Zeit der Drachen. Josef Hahn
Читать онлайн книгу.in Allahs Namen. Er würde alles tun, um sein Land, sein Israel, zu bewahren. Gleich würde diese schiitische Brut bemerken, wozu ein entschlossener israelischer Oberst fähig sein konnte.
Dann drückte er den Steuerknüppel in Richtung abwärts; Sturzflug! Die zahlreichen Menschen, die sich in und um die heilige Stätte aufhielten, bemerkten die herabschießende F-16 mit dem israelischen Hoheitszeichen zu spät. Die Maschine krachte unter donnerndem Getöse in das höchste Gebäude der Universität.
Ein Flammenmeer breitete sich rapide aus und die Trümmer der F-16 flogen in alle Richtungen und töteten blitzartig zahlreiche Zivilisten, Frauen und Kinder. Die Universität brannte nun auch von innen heraus. Eine mörderische Hitze machte sich breit; vermischte sich mit den Schreien der verwundeten Menschen, die Goldbergs Angriff und auch die herumfliegenden Trümmer der F-16 überlebt hatten.
Jetzt erst begannen die Sirenen in Ghom zu heulen. Viel zu spät. Es konnte nie eruiert werden, warum die iranische Luftabwehr so desaströs versagt hatte. Abschießen hätten sie Goldbergs Maschine zwar nicht können, dazu reichten die Kapazitäten einfach nicht aus. Aber wenigstens beim Sturzflug hätte man es versuchen müssen. Die Verluste in Ghom betrugen 778 Getötete, 1.654 Schwerst- und Schwerverletzte, von denen viele noch knapp an der Schwelle zum Tod standen sowie eine unbekannte Zahl an Leichtverletzten. Auch der Großajatollah und mit ihm der gesamte Lehrkörper der Universität waren unter den Opfern. Die Rettungs- und Sicherheitskräfte waren total überfordert. In der Stadt hatte das Chaos die Regentschaft übernommen.
Tage später fand man im ausgebrannten Cockpit der F-16 die Überreste des Piloten. Der ausgebrannte Schädel Goldbergs sah so aus, als würde er lächeln. Viel mehr als der Schädel und einige skelettierte Fragmente waren nicht geblieben. Seltsamerweise hatte ein altes Schwarz-Weiß Bild alles überstanden. Es zeigte einen kleinen Jungen, zwischen einem Mann und einer Frau. Es war erkennbar ein sehr altes Bild.
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Teheran
Der iranische Staat war total geschockt. Man hatte wohl mit einem israelischen Angriff gerechnet. Allerdings auf die Atomaufbereitungsanlagen. Die hatten die Iraner sicher und sorgfältig unter die Erde verlegt. Aber auf die Heilige Stadt? Das geistige Zentrum des Landes und der grenzübergreifenden Schia?
Der Märtyrertod – so nannten sie es – des Großajatollahs und der anderen legte das Land für kurze Zeit lahm. Dann meldete sich der iranische Präsident via TV zu Wort. Man werde diesen terroristischen Akt des Erzfeindes nicht ungerächt hinnehmen. Die Juden und die hinter ihnen stehenden Amerikaner würden blutig dafür bezahlen müssen. Der Iran und seine Menschen wären mutig, stark und gut gerüstet, um mit allen Feinden fertig zu werden. Der Präsident verkündete als erste iranische Reaktion die sofortige Sperre der Straße von Hormus für alle Schiffe mit israelischen, amerikanischen und britischen Flaggen und gleichzeitig auch die Generalmobilmachung. Er rief alle jungen Männer auf, sich an dem kommenden heiligen Krieg zu beteiligen. Allah selbst würde die iranische Fahne mitsamt den Gläubigen bis nach Jerusalem tragen versprach er und alle Juden vernichten. Die Rede des Präsidenten wirkte wie Opium auf die Menschen. Hunderttausende zogen durch die Straßen der Städte, brüllten „Tod den Juden! Tod den Amerikanern“ und stürmten die Rekrutierungsstellen. Der Andrang war so groß, dass man administrativ gar nicht damit nachkam, alle Kampfbereiten zu erfassen. Der Iran bereitete sich auf einen totalen Krieg vor. Die Ausbildungslager der Armee quollen über. Die Armee des Iran umfasste nach dem Appell des Präsidenten in etwa 2,5 Millionen Soldaten, dazu noch entsprechendes modernes Material. Ein durchaus ernstzunehmender Gegner für jede andere Macht.
Wie schon erwähnt: die Straße von Hormus war für andere Mächte aber einfach zu wichtig. Eine Sperre durch die iranische Flotte und mit Seeminen würde niemand akzeptieren. Speziell nicht die größten Energieverbraucher wie die USA, Westeuropa, Großbritannien und Japan. Die Straße ist das wichtigste Nadelöhr für den Ölexport. Etwa 40 Prozent des Weltölverbrauchs passiert jährlich diese Route.
Der iranische Regierungschef hatte den Leiter des VEVAK8 und führende Mitglieder der Armee zu einer Sondersitzung geladen. Alle waren sie ausgesprochen fanatische und treue Anhänger des herrschenden Systems und Mitglieder des Revolutionsrates. Am Konferenztisch standen gefüllte Teetassen und einiges an Kleingebäck. „Wie, meine Brüder, lauten eure Vorschläge, die Juden für diese Terroraktion zu bestrafen?“, kam er gleich zur Sache.
„Rein militärisch sind wir leider noch nicht bereit, den Juden Parole zu bieten“, knurrte der Chef des Generalstabes. "Zwar haben wir mehr opferbereite und mutige Kämpfer wie der Feind, aber es würde uns einen ungeheuren Blutzoll kosten, in Israel einzumarschieren. Wenn uns das überhaupt gelänge.“
„Ungeheurer Blutzoll? Das wären doch Märtyrer, im Namen Allahs! Sie würden alle strahlend ins Dschanna9 einziehen.“
„Das ist wohl richtig, aber es garantiert uns keinen Sieg, hier auf der Erde!“
Der Präsident schwieg betroffen. Insgeheim stimmte er dem Generalstabschef zu; leider, wie er sich eingestand. „Welche Möglichkeiten bleiben uns dann?“, wandte er sich an die Runde.
„Ich hätte da eine Idee“, schaltete sich Abu Alawi, der Leiter des VEVAK ein. Wie immer sprach er mit leiser emotionsloser Stimme und immer so, als wäre er an dem, was er sagte, überhaupt nicht interessiert. Doch das täuschte. Alawi war bekannt dafür, dass er ebenso emotionslos Gegner des Regimes foltern und hinrichten ließ. Der VEVAK deckte das komplette Spektrum nachrichtendienstlicher Tätigkeiten ab, von Spionage über Staatsschutzaufgaben bis hin zur psychologischen Kriegsvorbereitung bei der einheimischen Bevölkerung und auch verdeckten Operationen im In- und Ausland. Sein größter Gegenspieler war der israelische Mossad. Beide Seiten wendeten die gleichen Methoden an und schenkten sich gegenseitig nichts. Ertappte Agenten wurden nach gründlicher Folter in die jeweiligen Paradiese geschickt.
„Nun rede, Bruder. Was können wir tun?“
Salawi nahm einen Schluck vom Tee und legte seine Hände zusammen. „Wenn wir schon militärisch nicht vorgehen können, dann bleibt uns nur die List“, begann er. „Drei Möglichkeiten erkenne ich, dank Allahs Inspiration.“
„Welche?“
„Wir könnten die Russen bitten, uns in der Straße von Hormus mit ihrer Flotte zu unterstützen. Das sollte unweigerlich zur direkten Konfrontation zwischen den Ungläubigen führen. Nur profitieren können wir davon, wenn sie sich gegenseitig die Schädel einschlagen. Eine andere Möglichkeit wäre es, die Transporte der Ungläubigen mit so hohen Gebühren zu belegen, dass sich die Energiekosten in ihren Ländern bedeutend erhöhen und es so letztendlich zu einer Energiekrise kommt, die wir für unsere Pläne ausnützen würden. So könnten wir es eventuell schaffen, dass die Amerikaner die Juden nicht mehr unterstützen. Ihnen ist das Öl sicher wichtiger, als alles andere. Dann könnte unsere Armee den Krieg nach Israel tragen.“
Alle nickten dazu. Ein schlauer Fuchs ist er schon, unser Geheimdienstchef, dachten sie sich. Einzig der Präsident schien von Salawis Plänen nicht so ganz überzeugt.
„Schön und gut! Aber unser Volk will schnelle Rache. Keine Vorhaben, die sich wahrscheinlich über Monate, wenn nicht über Jahre hinziehen. Wie lautet dein dritter Vorschlag?“
„Mein dritter Vorschlag?“, Salawi lächelte süffisant. „Die Abgeordneten der Knesset vergiften!“
„Waaas? Wie willst du das denn anstellen?“
„Wenn es gelingt, in die Wasserzuleitung des Parlaments einzudringen und das Wasser mit einem tödlichen Zusatz zu versehen, sehe ich da kein Problem. Soweit ich weiß, hat ja unser Bruder in Syrien genügend entsprechendes Material für so ein Vorhaben zur Verfügung! Einigen entschlossenen und gläubigen Männer würde Allah auch gewiss zur Seite stehen!“
Die Anwesenden waren von Salawis Vorschlag begeistert. „Eine hervorragende Idee, exzellent!“, lobte der Präsident. „So könnten wir mit unserer ersten Gegenmaßnahme beginnen, in Allahs Namen. Auch die Idee mit Russland ist verfolgungswert. Noch heute werde ich mit dem russischen