Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke. Hans Christian Andersen
Читать онлайн книгу.haben!«
»Aber Der, welcher zu singen angefangen, der schlimme, häßliche Knabe!« schrieen die jungen Störche; »was machen wir mit ihm?«
»Da liegt im Teiche ein kleines, todtes Kind, das sich todt geträumt hat; das wollen wir für ihn nehmen; da wird er weinen, weil wir ihm einen kleinen, todten Bruder gebracht haben; aber dem guten Knaben – ihn habt Ihr doch nicht vergessen, ihn, der da sagte: Es sei Unrecht, die Thiere zum Besten zu haben! – ihm wollen wir sowohl einen Bruder, als eine Schwester bringen. Und da der Knabe Peter hieß, so sollt Ihr auch allesammt Peter heißen!«
Und es geschah, wie sie sagten; und es hießen alle Störche Peter, und so werden sie noch genannt.
Das Liebespaar.
Ein Kreisel und ein Bällchen lagen im Kasten beisammen unter anderem Spielzeug, und da sagte der Kreisel zum Bällchen: »Wollen wir nicht Brautleute sein, da wir doch in Einem Kasten zusammenliegen?« Aber das Bällchen, welches von Saffian genäht war, und das sich eben so viel einbildete, als ein feines Fräulein, wollte auf dergleichen nicht antworten.
Am nächsten Tage kam der kleine Knabe, dem das Spielzeug gehörte: er bemalte den Kreisel roth und gelb und schlug einen Messing-Nagel mitten hinein; das sah einmal recht prächtig aus, wenn der Kreisel sich herumdrehte!
»Sehen Sie mich an!« sagte er zum Bällchen. »Was sagen Sie nun? Wollen wir nun nicht Brautleute sein? Wir passen so gut zu einander: Sie springen und ich tanze! Glücklicher, als wir Beide, würde Niemand werden können!«
»So? Glauben Sie das?« sagte das Bällchen. »Sie wissen wohl nicht, daß mein Vater und meine Mutter Saffianpantoffeln gewesen sind, und daß ich einen spanischen Kork im Leibe habe?«
»Ja, aber ich bin von Mahagoniholz,« sagte der Kreisel; »und der Bürgermeister hat mich selbst gedrechselt. Er hat seine eigene Drechselbank und es hat ihm viel Vergnügen gemacht.«
»Kann ich mich darauf verlassen?« fragte das Bällchen.
»Möge ich niemals die Peitsche bekommen, wenn ich lüge!« erwiderte der Kreisel.
»Sie wissen gut für sich zu sprechen!« sagte das Bällchen. »Aber ich kann doch nicht: ich bin mit einer Schwalbe so gut wie versprochen; jedes Mal, wenn ich in die Luft fliege, steckt sie den Kopf zum Neste heraus und fragt: »Wollen Sie?« Und nun habe ich innerlich ja gesagt, und das ist so gut, wie eine halbe Verlobung; aber ich verspreche Ihnen, Sie nie zu vergessen!«
»Ja, das wird viel helfen!« sagte der Kreisel. Und so sprachen sie nicht mehr mit einander.
Am nächsten Tage wurde das Bällchen von dem Knaben hervorgenommen. Der Kreisel sah, wie es hoch in die Luft flog, gleich einem Vogel; zuletzt konnte man es gar nicht mehr erblicken; jedes Mal kam es wieder zurück, machte aber immer einen hohen Sprung, wenn es die Erde berührte; und das geschah entweder aus Sehnsucht, oder weil es einen spanischen Kork im Leibe hatte. Das neunte Mal aber blieb das Bällchen weg und kam nicht wieder; und der Knabe suchte und suchte, aber weg war es.
»Ich weiß wohl, wo es ist!« seufzte der Kreisel. »Es ist im Schwalbenneste und hat sich mit der Schwalbe verheirathet!«
Je mehr der Kreisel daran dachte, um so mehr wurde er für das Bällchen eingenommen; gerade weil er es nicht bekommen konnte, darum nahm seine Liebe zu; daß es einen Andern genommen hatte, das war das Eigenthümliche dabei; und der Kreisel tanzte herum und schnurrte, dachte aber beständig an das Bällchen, welches in seinen Gedanken immer schöner und schöner wurde. So verstrich manches Jahr – – und nun war es eine alte Liebe.
Und der Kreisel war nicht mehr jung! – – Aber da wurde er eines Tages über und über vergoldet; nie hatte er so schön ausgesehen; er war nun ein Goldkreisel und sprang, daß er schnurrte. Ja, das war doch etwas! Aber auf einmal sprang er zu hoch und – weg war er!
Man suchte und suchte, selbst unten im Keller, doch er war nicht zu finden.
– – Wo war er?
Er war in den Kehrichtkasten gesprungen, wo Allerlei lag: Kohlstrünke, Kehricht und Schutt, welcher von der Dachrinne herunter gefallen war.
»Nun liege ich freilich gut! Hier wird die Vergoldung bald von mir verschwinden. Ach, unter welches Gesindel bin ich hier gerathen!«, und dann schielte er nach einem langen, abgeblätterten Kohlstrunk, und nach einem sonderbaren, runden Dinge, welches wie ein alter Apfel aussah; – aber es war kein Apfel, es war ein altes Bällchen, welches viele Jahre in der Dachrinne gelegen hatte und vom Wasser ganz durchnäßt war.
»Gott sei Dank, da kommt doch einer Unsersgleichen, mit dem man sprechen kann!« sagte das Bällchen und betrachtete den vergoldeten Kreisel. »Ich hin eigentlich von Saffian, von Jungfrauen-Händen genäht, und habe einen spanischen Kork im Leibe; aber das wird mir wohl Niemand ansehen. Ich war nahe daran, mich mit einer Schwalbe zu verheirathen, allein da fiel ich in die Dachrinne, und darin habe ich wohl fünf Jahre gelegen und bin ausgequollen! Glauben Sie mir, das ist eine lange Zeit für ein junges Bällchen!«
Aber der Kreisel sagte nichts; er dachte an seine alte Liebe, und je mehr er hörte, desto klarer wurde es ihm, daß sie es war.
Da kam das Dienstmädchen und wollte den Kasten umwenden: »Heisa, da ist der Goldkreisel!« sagte es.
Und der Kreisel kam wieder zu Ansehen und Ehre, aber vom Bällchen hörte man nichts. Und der Kreisel sprach nie mehr von seiner alten Liebe; die vergeht, wenn die Geliebte fünf Jahre lang in einer Wasserrinne gelegen hat und ausgequollen ist; ja, man erkennt sie nicht wieder, wenn man ihr im Kehrichtkasten begegnet.
Die Geschichte des Jahres.
Es war tief im Januar, ein furchtbares Schneegestöber tobte; der Schnee wirbelte durch Straßen und Gassen; die Fensterscheiben waren draußen wie mit Schnee überklebt, von den Dächern stürzte er in Massen, und in die Leute war Eile gekommen; sie liefen, flogen und fuhren einander in die Arme, sie hielten sich einen Augenblick fest, und standen wenigstens so lange sicher. Kutschen und Pferde waren gleichsam überzuckert; die Bedienten standen mit dem Rücken gegen den Kutschenrand und fuhren rücklings gegen den Wind; der Fußgänger hielt sich beständig im Schutze der Wagen, die sich nur langsam in dem tiefen Schnee vorwärts bewegten, und als sich endlich der Sturm legte, und längs der Häuser ein schmaler Steg geschaufelt wurde, blieben die Leute doch auf diesem stehen, wenn sie sich begegneten; Keiner von ihnen mochte den ersten Schritt thun und ausweichend in den tiefen Schnee treten, damit der Andere vorbeischlüpfen könne. Still und stumm standen sie da, bis endlich wie nach schweigender Uebereinkunft Jeder ein Bein preisgab, und es in dem Schneehaufen begrub.
Gegen Abend war es windstill, der Himmel sah aus als ob er gefegt wäre, und höher und durchsichtiger gemacht sei, die Sterne schienen nagelneu zu sein, und einige waren zur Verwunderung hell und klar, – es fror, daß es knisterte, – da konnte wohl die oberste Schneelage so stark werden, daß sie in der Morgenstunde die Sperlinge trug; diese hüpften bald auf, bald nieder, wo geschaufelt war, aber viel Futter war nicht zu finden, und es fror sie nicht wenig.
»Piep!« sagte der eine zum andern, »das heißt ein neues Jahr! – es ist ja schlimmer als das alte! da hätten wir das letztere ebenso gut behalten können. Ich bin unzufrieden und habe ein Recht dazu!«
»Ja, die Menschen liefen nun umher und begrüßten durch Schießen das neue Jahr,« sagte ein kleiner durchfrorner Sperling, »sie warfen Töpfe gegen die Thüren und waren vor Freude außer sich, weil nun das alte Jahr verschwunden! Ich war auch froh darüber, denn ich hoffte, wir würden warme Tage bekommen, aber daraus ist nichts geworden; es friert weit strenger als vorher; die Menschen haben sich in der Zeitrechnung geirrt!«
»Das haben sie!« sagte ein dritter, der alt und weiß am Schopfe war; »sie haben da Etwas, das sie den Kalender nennen, der ist nun so ihre eigene Erfindung, und Alles soll sich deshalb nach ihm richten; aber das geht nicht so! Wenn der Frühling kommt, beginnt das Jahr, das ist der Lauf der Natur, und darnach rechne ich!«
»Aber, wann kommt der Frühling?« fragten die Andern.
»Der kommt, wenn der Storch wiederkehrt,