – 2. Verbreiterte und aktualisierte Auflage, Beck, München 1998; erste Auflage 1982 –, liest sich der gleiche Erfindungsvorgang auf den Seiten 44–45 so: „Das zweite Jahrtausend v. Chr. wurde – nach dem Untergang der Induskultur – Zeuge eines weiteren bedeutenden Ereignisses der frühindischen Geschichte, als Gruppen zentralasiatischer Nomaden, die sich in ihren Schriften ‚Arya‘ nannten, über den Hindukush nach Nordwestindien einwanderten. Im Jahre 1786 entdeckte William Jones, der Begründer der Asiatic Society in Calcutta, die enge sprachwissenschaftliche Verwandtschaft zwischen Sanskrit, der Sprache der Aryas, Griechisch, Latein, und den germanischen und keltischen Sprachen. Diese epochale Erkenntnis legte den Grundstein für die Erforschung der indo–europäischen Sprachgemeinschaft, zu der nach unserem heutigen Wissen weit mehr Sprachen zählen als Jones zunächst angenommen hatte. Seit dem späten 19. Jahrhundert setzte sich in der Forschung mehr und mehr die Überzeugung durch, daß der Ursprung dieser indo–europäischen Sprachfamilie in den Weiten der osteuropäischen und zentralasiatischen Steppe zu suchen sei (Diesen Entdecker William Jones nehmen wir als Merkposten auf.).

      Die bedeutenden Erkenntnisse der frühen Sprachwissenschaftler über die engen linguistischen Beziehungen innerhalb der indo–europäischen Sprachfamilie wurden jedoch zunehmend von rassistisch–nationalistischen Ideologien überschattet, die den Ursprung der eigenen Nation in einer mystisch–arischen Rasse postulieren. Dies trifft seit dem 19. Jahrhundert besonders auf deutsche nationalistische Historiker und in etwas jüngerer Zeit auch auf nationalistische Historiker Indiens zu. Diese Entwicklung hatte in Europa verheerende Folgen und führte in jüngster Zeit auch in Indien zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Historikern und zu schweren kommunalistischen Unruhen. Im Kontext der frühen indischen Geschichte erscheint es daher geboten, in der deutschen Sprache von ‚Aryas‘ zu sprechen, um diese frühgeschichtlichen Sprachgruppen Nordwestindiens von dem neuzeitlichen, ideologischen Konstrukt der ‚Arier‘ als einer mystischen Urrasse der Indo–Europäer deutlicher als bisher zu unterscheiden.

      Ist diese Darstellung nicht um einige Grade zynischer als sie in der Encyclopaedia Britannica verbreitet wird? Stehlen sich diese „Historiker“ nicht aus der moralischen Verantwortung ihrer eigenen sogenannten wissenschaftlichen Tätigkeiten? Sie reden auch heute von ‚der indo–europäischen Sprachfamilie‘, sagen uns aber nicht, wer nicht dieser Sprachfamilie zuzurechnen ist. Sie tun so, als ob für sie das Problem mit dem Ende des „Tausendjährigen Reichs“ längst erledigt sei. Vor allem, wenn sie den Begriff „Arier“ aus ihrer Wissenschaft tilgen. Nicht ganz. Aber deutlich anders buchstabieren. Nun sollen die indischen Historiker mit dem Problem fertig werden. Geht es noch scheinheiliger?

      Die eingewanderten „Arier“ bringen also die „arische“ Sprache „Protosanskrit“ mit nach Nordwestindien. Danach verfeinern sie ihre Sprache zu Sanskrit, erfinden die Sanskritschrift und überliefern uns eine Fülle von anspruchsvoller Literatur. Die auf diese Zeit und auf diese Region spezialisierten „modernen Historiker“ in Europa sind emsig damit beschäftigt, das Entstehungsdatum dieser in Sanskrit verfaßten umfangreichen Literatur zu bestimmen. Denn: was kann schon wichtiger sein, als das genaue Entstehungsdatum der einzelnen Schriften bestimmen zu wollen und darüber mit den Fachkollegen „wissenschaftlich“ zu streiten?

      Seit der Entstehung des Jainismus und des Buddhismus vor etwa 2600 Jahren ist die Geschichte Indiens gut dokumentiert. Schon damals wird Sanskrit nicht mehr gesprochen. Die alten Schriften der Metaphysik, der Wissenschaften, der Geschichte, der Literatur wie Veden, Upanishaden, Puranas, Sutras und auch die epischen Bücher Ramayana und Mahabharata sind aber schon zu dieser Zeit, im 7. Jahrhundert v. Chr. bekannt. Also schließen die „modernen Wissenschaftler“ haarscharf, daß diese Fülle von Sanskritliteratur nur vor dem 7. Jahrhundert v. Chr. entstanden sein kann. So weit so gut. Die Eroberung bzw. Einwanderung ist aber erst um das 15. Jahrhundert v. Chr. datiert. Wie diese Datierung zustande gekommen ist? Wir halten diese Frage als Merkposten. Älter kann also demnach die überlieferte Sanskritliteratur nicht sein, weil ja Sanskrit die Sprache der eingewanderten „Arier“ ist.

      Von den vier Veden soll der Rigveda der älteste sein. Denn im Rigveda findet keine Erwähnung der übrigen Veden statt. Rigveda soll auch die älteste aller Sanskritschriften sein, entstanden etwa 1200 Jahre v. Chr. Inwiefern wir durch diese „wissenschaftlich“ genaue Bestimmung, welche Bücher wann entstanden sind, besonders erleuchtet worden sind, können wir nicht beurteilen. Uns fehlen die Meßlatten dafür. Auffallend ist für uns nur, daß wir die Erzählungen der „modernen Historiker“ und Indologen über die Entstehung der Sanskritliteratur nicht nachvollziehen können. Es wäre ungerecht, an dieser Stelle nicht zu erwähnen, daß die Datierungsakrobatik auch unter diesen „Wissenschaftlern“ umstritten ist, also nicht nur unter unterschiedlichen fachlichen Disziplinen.

      Woran sich bislang alle neuzeitlichen Wissenschaftler festhalten, ist der Tatbestand, daß so etwas wie eine „arische Eroberung“ oder eine „arische Einwanderung“ in Indien stattgefunden haben muß. Denn sonst wäre die Sprache „Sanskrit“ nicht nach Indien gekommen. Eine bestechende Logik, nicht wahr? Wo soll denn Sanskrit hergekommen sein? Wo hat es sonst noch Sanskrit gegeben? Wir wissen es nicht. Keiner sagt es uns. Auffällig ist aber der Tatbestand, daß die Erfinder der Theorie der „arischen Eroberung“ oder der „arischen Einwanderung“ selbst ihrer äußeren Erscheinung nach „arisch“ aussehen. Zufällig? Die eifrigen Buddeler unter ihnen haben bislang leider nichts gefunden, das eine „arische Eroberung“ hätte andeuten können. Diese Faktenlage hat diese „arisch“ aussehenden „Wissenschaftler“ nur kurzweilig geschockt, aber ihnen ihre Theorie nicht vermiesen können. Denn die Buddeler haben doch die Einwanderung einer Sprache namens Sanskrit nach Indien nicht in Frage stellen können. Wie auch? Sanskrit ist in Indien tatsächlich da. Und die Präsenz von Sanskrit in Indien beweist, daß die „Arier“ zumindest in Indien eingewandert sind.

      Und wie schon erwähnt, sind die „Arier“ groß, stark, hellhäutig, hellhaarig, blau– bzw. grauäugig. So wären sie durchaus in der Lage gewesen, Nordwestindien zu erobern, wenn ihre Einwanderung auf Widerstand gestoßen wäre. Und die Präsenz der „Arier“ in Indien steht auch jenseits jeden Zweifels. Jeder Einfaltspinsel, der Indien besucht, sieht doch die „nordische Rasse“ in Nordwestindien. Im Süden dagegen sind die Menschen kleinwüchsig, dunkelhäutig und dunkeläugig. Die den Ebenbildern der „Arier“ gleichenden Wissenschaftler sind besessen von der äußeren Erscheinung der „Arier“. Die „Arier“ sind, wie gesagt, groß, stark, hellhäutig, hellhaarig, blau– bzw. grauäugig, und Menschen mit diesen Erscheinungsmerkmalen sind natürlich auch anderen gegenüber „überlegen“. Deutet die Besessenheit dieser Wissenschaftler nicht auf einen dringenden Bedarf nach Identifikation eben mit diesen „Ariern“? Ist dieser Bedarf an Identifikation eher ein Zeichen der „Ich–Stärke“ oder der „Ich–Schwäche?

      Jene angeblich den „Ariern“ unterlegene Rasse von Menschen hat auch einen Namen. Es sind die „Draviden“. Leider ist uns


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