Erfahrung Neu Delhi-Neustrelitz.., Pakistan.., Iran..,Himalaja. Andreas Goeschel

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Erfahrung Neu Delhi-Neustrelitz.., Pakistan.., Iran..,Himalaja - Andreas Goeschel


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ernster und besorgter dreinschauen kann, wenn ihm etwas gegen den Strich zu laufen scheint. Er gibt sich, als hätte er die Prozedur, mit welcher die Weiterreise ermöglicht wird, gerade für unseren Fall ersonnen. Sozusagen speziell für Lutz und mich und die Enfields erfunden.

      Uns scheint es sonnenklar, daß sowas hier zu ihren Standards gehört.

      Mit wichtiger Miene kommt es zum geschäftlichen Teil. Nun wird Kasse gemacht. Alle stehen herum, was der Abzocke den offiziellen Anstrich geben soll und die Weisheit und Bedeutung des Effendis, ihres genialen Chefs unterstreicht. Mit seinen Verkündungen steht er im absoluten Mittelpunkt der Aufmerksamkeit dieses unsichtbaren Theaterstückes.

      Er erzählt, was der Brief kostet, was die Busrückfahrt für den Zollbegleiter von Lahore kostet, der mit Lutz auf dem Motorrad bis dorthin mitfahren wird.

      Dann noch dies und das und schließlich sagt er, daß jeder von uns eintausend Rupis, also vierzig Mark bezahlen soll, womit alles abgegolten wäre.

      Somit haben sie entweder total schlecht gepokert oder sie waren einfach nur fair und nutzten ihre Position nicht schamlos aus.

      Unsere Schmerzgrenze wäre erst etwa beim Fünffachen gewesen. Unter uns hatten wir darüber geredet, daß mit hundert Dollar pro Nase zu rechnen sei.

      Sie lassen uns weiterfahren, wenn auch nur mit der Bahn.

      Es ist nicht sehr nach meinem Geschmack, aber nicht zu ändern.

      Lutz hält zweitausend Rupis hin und ich auch. Kurze Irritation auf beiden Seiten. Tausend pro Person wird vom Hauptmann nochmals betont.

      Möglicherweise hätten sie sich nun auch am liebsten gemeinschaftlich in den Arsch gebissen. Zweitausend pro Nase wären auch gut gewesen.

      Doch nun ist es zu spät.

      Um das zu kompensieren fällt dem Effendi plötzlich noch ein, daß wir dem Küchenjungen für den Tee auch noch hundert Rupis geben sollten. Das ist jedoch durchaus unasiatisch. Für Tee bezahlt man nie, wenn man eingeladen wird. Zumal er uns gestern vollmundig als seine Gäste bezeichnet hat.

      Uns ist das doch scheißegal! Wir bezahlen. Vielleicht spüren die Anderen nun die Peinlichkeit und den Ausrutscher ihres Chefs erst recht. Außer der Junge mit dem Tee. Für den ist durch den Effendi gerade Weihnachten geworden.

      Dann fahren wir los. Doch was heißt das schon? Ein Abschied wird das, als trennten sich Freunde. Mit Umarmungen wird nicht gespart. Beste Wünsche begleiten uns ungläubige Höllenhunde. Es ist echt wundersam. Tränen fließen zwar nicht, es hätte uns aber auch nicht gewundert.

      Dann geht es ab. Durch die Flächen der Armut fahren wir die knapp dreißig Kilometer bis nach Lahore. Der Hilfszöllner grüßt stolz vom Rücksitz aus in viele Richtungen, wenn wir diese dörflichen Elendssiedlungen durchfahren.

      Das Leben pulsiert, gluckst, lacht und winkt und macht wieder deutlich, daß Zufriedenheit keine Verwandte der sogenannten Hochkultur ist.

      Es geht bis zum Bahnhof und sie lassen uns wirklich keinen Moment mit unseren Maschinen allein. Irgendwie hoffen wir immer noch, daß wir uns auf die eine oder andere Art verdrücken können und Pakistan auf unseren Gefährten durchqueren können.

      Doch dann auf dem Bahnhof in Lahore, wo wir um neun Uhr fünfundvierzig eintreffen, merken wir deutlich, daß dies wohl nur ein frommer Wunsch bleiben muß. Und eigentlich ein undankbarer dazu. Brauchen wir uns doch nun erst mal um nichts zu kümmern. Wer weiß, was uns erspart bleibt durch diese Fügung.

      Mal sehen, ob wir die Karten für uns und Motorräder noch bezahlen können. Wir haben zusammen nur noch etwa 3300 Rupis.

      Daß wir nur so mäßig abgezockt wurden, ist vielleicht hauptsächlich unserer Beharrlichkeit und der immer wieder strapazierten Behauptung, wir hätten weder Dollar, noch D-Mark, sondern nur Reiseschecks, zuzuschreiben.

      Hier auf dem Bahnhof beginnt dann eine langwierige Prozedur, die aber zu guter Letzt damit endet, daß wir im Zug nach Quetta sitzen. Wir haben für nur 530 Rupis, was so zwanzig Mark sind, 1200 Kilometer Bahnfahrt und Sitzplätze erworben. Wir sind in einer vollkommen fremdländischen und anders sprechenden Gesellschaft, von der wir bisher nur gehört haben, daß sie so sehr freundlich sein soll. Wir werden sehen.

      Es ist inzwischen zwölf und der Zug scheint jeden Moment abzufahren.

      Das Verladen geschieht unter Anteilnahme und Mithilfe einer breiten Öffentlichkeit auf diesem schönen, sehr vollen, großen Bahnhof.

      Der Hilfszöllner sagt zu mir, daß er doch für den Brief noch dreihundert Rupis benötigt. Ich lächele ihn verschmitzt an und drohe lustig mit dem Finger und sage ihm so etwa: „Freundchen, Freundchen, dein Chef hat doch gesagt, es ist alles mit der Summe, die wir bezahlt haben, abgegolten. Das waren zweitausend Rupis! Du bist ein Schelm, ja, du bist ein Schelm, willst noch bißchen Geld für dich selber raushandeln, was?“ Jedenfalls brachte ich ihn somit zum Lachen und wir mußten schließlich alle drei laut lachen. Naja, hat er es eben noch mal auf eigene Faust versucht. Wir verdenken hier niemandem etwas.

      Bisher.

      Es sind eben Schlitzohren und wir sind doch für sie sowieso nur ungläubige Schweine. Und dennoch sind wir selber ja auch Schlitzohren, also ist da schon eine gewisse, augenzwinkernde Kumpanei.

      Er verabschiedet sich dann doch mit Umarmungen von uns und Lutz steckt ihm im Händedruck, unsichtbar für alle, noch zweihundert Rupis zu.

      Er sagt mir dann, daß wir ihn ja auch nicht enttäuschen dürfen, sonst gibt der den Brief vielleicht erst später auf.

      Hat er auch wieder Recht.

      Hier ein paar Stationen, die wir an diesem Nachmittag passierten:

      14.40 Okara, 15.20 Sahiwal, 16.43 Mian Channum, 17.45 Khanewal Multan.

      Danach wird es draußen dunkler, so daß es recht schwierig ist, die Namen der einzelnen Stationen zu entziffern. Manche kurze Unterhaltung mit den Mitreisenden tut dann ein Übriges, uns von der Verfolgung der genauen Strecke abzulenken.

      Um 22.45 Uhr kommt dann ein größerer Halt: Khan Pur.

      Ein gespenstischer, langer Bahnsteig, der in absoluter Dunkelheit des Umfeldes wie am Ende der Welt liegt. Durch die Abteilfenster unseres wartenden Zuges fällt fahles Licht auf den dunklen Boden des Bahnsteiges. Es unterstreicht jedoch nur die Schwärze der Nacht. Hier ist die Fremde. Der Atem einer anderen Zeit streift uns. Die Vorstellung, daß unser Zug ohne uns losfahren könnte, ist irgendwie da. Und sie ist äußerst trostlos. Das macht die Müdigkeit und auch die Erschöpfung des Tages, auch wenn körperlich kaum etwas geleistet worden ist.

      Ein flutender, greller Lichtstrahl jagt heran. Es ist der Scheinwerfer einer Lock. Ein gewaltig donnernder Kasten, der einen schier endlosen Güterzug hinter sich hat. Das rast plötzlich auf dem Gegengleis an der anderen Seite der Plattform vorbei.

      Der Fahrtwind dieses brausenden Ungeheuers wirbelt alles auf und beutelt uns zwischen Staub und Müllfetzen.

      Als der Zug so schnell wie er gekommen ist verschwindet, bleibt die Dunkelheit um so fetter.

      Ein schwarzes, brüllendes Ungeheuer mit der Geschwindigkeit von vielleicht einhundertdreißig Stundenkilometern. Am letzten Waggon kein Licht, die Lock schon einen Kilometer weiter, als das Rattern des Schienenstranges dumpf verhallt. Bald darauf setzt sich unser Zug in Bewegung. Allerdings mit der gewohnten, mäßigen Geschwindigkeit.

      Sonntag, 11.Februar, 26. Tag

      Quetta, Afghanistan ist zu sehen.

      Trotz freundlicher Menschen in diesem recht ordentlichen, übervollem Zuge, wollen wir mißtrauisch bleiben und keine Vorsicht außer acht lassen.

      Das heißt daß trotz bleierner Müdigkeit nur einer schlafen könnte. Einer muß das Gepäck bewachen. Es ist wohlweislich in direkter Sichtweite plaziert.

      Doch wo? Könnte man überhaupt schlafen. Alles ist belegt. Und zwar dicht an dicht. Für uns bleibt knapp Platz zum Sitzen.

      Lutz


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