Wolfgang Hohlbein: Leben und Werk. Nicola Bardola

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Wolfgang Hohlbein: Leben und Werk - Nicola Bardola


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sich Wolfgang Hohlbein zeitweilig demotivieren. Aber seine Liebe für Bücher und sein Wunsch, irgendwann selbst welche zu schreiben, das alles blieb bestehen.

      Manchmal begann Wolfgang Hohlbein heimlich an großen Projekten zu schreiben. Gemeinsam mit seinem Freund Dieter Winkler, der auch schon als Kind Schriftsteller werden wollte, plante er die Enwor-Saga. Aber umfangreichere Texte stellte er damals nie fertig. Es blieb bei kurzen Geschichten und der erste eigene Schmöker ein Wunschtraum. Parallel dazu fanden intensive Lese-Erlebnisse statt: “Das Lesen habe ich mit Karl May gelernt”, sagt Wolfgang Hohlbein. Wenig später kam Perry Rhodan hinzu. Wolfgang Hohlbein verschlang danach alles, was ihm in die Finger kam. Bei so hungrigen Bücherwürmern gesellt sich oft die Lust hinzu, den umgekehrten Weg auch einmal intensiv auszuprobieren: also den Zauber, den man beim Eintauchen in fremde Fantasiewelten erlebt, selbst auch einmal zu erzeugen.

      Gefühl des Weltenschaffens

      Die Ausbildung, das Privatleben, die Arbeit und die Familiengründung bremsten die Schreiblust. Aber da war eine Rastlosigkeit, die sich auf Dauer nicht verdrängen ließ. Wolfgang Hohlbein sehnte sich danach, seine Texte veröffentlicht zu sehen. Dabei ging es ihm gar nicht unbedingt um seinen Namen. Er wollte seine Geschichten aufschreiben und vervielfältigen, damit andere sie lesen und genießen können. Dass er damit ein wenig Geld verdienen konnte, war ein schöner Nebeneffekt.

      Wolfgang Hohlbein hatte die Erfahrung gemacht, dass er schlagartig alles um sich herum vergessen konnte, wenn er zu schreiben begann. Er hatte die Erfahrung gemacht, dass er überall schreiben konnte, die Umgebung war ihm egal, das Gefühl des Schreibens hingegen ist ihm wichtig, das Gefühl des Weltenschaffens - am liebsten beschäftigt er sich gleich mit mehreren Welten gleichzeitig, weshalb er bis heute oft an verschiedenen Geschichten in unterschiedlichen Stadien parallel sitzt.

      Auf diese Weise kam es zu seinen ersten veröffentlichten Erzählungen: „Frankenstein 3000“ und “Hamlet 2007". Es sind Science-Fiction-Storys und heute noch lesenswert. Erstlingswerke haben es an sich, dass sie in der Ungewissheit geschrieben werden, ob sie jemals zur Kenntnis einer breiten Öffentlichkeit gelangen. Dadurch ist der Autor beim Schreiben oft unbefangener und freier. Niemand macht Druck - weder terminlich noch inhaltlich. Egal, mit welchen Schriftstellern man sich beschäftigt: Ihre Debüts haben eine besondere Ausdruckskraft.

      Die Karriere begann 1980, als Wolfgang Hohlbein seine ersten Texte der Versandbuchhandlung „Transgalaxis“ gab, die in ihren Katalogen gelegentlich Nachwuchsautoren die Chance bot, veröffentlicht zu werden. Frankenstein und Hamlet wurden gedruckt und das machte Mut.

      Hamlet 2007

      “Hamlet 2007" ist Wolfgang Hohlbeins erste veröffentlichte Kurzgeschichte aus dem Jahr 1980. (Sie ist nachzulesen u.a. in „Von Hexen und Drachen – Das große Wolfgang Hohlbein Buch“, Lübbe 2006.) Darin zog er eine Trennlinie zwischen Kunst und Kommerz und kritisierte unterschwellig „Sex and Crime“ als Erfolgsgaranten in der Medienindustrie, hier insbesondere im Theater. Aber selbstverständlich lässt sich die Kritik auch auf die Literatur ausdehnen.

      Valerian mochte diese modernen Stücke nicht besonders, deren Handlung zu zwei Dritteln aus Gewalt und Sex bestand. Aber sie brachten die Zuschauer, und Harris war eine volle Kasse lieber als eine gute Aufführung.

      Gewalt ist ein Thema in Wolfgang Hohlbeins Büchern, aber nicht Sex. Die Kritik, die der Autor in seiner ersten Geschichte formuliert, wird trotzdem heute oft von seinen Kritikern gegen ihn gerichtet.

      Was für diese erste Short Story Wolfgang Hohlbeins gilt, lässt sich auch auf “Märchenmond” beziehen.

      Heike und Wolfgang Hohlbein hatten beim Ausdenken und Schreiben von “Märchenmond” noch keine Ahnung, ob jemals ein Verlag ihre Geschichte veröffentlichen würde. Die beiden Schriftsteller in spe sind deshalb ganz bei sich. Keine Gedanken an Lektoren, an das Publikum und die gesamte damit verbundene Erwartungshaltung stören die eigene Kreativität.

      Nach der Veröffentlichung von „Frankenstein 3000“ und “Hamlet 2007" entstanden neue Kontakte und Wolfgang Hohlbein schickte seine Texte den Verlegern von Heftromanen. Über Frankenstein urteilt Wolfgang Hohlbein heute: „Eine krude Geschichte, überhaupt nicht gut.“ Aber den Hamlet lässt er gelten.

      Wolfgang Hohlbein schrieb viel und es entstanden zahlreiche Heftromane. Diese Tätigkeit setzte er auch noch nach Erscheinen von “Märchenmond” fort. Bücher haben eine längere Vorlaufzeit als Hefte. Schon im Märchenmondjahr sowie davor und danach wird die Produktion so groß, dass Wolfgang Hohlbein sich an die exakte Abfolge kaum noch erinnern kann. Aber das bedeutet ihm auch nicht so viel. Wichtig ist, dass er jede einzelne dieser Geschichten im Moment ihrer Entstehung intensiv durchlebt.

      Schule des Heftchenschreibens

      Bemerkenswert sind die formalen und stilistischen Differenzen zwischen Heft und Buch, wie Wolfgang Hohlbein sie definiert. Er spricht von “Action-Heftschreibe”. Diese Heftprosa könne man ohne groß nachzudenken rasch durchlesen. Sie erfordere kaum Konzentration, sei pure Ablenkung für die Zugfahrt oder die Badewanne und könne auch nach längeren Unterbrechungen wieder aufgenommen werden, ohne dass etwas Essenzielles fehle, bestehe das meiste doch ohnehin nur aus Action.

      Das Heftchenschreiben habe etwas Unprätentiöses. Geradlinig wird die Story durcherzählt ohne viele Metaphern oder Landschaftsschilderungen. Die Action-Szenen selbst sind verhältnismäßig knapp und können nicht so weit ausgreifen wie in seinen späteren Romanen.

      Wolfgang Hohlbein schrieb in jener Zeit Heftchen-Geschichten nahezu im Akkord. In zwei bis sechs Tagen schaffte er eine Story. Sie erschienen vielfach unter Pseudonymen, weil sich das verkaufsfördernd auswirkte.

      Wolfgang Hohlbein veröffentlichte Fantasy-, Science-Fiction- oder Horrorheftchen unter Namen wie Robert Craven oder Martin Hollburg. Pro Story gab es damals 1200 Mark ohne Gewinnbeteiligung. Falls also sehr viel mehr von den Geschichten verkauft wurden als geplant, konnte der Autor nicht davon profitieren. Was heute Gegenstand jedes Autorenvertrages ist, nämlich die Festlegung von prozentualen Gewinnstaffeln für den Autor, gab es damals für den Schnellschreiber Wolfgang Hohlbein nicht. Je höher die Verkaufszahlen heute, desto größer die Gewinnbeteiligung für den Autor. Aber damals war Wolfgang Hohlbein mit der Situation zufrieden, auch wenn sich einzelne Storys von ihm mehr als 100.000 Mal verkauften. Es handelte sich um ein regelmäßiges Einkommen, das er dringend für sich und seine Familie brauchte - sowohl begleitend zu seinen Festanstellungen als Nachtwächter und bei einer Neusser Speditionsfirma als auch danach, als er den schweren Schritt in die Unabhängigkeit wagte.

      Das Heftchenschreiben war eine harte Schule, die Wolfgang Hohlbein nie vergessen hat. Denn er hat auch von ihr profitiert. Die Storys mussten schnell entwickelt und schnell geschrieben werden. Texte mussten aus ihm heraussprudeln, so wie sie es heute immer noch tun, nur geschieht das jetzt unter sehr viel angenehmeren Bedingungen.

      Der Possibilist

      Als besonderes Heftchen-Beispiel sei “Der Hexer” genannt. Der Bastei Verlag wollte eine neue Grusel-Romanserie veröffentlichen. Als Wolfgang Hohlbein das geplante Titelbild mit dem Hexergesicht sah, bot er dem Verlag an, eine Probestory zu schreiben. Die geriet jedoch etwas komplexer als in Groschenromanen üblich. Sie lehnte sich an Howard Phillips Lovecraft an, weshalb Wolfgang Hohlbein dem Verlag empfahl, daraus keine Heft- sondern eine Taschenbuchserie zu machen.

      Wie ein Refrain taucht Lovecraft in Hohlbeins Leben und Werk auf. Da gibt es vage biographische Parallelen: familiäre und schulische Schwierigkeiten, ungeliebte Jobs und die Erstveröffentlichungen in Zeitschriften. Da gibt es auch das problematische Verhältnis zur Gegenwart: Lovecraft hielt das 20. Jahrhundert für eine Zeit der Barbarei. Vor- und Rückwärtsgewandtheit prägen beide Autoren. Und vor allem erinnern Lovecrafts Versuche, die Genregrenzen auszudehnen, an Wolfgang Hohlbeins Experimente mit den verschiedenen literarischen Strömungen. Horror (Cosmic Horror, Supernatural Horror, Survival Horror), Phantastik,


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