Die Pyrenäenträumer - Band 2. Wolfgang Bendick
Читать онлайн книгу.bei den älteren Käsen mit dem Waschen an, um so schon vorhandene Rindenkulturen (Schimmelpilze) auf die noch jüngeren zu übertragen. Jedenfalls verschwindet der Grauschimmel nach einer Weile und macht einem orangefarbenen Schimmel Platz. Auf diesem setzt sich später bisweilen ein weißer Schimmelrasen an. Das ist ein gutes Zeichen! Am pflegeleichtesten ist der orangene Schimmel, solange er trocken ist. Es gibt eine andere Art von orangenem Schimmel, der sich vor allem dann bildet, wenn die Käsemasse nicht trocken genug war. Er riecht stark nach Ammoniak und die Käse kleben an den Brettern fest. Da ist es manchmal besser, diese schmierige Rinde mit einem Teigkratzer (Plastikspachtel) abzuschaben und sich eine neue bilden lassen, vor allem, wenn man nicht dauernd Bretter schrubben will! Die jungen Käse wollen alle zwei Tage gedreht und gewaschen werden, bei älteren kann man den Abstand vergrößern. Immer saubere, trockene Bretter verwenden! Als Holz ist Fichte gut geeignet. Keine Harthölzer, sie saugen nicht genug die Feuchtigkeit auf, sind zu schwer, können den Geschmack beeinflussen (Gerbsäure)!
Erst mit Genugtuung, dann aber mit Schrecken merkten wir, dass unser Schrank bald voll sein würde. Was dann? Die Käse müssen mindestens zwei Monate alt sein, damit sie schmecken, noch älter, damit sie eine ‚Spezialität‘ darstellen! Fest steht, dass unser Schrank zu klein ist. Und bald wird die nächste Kuh kälbern, dann die dritte… Notstand! Außerdem fangen manche Laibe an, Risse zu bilden, in denen sich bläulicher Schimmel ansiedelt. Sie haben es in der Küche einwandfrei zu trocken! Wir merken, dass unsere Art von Käse einen feuchten Lagerraum braucht, einen richtigen Keller! Das Lagern in luftigen Fliegenschränken ist gut für laktische Käse, wie die kleinen Ziegenkäsle oder Camembert.
Doch haben wir hier keinen Keller im Haus. Es ist nicht unterhöhlt. Da fällt mir ein: das Erdgeschoss ist bis in den Felsen getrieben! Besser kann es gar nicht sein! Da unten werden wir unsere Käserei einrichten, und den Keller auf der Hangseite! Der offizielle Weg wäre nun, mit einem Plan zum Gesundheitsamt zu gehen und das Projekt absegnen zu lassen. Aber gerade das will ich im Augenblick nicht sehen, da wir ja schon Käse herstellen und verkaufen! Außerdem gehe ich ungern zu Ämtern, das kann nämlich schnell Komplikationen geben, wenn die das Projekt ablehnen würden oder unerfüllbare Auflagen damit verbinden! Ich finde, es ist besser, diese vor vollendete Tatsachen zu stellen! Außerdem eilt die Zeit! Ich mache eine Zeichnung und spreche mit Eric, dem Käsetechniker.
Der findet den Plan gut, macht mich aber auf die Schwachstellen aufmerksam und erklärt mir zugleich, wie man diese umgehen kann. Das ist Frankreich! Mehr Ausnahmen als Regeln! Im Eingang muss sich ein kleines Handwaschbecken befinden. Also zeichne ich es ein. Es muss ein Raum für das Waschen der Utensilien vorhanden sein. Ich habe eine Spüle aus Keramik mit Ablage. Diese kommt quer hinten in den Flur, dann ist dieser zugleich Waschraum! Eigentlich sollte eine Art Einbahnbetrieb herrschen. Das will heißen, dass der Käse nicht zu der Tür rausgehen darf, wo die Milch hineinkommt! Das ist aber nicht machbar, vor allem bei den enorm dicken Wänden. Doch eben dafür gibt es eine Ausnahme: Der Käse wird offiziell an den Tagen herausgeschafft, wenn nicht hergestellt wird!
Also als erstes eine dünne Betonschicht auf den Boden gegossen, mit genügendem Gefälle, was von der Natur des Raumes schon gegeben ist. Als diese begehbar ist mache ich mich ans Ausmessen des Raumes. Da er knapp zwei Meter hoch ist, brauche ich nicht viele Hohlblocksteine, vor allem, da ich noch eine halbe Palette 10-er rumliegen habe. Wo ich schon am Rechnen bin, mache ich eine Hochrechnung, was die Milch betrifft. Wir haben 10 Liter als Basis genommen, doch kann eine Kuh auch mehr Milch geben! Bei 4 Kühen macht das sagen wir mal 50 bis 60 Liter am Tag, also umgerechnet drei Käse. Und das auf drei Monate macht fast 100 Stück. Ich zeichne mit Kreide auf den frischen Betonboden, wo die Wände hinsollen. Denn mir ist klar, dass der Platz optimal genutzt werden muss, sonst bekommen wir da keine 150 Käse rein! Und das ist die Mindestmenge, denn es kommen ja bald auch noch die Schafkäse dazu! Gar nicht zu reden von dem Ziegenkäse, den wir in der Käserei selber in unserem jetzigen Fliegenschrank reifen lassen wollen. Das Problem sind die Wände. Sie müssen abwaschbar sein. Fliesen sind teuer!
Ich klage mein Leid einem Baustoffhändler, der bald in Rente geht und zumachen will. Er schlägt mir eine ‚Industriefliese‘ für 10 Francs der Quadratmeter vor. Industriefliese klingt ja nicht so schmackhaft wie Bauernkäse. Aber der Preis ist noch günstiger als Schwimmbadfarbe! Da die Wände unten aus Natursteinen sind, nicht verputzt, und ich vorwärtskommen will, verzichte ich auf verputzen und tue hinten auf jede Fliese einen entsprechenden Klecks Mörtel und drücke sie mit einer leichten Drehbewegung an. Das geht sehr gut, hält, und bewegt sich nicht! Zum genauen Abstand einhalten kommen noch zwei Zündhölzer in die Fuge, und das Ganze kann abbinden! Nur beim Verfugen geht es beinahe schief. Man hatte uns geraten, dafür ‚schwarzen Zement‘ zu nehmen, Aluminiumoxydzement, weil dieser widerstandsfähiger gegen Säure sei. Weil dieser anfangs nicht abbinden wollte, füllten wir kurzerhand alle Fugen mittels des Fugenspachtels. Doch plötzlich band der gleichzeitig und überall ab, und wir waren bis in die Nacht beschäftigt, die Fliesen mit Stahlwolle wieder blank zu bekommen! Inzwischen gibt es da bessere Mittel, wie Epoxy. Denn bei einem Lokal, welches fast täglich in Benutzung ist, sollte man nicht sparen! Ansonsten müssen die Fugen alle 5 Jahre neu gemacht werden!
Inzwischen reifen unsere Käse oben in der Küche vor sich hin. Doch ganz so einheitlich, wie sie in den ersten Tagen ausgesehen haben, bleiben sie nicht! Manche laufen auseinander, andere werden steinhart, und wenn man diese aufschneidet, sind sie innen drinnen wie Gips. Die weichen, die auseinanderlaufen, verkaufe ich als erste. Sie halten nicht lange, sind aber schön cremig und im Geschmack mild bis herzhaft. Das Beste ist, die Kunden immer probieren zu lassen, dann gibt es keine Überraschungen! Ich merke, Milch ist kein Zement, sie ist eine lebendige Masse! Sie reagiert sehr empfindlich, vor allem auf Wetter! Und Sauberkeit! Zum Glück wohnt der Techniker nicht weit, und ich versuche ein guter Schüler zu sein. Ab und zu ein verpatzter Käse, den kann man selber essen. Aber eine ganze Serie… Das muss man vermeiden!
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Eine Euterentzündung ändert die chemische Konsistenz der Milch, gar nicht zu reden von den Bakterien, die sie enthält und die schädlich sein können! Dass man Krankheiten von Tieren aufgabeln kann, habe ich mit meinem Malta-Fieber von den Schafen schon zur Genüge erfahren und spüre es zeitweilig immer noch! Wie entdeckt man eine Mastitis, eine Euterentzündung? Die Kuh lässt sich nicht ans Euter fassen. Das Euter ist hart, heiß, rot, geschwollen. Die Zitze ist von geronnener Milch verstopft, lässt sich nicht melken, es kann sogar Eiter drinnen sein… Wir versuchen es mit Homöopathie. Mit wenig Erfolg. Mit ‚Vegebom‘, einer kampferhaltigen Salbe. Eine Möglichkeit sind auch essentielle Öle. Am Ende rufen wir den Tierarzt. Der sagt uns, eine Euterentzündung hat die besten Chancen zu heilen, je früher man sie behandelt! Und als Behandlung gibt es zum Glück und leider auch nur Antibiotika! Und selbst bei einer solchen Behandlung ist es besser, vorher eine Analyse mit Antibiogramm machen zu lassen, um sicher zu sein, dass das vorgesehene Mittel auch anspringt! Denn es gibt verschiedene Keime, die nur auf bestimmte ‚Familien‘ von Antibiotika ansprechen. Das Beste ist es immer noch, gar keine Mastitis zu haben! (Doch davon später, denn das bedarf einer jahrelangen Erfahrung mit Tieren!) Außerdem kann es auch eine Euterentzündung nach einem Hornstoß geben, bei einer Verletzung, bei falsch eingestellter Melkmaschine, bei falscher Fütterung… Sogar erstkalbende Rinder können bisweilen schon eine Euterentzündung haben! Zum Glück halten sich solch ernste Probleme in Grenzen!
Wichtig ist also die Früherkennung! Mit der Zeit spürte ich beim Euterwaschen oder Anmelken, wenn sich etwas anbahnte. Und dann kann man noch mit Naturmitteln helfen. Es gibt ein Gerät, ‚Traytest‘ oder Leukozyten-Test genannt, das aus einem viereckigen Teller mit Griff besteht, bestückt mit vier runden, flachen Bechern. In diese melkt man ein wenig von der Milch aus jeder Zitze, gibt ein Reagenzmittel dazu und schwenkt das Ganze ein paar Sekunden. Eigentlich ist das ein Test, um einen erhöhten Gehalt an abgestorbenen Zellen in der Milch festzustellen. Doch da Euterentzündungen immer mit erhöhter Zellenzahl einhergehen, ist dies ein guter