Stein. Sabine Korsukéwitz
Читать онлайн книгу.ist, weil die Bibliothek von Cordoba einem christlichen Autodafé zum Opfer gefallen ist. Ibrahim Ibn Jakub beschreibt diese Länder als reich an Getreide, Fleisch, Honig und Fischen. Hirse, Gerste und Weizen soll zweimal jährlich geerntet und bis nach Byzanz exportiert worden sein. Ebenso sollen die Germanen mit Reitpferden gehandelt haben, die man schließlich nicht gut in dichten , sumpfigen Wäldern züchten kann.
Ein späterer Kopist/Übersetzer hat dann den Sinn des Textes fast ins Gegenteil verkehrt: Das Missverständnis bezieht sich auf das arabische Wort ham’a, das anscheinend in dieser späteren Übertragung einfach mit ‘Morast’ übersetzt wurde. Das passt aber nicht zu den reichen Getreideernten. Man hätte es mit Lehm und Ton übersetzen müssen, was mehr Sinn macht. Laut Dr. Goldmanns Forschungen war das betreffende Gebiet nämlich trocken gelegtes, fruchtbares Land. Dann gibt es da noch das Wort giyad, Plural von gaida, was man sowohl als sumpfiges Dickicht, als auch als trocken gelegtes Land nehmen kann. Viel von dem trocken gelegten Land wäre demnach später wieder versumpft und überwuchert worden, nach Entvölkerung weiter Landstriche durch Krieg und Epidemien.
Deshalb also glauben einige moderne Altertumsforscher, dass Germanien nicht das finster-trübe Barbarenland gewesen ist, das Tacitus beschrieben hat, sondern durchaus eine Hochkultur mit Schrift und Kunst, nur leider einer sehr vergänglichen.
Auch die Wikinger waren wohl nicht die Vorzeit-Hooligans, als die sie neuerdings gern dargestellt werden. Weder das, noch ein Heldenvolk oder gar weitgereiste Diplomaten. Die Wahrheit liegt wie immer dazwischen. ‘Die Wikinger’ als Volk hat es nie gegeben. Altnordisch vikingr heißt einfach ‘Seeräuber’ und bezeichnet daher nur einen Teil der ausgedehnten und differenzierten skandinavischen Bevölkerung, einen ziemlich großen Teil – zugegeben – sonst hätten sich ihre Raubzüge nicht so eingeprägt. Aber schließlich machen auch heute eine Handvoll brauner Dorfterroristen mehr Schlagzeilen als der viel größere friedliche Rest der Bevölkerung. Ein englischer Wissenschaftler hat den Wandel der Wikinger vom Seeräuber zum Eroberer treffend so beschrieben:
“To viking war eine saisonale Beschäftigung. Im Winter ließ es sich nicht gut reisen und kriegführen, ob zur See oder auf dem Land. Also ging man heim mit seinem Erwerb zu Eltern, Frau und Kindern, reparierte das Dach, kratzte dem Hausschwein den Rücken, zeugte ein neues Baby und wartete den nächsten Ruf zu den Waffen ab. Aber im Ausland zu überwintern .... gab dem vikingen eine neue Wendung: Wenn einen Winter, warum nicht zwei, wenn zwei, warum nicht drei? Die Winter waren wärmer im Süden, die See gefror niemals, das Land war gut und wartete darauf, eingenommen zu werden. Warum überhaupt nach Hause zurückkehren?”
Abgesehen von schönen Schmiedearbeiten und Schmuck, haben die Wikinger vor allem eines hinterlassen, das bei den Neoromantikern heute hoch im Kurs steht: Runensteine, roh zugerichtete Findlinge einfach, in die Runenzeichen eingemeißelt sind. Ich rechne sie wegen ihrer Wirkung ebenfalls zu den ominösen Fingersteinen. Zu Beginn des ersten Jahrtausends waren magische und religiöse Inschriften häufig. Eine andere Gruppe dagegen stellt Rechtsdokumente dar. Interessanterweise handelte es sich dabei meist um Gedenksteine an gefallene Männer. Sie wurden überwiegend von den hinterbliebenen Ehefrauen in Auftrag gegeben, weniger aus Pietät, als um sofort die Erbfolge klarzustellen und die Witwen abzusichern. In späterer Zeit und je weiter weg von der Heimat sie gefunden wurden, hatten die Runen dann oft nur noch Graffiti-Charakter: ‘Hägnar war hier!’
In Schweden gibt es 3000 erhaltene Runeninschriften, in Norwegen etwa sechzig, in Grönland fünfundsiebzig und im kleinen Dänemark immerhin 200. Und obwohl Dänemark so reich an Runensteinen ist, hat es einen 87 Jahre dauernden Vorgang zwischen Preußen und Dänemark gegeben wegen eines einzigen Runensteins, noch dazu einem, der, wie sich herausstellte, doch nur der Graffiti-Sorte angehörte...
Man muss sich vorstellen: seit der Renaissance war das Interesse an der Antike wiedererwacht, an der Philosophie, der Medizin, der Magie, vor allem aber an ihrer Kunst. Seither war gierig und systemlos gesammelt, aber auch vieles zerstört worden. 1762 erschien Winckelmanns ‘Geschichte der Kunst des Altertums’, das erste systematische und umfassende Werk über die Entwicklung der antiken Kunst, ein Bestseller der so packend geschrieben war, dass er die gebildete Welt mit Begeisterung für antike Schätze erfüllte und praktisch die Klassik einleitete.
Der Hohenzollernprinz Friedrich Carl Nikolaus von Preußen war so ein Antikensammler, ein wenig wahllos zwar und ohne Respekt, dafür aber von großer Begeisterung. Zu seinen Souvenirs aus aller Welt zählten ein Boot und ein Anker unbekannter Herkunft, 2 nordische Streitäxte, Schildbuckel, Türbeschläge sowie ein Mumiensarg aus Theben, den er 1883 der Ägyptischen Abteilung des Neuen Museums zu Berlin schenkte. Die Mumie hatte er allerdings zuvor im Billardzimmer seines Jagdschlosses Dreilinden “unter den erläuternden Bemerkungen” anwesender Fachleute auswickeln lassen. Und im Deutsch-Dänischen Krieg von 1864 hatte er eben einen wikingischen Runenstein mitgehen heißen, um ihn später bei seinem Jagdschloss Dreilinden aufstellen zu lassen. Der Königliche Oberstabsarzt Friedel, berichtete darüber in einem Brief an seinen Bruder:
“Lieber Ernst! ... Der Runenstein stammt vom Ochsenwege dicht bei Rothenkrug nahe Apenrade, woselbst er herrenlos dastand und von Prinz Friedrich Carl mitgenommen wurde.” (Der ‘Ochsenweg’, das war jene engste Stelle zwischen Ost und Nordsee, an der die Wikinger ihre Drachenboote zwecks Weiterreise über Land gezogen hatten.)
Seltsamerweise war es ausgerechnet im Jahr 1864, angeblich kurz vor der Entführung des Steins, dass in Dänemark über ihn geschrieben wurde. Plötzlich war er ein “kleines nationales Heiligtum”. Die Inschrift lautete “hairulfr” und kein Mensch wusste damit etwas anzufangen. In Deutschland wurde die ‚Erwerbung‘ bekannt durch Theodor Fontanes Dreilinden-Kapitel aus ’Neues aus der Mark Brandenburg’.
Zunächst wurde der Stein noch einige Male erwähnt, unter anderem auf den Dreilindener Menu- und Tischkarten als nordgermanisches Heldendenkmal. Dann geriet das Ding in Vergessenheit. In den 1930ern tauchte es wieder auf. Das Interesse an Heldendenkmälern war schließlich immens gestiegen. Eine Rückgabe an Dänemark wurde von einigen Wissenschaftlern vorgeschlagen aber dazu kam es nicht. Runenforscher und SS stritten sich nun um das gute Stück. Da man aber vordringlichere Probleme hatte, blieb es, wo es war. Nach Kriegsende war das Schloss Dreilinden zunächst von US-Militärs kassiert und für Deutsche verboten. Erst 1951 konnte Ernst Reuter den “Hairulfr”-Stein in einem feierlichen Akt dem dänischen Botschafter übergeben. Der versicherte, ganz Dänemark freue sich über die Rückgabe, die ein Beweis des guten Willens zu herzlichen, nachbarschaftlichen Beziehungen sei.
“Hairulf-R”, so weiß man heute, heißt ‘Heerwolf’. Und der war entweder ein gefallener Seeräuber oder ein Runenmeister, der wissen lassen wollte, dass er hier vorbei gekommen ist.
3. Jade und Türkis – zwei Edelsteine der Frühgeschichte
Aus der chinesischen T‘ang-Dynastie (618 – 907 v.Ch.) ist eine grausame Geschichte überliefert:
3000 Schönheiten aus dem ganzen Reich zierten den Hof des Kaisers Ming. Einer davon gelang es, alle anderen auszustechen und den Kaiser an sich zu fesseln. Sie soll sehr schön gewesen sein, Yang-kuei-fei, Jade-gekrönte-Yang; schwarze Mandelaugen, der Mund eine Rosenknospe, eine Haut wie Pfirsich und Reispapier; ihre Gestalt war schlank und biegsam wie ein Schilfrohr im Wind und sie bewegte sich in so feinen Trippelschritten, dass sie über den Boden zu schweben schien.
Hinter dem zarten Äußeren muss sich ein harter Kern verborgen haben. Willensstark, intelligent und skrupellos brachte sie den Kaiser dazu, ihr jeden Wunsch von den Augen abzulesen und der Hofstaat tanzte wie Puppen an den Fäden ihrer kleinen Finger. Sie war die wirkliche Macht hinter dem Himmelsthron. Eine Zeitlang bewunderte man sie derart, dass die Geburt eines Mädchens als gleichwertig der eines männlichen Nachkommen galt.
Was Yang-kuei-fei trug, wurde sofort Mode im gesamten Reich. Ihr Geschmack war berühmt und kostspielig. Besonders liebte sie Jade und sie veranlasste Kaiser Ming unsägliche Summen dafür auszugeben. Außerdem betrieb sie einen über die Maßen frechen und offenen Nepotismus, so dass bald jede einträgliche Stelle mit einem ihrer vormals armen Verwandten besetzt war.
So gewaltig wurde ihre Arroganz und Verschwendungssucht, so drückend die Steuern, dass es schließlich zu einem