Koppelgeschichten - von und mit Pferd. Gabi Lohmann
Читать онлайн книгу.schon ein Genuss, ein ‚Tanz mit dem Pferd‘, so wurde sie mit Firlefanz zur Kür. Dieses Pferd versuchte, sich selbst zu übertreffen. Manchmal so übereifrig, dass es schon komisch anmutete.
Am Montag schien mir das Ganze ein Zufall zu sein. So etwas wie: Pferd und Reiter haben gleichzeitig ihren guten Tag oder so. Am Dienstag wiederholte es sich aber wieder: Reiten, das einfach nur Spaß machte!
Am Mittwoch zur Springstunde trat ich wie immer mit gemischten Gefühlen an. Firlefanz pflegt mit mir in einem Wahnsinnstempo über die Stangen zu fegen. Ich bestimmte die Richtung, er die Geschwindigkeit. Doch dieser Mittwoch war anders: Kaum spürte ich Firlefanz Bewegung unter mir, wusste ich es: Firlefanz reagierte auf jedes meiner Körpersignale. Zügel, pah, wofür braucht man die! Am leicht durchhängenden Zügel ging es durch den Parcours. Ich ignorierte Horsts Anweisungen, denn ich fühlte, das Einzige was Firlefanz jetzt brauchte, waren die Signale von meinem Körper. Es war gigantisch. Noch nie war Firlefanz so gesetzt und kontrolliert gesprungen. Nach dem letzten Sprung strahlte ich über das ganze Gesicht. Horst einziger Kommentar war: „Zusammengerauft!“
Ja, Firlefanz und ich hatten uns gefunden. Elf lange Wochen hatte es gedauert, aber jetzt war der kleine Fuchs bereit, alles für mich zu tun.
Und dann kam Stefan zurück …
Ich holte ihn früh morgens vom Flughafen ab und freute mich riesig, nicht mehr allein zu sein. Nach einer ausgiebigen Begrüßung und einem Schläfchen bis in den Nachmittag hinein ging es zum Stall. Firlefanz begrüßte mich mit lautem fordernden Wiehern, kaum dass er meine Stimme hörte. Damit hatte er schon vier Wochen nach unserem ersten Kennenlernen begonnen und ich freute mich über diese Art des Willkommens. Wenn sie wohl auch eher der mitgebrachten Möhre als mir galt. Stefans Stirnrunzeln entging mir. Auch das Herumschmusen zur Begrüßung war nicht in Stefans Sinn. ‚Ich würde sein Pferd ja total verhätscheln‘ war sein Kommentar. Ausgelassen hat er seinen Unmut dann an Firlefanz. Er sattelte ihn gröber als nötig und ich stand untätig daneben. Dabei hatte ich ständig das Gefühl, dass Firlefanz mich Hilfe suchend anschaute.
Das Reiten wurde zum Desaster. Stefan versuchte Firlefanz zum Gehorsam zu zwingen und Firlefanz lehnte sich dagegen auf. Stefan war stocksauer!
Jetzt war nicht mehr die Rede davon, dass ich ihm sein Pferd ab und an mal abnehmen solle. Nein, im Gegenteil, er verbot mir kategorisch, je wieder auf Firlefanz zu steigen. Longieren, Bodenarbeit, ok – aber nie wieder reiten. Ich hätte sein Pferd schließlich total ‚verkorkst‘.
Unsere Freundschaft bekam einen mächtigen Knacks! Es tat mir in der Seele weh, die beiden kämpfen zu sehen. Wusste ich doch inzwischen, wie viel der kleine Wallach zu ‚verschenken‘ hatte.
Auch Horst schaute dem Treiben zwischen Firlefanz und Stefan mit gemischten Gefühlen zu. Firlefanz war schließlich Stefans Pferd und er hatte die Aufgabe, die beiden zusammen auszubilden. Aber Stefan war nicht bereit, auf Horst zu hören.
Zum Eklat kam es dann während einer Springstunde. Mit Firlefanz war meine Freude am Reiten zurückgekehrt. Wenn nicht Firlefanz, so wollte ich doch wenigsten auf einem anderen Pferd weiter reiten. Horst überließ mir eines seiner Sportpferde. Etwas, was Stefan noch mehr verärgerte. Ritt ich in seinen Augen doch so schlecht, dass man mir nie und nimmer ein wertvolles Turnierpferd anvertrauen durfte!
Titus, ein Springpferd, wie es im Buche steht, hatte starke Ähnlichkeit mit Topgun. Stangen in der Reitbahn hießen: Springen. Der Reiter gab Richtung und Geschwindigkeit vor und bestimmte im besten Fall auch noch den Absprung. Diskussionen gab es keine. Wenn ich alles richtig machte, war eine Runde ohne Abwürfe garantiert. Während ich also in aller Ruhe mit Titus Hindernis um Hindernis hinter mir ließ, kämpfte Firlefanz mit Stefan um die Vorherrschaft – und diesmal gewann Firlefanz! Kaum hatte ich den letzten Sprung überwunden, fetzte der kleine Fuchs los! Stefan war machtlos. Aber anstatt zu versuchen, den kleinen Kerl in einer Ecke auszubremsen, ließ Stefan zu, dass sie über die Sprünge gingen. Die ersten zwei gingen noch gut, aber am Dritten waren sie viel zu schnell. Firlefanz rutschten in der Kurve die Hufe weg und so schlitterten sie in das Hindernis. Firlefanz Versuch, in letzter Sekunde noch abzuspringen, machte die Sache noch schlimmer. Unter unserem vielstimmigen Aufschrei ging das Hindernis zu Bruch und wir alle atmeten auf, als Stefan und Firlefanz wieder auf die Beine kamen. Stefan fluchte lauthals und ‚Schei..gaul‘ war einer der harmlosesten Ausdrücke. Firlefanz flüchtete in die weit entfernteste Ecke der Halle.
Inzwischen hatte Stefan mich als Ursache allen Übels ausgemacht und fiel lauthals über mich her. ‚Sein Pferd hätte ich auf dem Gewissen, unreitbar sei der Gaul jetzt‘ und, und, und … Ich weiß nur noch, dass ich sehr froh war, auf Titus hoch über Stefan zu sitzen. In diesem Moment hätte ich ihm nicht gegenüberstehen wollen. Nicht so Horst. Der war stinksauer und ging seinerseits auf Stefan los.
Ich weiß nicht mehr, was die beiden sich alles geheißen haben. Aber als sich zum Schluss die Stimmung etwas beruhigte, saß ich auf Firlefanz und Stefan auf Titus.
Firlefanz hatte sich bei dem Sturz nicht verletzt. Fast hatte ich das Gefühl, der Kleine atmete auf, als ich in seinen Sattel stieg. Vorsichtig ritt ich ihn in alle drei Gangarten - und es machte wieder ‚Klick‘. Wieder dieses herrliche Gefühl, dass man ‚eins‘ wird. Ich glaube, ich lächelte wie ein Honigkuchenpferd, als Firlefanz mit mir über die Sprünge ging. Es war ein traumhaftes Gefühl!
Als ich nach dem letzten Sprung strahlend in Stefans Richtung blickte, lief es mir eiskalt den Rücken hinunter. Stefan freute sich nicht mit mir, nein, er hasste mich!
Stefan hat mir die Freundschaft zu seinem Pferd nie verziehen. Wir trennten uns noch an diesem Abend. Stefan verließ mit Firlefanz den Stall. Aber Horst hatte genügend Bekannte. Über ihn erfuhr ich, dass Stefan Firlefanz bei einem Händler gegen ein anderes Pferd getauscht hatte – und mit der Unterstützung meiner Eltern konnte ich Firlefanz kaufen.
Seitdem sind wir unzertrennlich!
***
Mareike atmet tief durch und nimmt einen großen Schluck aus ihrem Wasserglas. „So, jetzt wisst ihr, wie ich zu meinem kleinen Lauser gekommen bin. Von Stefan habe ich übrigens nichts mehr gehört.“ Mareike blickt nachdenklich in die Ferne. „Schon merkwürdig, wie Menschen sich auseinander leben können.“ Sie schüttelt den Kopf und wechselt das Thema. „Jetzt ist aber einer von euch dran: Was ist mit dir Petra, was ist Calimeros Geschichte?“
„Was mit meinem kleinen Braunen ist, willst du wissen? Mal überlegen, was ich euch da erzählen kann. Aber halt, wieso ich – lassen wir doch Calimero selbst berichten! Und bevor sich jemand von euch aufregt“, Petras Blick fällt betont auf Martina, die Turnierreiterin des Stalles, „dies ist die Geschichte, so wie ich denke, dass Calimero sie erlebt hat. Hier darf jeder anderer Ansicht sein – nur lasst mir auch die meine!“
Calimero
Unten auf der Koppel hebt Calimero seinen Kopf und lässt kauend den Blick über seine Herdenfreunde gleiten. Direkt in seiner Nähe grast Peter. Etwas weiter entfernt teilen sich Ilias und Don Rubico eine besonders saftige Stelle. Firlefanz entledigt sich durch heftiges Wälzen den Resten seines Winterfells. Die anderen grasen weiter entfernt.
Die Sonne spiegelt sich in Calimeros glattem Fell. Er ist seine Winterwolle dieses Jahr schnell los geworden. Seine großen wachen Augen blicken frech unter dem schwarzen Schopf hervor. Sein Blick fällt auf den nahe gelegenen Springplatz. Calimero verharrt in seiner Bewegung, sein Blick bekommt etwas Sehnsüchtiges.
„Springen!“ Calimero schluckt und starrt auf die bunten Stangen. „Endlich wieder über Stangen fliegen! Wieso lässt mein Frauchen mich nicht, sie muss doch wissen, wie gern ich es tue!“
„Menschen, als ob die immer wissen, was wir mögen!“, mischt sich Gipsy von der benachbarten Koppel ein. „Obwohl, was ich bisher so gesehen habe, scheinst du es mit deinem Menschen gar nicht so schlecht getroffen zu haben.“
„Ja, meine Menschin, Petra nennen die anderen sie, ist schon ganz ok. Und mein Mensch, dieser Philipp, der ist ganz toll. Mit dem darf ich springen!“ Calimeros Augen