Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke. Hans Christian Andersen

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Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke - Hans Christian Andersen


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Ihr Euch vor mich stellen, damit es Niemand sieht.«

      Und die Hofdamen stellten sich davor, und dann breiteten sie ihre Kleider aus, alsdann bekam der Schweinehirt zehn Küsse, und sie erhielt den Topf.

      Nun, das war eine Freude! Den ganzen Abend und den ganzen Tag mußte der Topf kochen; es gab nicht einen Feuerherd in der ganzen Stadt, von dem sie nicht wußten, was darauf gekocht wurde, sowohl beim Kammerherrn, wie beim Schuhmacher. Die Hofdamen tanzten und klatschten in die Hände.

      »Wir wissen, wer Suppe und Eierkuchen essen wird; wir wissen, wer Grütze und Carbonade bekommt; wie ist das doch interessant!«

      »Sehr interessant!« sagte die Oberhofmeisterin.

      »Ja, aber haltet reinen Mund, denn ich bin des Kaisers Tochter.«

      »Ja wohl; das versteht sich!« sagten Alle.

      Der Schweinehirt, das heißt der Prinz – aber sie wußten es ja nicht anders, als daß er ein wirklicher Schweinehirt sei – ließ keinen Tag verstreichen, ohne etwas zu thun, und so machte er eine Knarre, wenn man die herumschwang, erklangen alle die Walzer, Hopser und Polka's, die man seit Erschaffung der Welt gekannt hat.

      »Aber das ist superbe!« sagte die Prinzessin, indem sie vorbeiging. »Ich habe nie eine schönere Komposition gehört. Höre, gehe hinunter und frage ihn, was das Instrument kosten soll; aber ich küsse ihn nicht wieder.«

      »Er will hundert Küsse von der Prinzessin haben,« sagte die Hofdame, welche hinunter gegangen war, um zu fragen.

      »Ich glaube, er ist verrückt!« sagte die Prinzessin, und dann ging sie; aber als sie ein kleines Stück gegangen war, blieb sie stehen. »Man muß zur Kunst aufmuntern,« sagte sie. »Ich bin des Kaisers Tochter! Sage ihm, er solle, wie neulich, zehn Küsse haben; den Rest kann er von meinen Hofdamen bekommen.«

      »Ach, aber wir thun es so ungern!« sagten die Hofdamen.

      »Das ist Geschwätz,« sagte die Prinzessin; »und wenn ich ihn küssen kann, so könnt Ihr es auch. Bedenkt, ich gebe Euch Kost und Lohn!« Und nun mußten die Hofdamen wieder zu ihm hinunter.

      »Hundert Küsse von der Prinzessin,« sagte er, »oder Jeder behält das Seine.«

      »Stellt Euch vor uns,« sagte sie alsdann; und da stellten alle Hofdamen sich davor, und nun küßte er die Prinzessin.

      »Was mag das wohl für ein Auflauf beim Schweinekoben sein?« fragte der Kaiser, welcher auf den Balkon hinausgetreten war. Er rieb sich die Augen und setzte die Brille auf. »Das sind ja die Hofdamen, die da ihr Wesen treiben; ich werde wohl zu ihnen hinunter müssen.« – Und so zog er seine Hausschuhe hinten herauf, denn es waren Schuhe, die er zu Pantoffeln niedergetreten hatte.

      Potz Wetter, wie er sich sputete!

      Sobald er in den Hof hinunter kam, ging er ganz leise, und die Hofdamen hatten so viel damit zu thun, die Küsse zu zählen, damit es ehrlich zugehe, daß sie den Kaiser gar nicht bemerkten. Er erhob sich auf den Zehen.

      »Was ist das?« sagte er, als er sah, daß sie sich küßten, und dann schlug er sie mit einem seiner Pantoffeln an die Köpfe, gerade als der Schweinehirt den sechsundachtzigsten Kuß erhielt.

      »Packt Euch!« sagte der Kaiser, denn er war böse. Und sowohl die Prinzessin, als der Schweinehirt wurden aus seinem Kaiserreiche hinausgestoßen.

      Da stand sie nun und weinte; der Schweinehirt schalt, und der Regen strömte hernieder.

      »Ach, ich elendes Geschöpf,« sagte die Prinzessin; »hätte ich doch den schönen Prinzen genommen. Ach, wie unglücklich bin ich!«

      Und der Schweinehirt ging hinter einen Baum, wischte das Schwarze und Braune aus seinem Gesicht, warf die schlechten Kleider von sich und trat nun in seiner Prinzentracht hervor, so schön, daß die Prinzessin sich verneigen mußte.

      »Ich bin nun dahin gekommen, daß ich Dich verachte,« sagte er. »Du wolltest keinen ehrlichen Prinzen haben; Du verstandest Dich nicht auf die Rose und die Nachtigall; aber den Schweinehirten konntest Du für eine Spielerei küssen; das hast Du nun dafür!«

      Und dann ging er in sein Königreich und machte ihr die Thür vor der Nase zu. Da konnte sie draußen stehen und singen:

      »Ach, Du lieber Augustin,

      Alles ist hin, hin, hin!«

      Mitten in einem Garten wuchs ein Rosenstock, der war über und über voll Rosen; und in einer derselben, der schönsten von allen, wohnte ein Elf. Der war so winzig klein, daß kein menschliches Auge ihn erblicken konnte. Hinter jedem Blatte in der Rose hatte er eine Schlafkammer. Er war so wohlgebildet und schön, wie nur ein Kind sein konnte, und hatte Flügel von den Schultern bis herunter zu den Füßen. O, welcher Duft war in seinen Zimmern, und wie klar und schön waren die Wände! Es waren ja die blaßrothen Rosenblätter.

      Den ganzen Tag freute er sich im warmen Sonnenschein, flog von Blume zu Blume, tanzte auf den Flügeln des fliegenden Schmetterlings und maß, wie viel Schritte er zu gehen habe, um über alle Landstraßen und Stege zu gelangen, welche auf einem einzigen Lindenblatte sind. Das war, was wir die Adern im Blatte nennen, die er für Landstraßen und Stege hielt. Ja, das waren ewige Wege für ihn! Ehe er damit fertig wurde, ging die Sonne unter; er hatte auch zu spät damit angefangen!

      Es wurde sehr kalt, der Thau fiel und der Wind wehte; nun war es das Beste, nach Hause zu kommen. Er tummelte sich, was er konnte; aber die Rose hatte sich geschlossen; er konnte nicht hinein gelangen; – keine einzige Rose stand geöffnet. Der arme, kleine Elf erschrak sehr. Er war früher nie des Nachts draußen gewesen, hatte immer sanft und süß hinter den warmen Rosenblättern geschlummert: o, das wird sicher sein Tod werden!

      Am andern Ende des Gartens, wußte er, befand sich eine Laube mit schönem Jelängerjelieber; die Blüthen sahen wie große bemalte Hörner aus; in eine derselben wollte er hinabsteigen und bis morgen schlafen.

      Er flog dahin. Still! Es waren zwei Menschen drin: ein junger, hübscher Mann und ein schönes Mädchen. Sie saßen neben einander und wünschten, daß sie sich nie zu trennen brauchten. Sie waren einander so gut, weit mehr noch, als das beste Kind seiner Mutter und seinem Vater sein kann.

      »Dennoch müssen wir uns trennen!« sagte der junge Mann. »Dein Bruder mag uns nicht leiden, deshalb sendet er mich mit einem Auftrage so weit über Berge und Seen fort! Lebe wohl, meine süße Braut, denn das bist Du doch!«

      Dann küßten sie sich, und das junge Mädchen weinte und gab ihm eine Rose. Aber bevor sie ihm dieselbe reichte, drückte sie einen Kuß so fest und innig darauf, daß die Blume sich öffnete. Da flog der kleine Elf in diese hinein und lehnte sein Haupt gegen die feinen, duftenden Wände; hier konnte er gut hören, daß Lebewohl gesagt wurde, lebe wohl! Er fühlte, daß die Rose ihren Platz an des jungen Mannes Brust erhielt. – O, wie schlug doch das Herz darin! Der kleine Elf konnte nicht einschlafen, so pochte es.

      Aber nicht lange ruhte die Rose auf der Brust ungestört. Der Mann nahm sie hervor und während er einsam in dem dunklen Walde ging, küßte er die Blume, o, so oft und so heftig, daß der kleine Elf fast erdrückt wurde. Er konnte durch das Blatt fühlen wie die Lippen des Mannes brannten, und die Rose selbst hatte sich wie bei der stärksten Mittagssonne geöffnet.

      Da kam ein anderer Mann, finster und böse; es war des hübschen Mädchens schlechter Bruder. Der zog ein scharfes Messer hervor, und während jener die Rose küßte, stach der schlechte Mann ihn todt, schnitt ihm den Kopf ab und begrub Kopf und Körper in der weichen Erde unter dem Lindenbaume.

      »Nun ist er vergessen und fort!« dachte der schlechte Bruder; »er kommt nie mehr zurück. Eine lange Reise sollte er machen, über Berge und Seeen: da kann man leicht das Leben verlieren, und das hat er verloren. Er kommt nicht mehr zurück, und mich darf meine Schwester nicht nach ihm fragen.«

      Dann scharrte er mit dem Fuße dürres Laub über die lockere Erde und ging wieder in der dunklen Nacht nach Hause. Aber er ging nicht allein, wie er dachte: der kleine Elf begleitete


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