Anna Karenina | Krieg und Frieden. Leo Tolstoi

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Anna Karenina | Krieg und Frieden - Leo Tolstoi


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über die Neger vor der Aufhebung der Sklaverei!« erwiderte Peszow ärgerlich.

      »Ich finde es nur sonderbar, daß die Frauen nach neuen Pflichten suchen«, sagte Sergei Iwanowitsch, »während wir bedauerlicherweise sehen, daß die Männer sich ihren Pflichten gern entziehen.«

      »Pflichten sind mit Rechten verbunden, und nach denen streben die Frauen, nach Macht, Geld, Ehre«, bemerkte Peszow.

      »Das wäre dieselbe Geschichte, wie wenn ich nach dem Rechte, Amme zu sein, streben und mich gekränkt fühlen wollte, weil man Frauen für diesen Dienst bezahlt und mich nicht haben will«, meinte der alte Fürst.

      Turowzün brach in ein lautes Gelächter aus, und Sergei Iwanowitsch fühlte ein gewisses Bedauern, daß er das nicht selbst gesagt hatte. Selbst Alexei Alexandrowitsch lächelte.

      »Ja, aber ein Mann kann nicht nähren«, wendete Peszow ein, »hingegen kann eine Frau ...«

      »Nun, ein Engländer hat doch einmal auf dem Schiffe seinen Säugling selbst genährt«, erwiderte der alte Fürst, der sich durch die Anwesenheit seiner Töchter nicht davon abhalten ließ, sich im Gespräche ein bißchen gehenzulassen.

      »Es wird wohl so herauskommen, daß es ebensoviel weibliche Beamte gibt wie solche Engländer«, sagte Sergei Iwanowitsch.

      »Ja, aber was soll ein Mädchen tun, das keine Familie hat?« wandte Stepan Arkadjewitsch ein und dachte dabei an Fräulein Tschibisowa, die er die ganze Zeit über im Sinne gehabt hatte, wo er mit Peszow übereingestimmt und ihm seinen Beifall bekundet hatte.

      »Wenn man sich aber den Lebenslauf dieses Mädchens etwas genauer ansieht, so wird man finden, daß dieses Mädchen sich von ihrer eigenen Familie oder von der Familie ihrer Schwester losgesagt hat, wo sie eine für ein weibliches Wesen passende Stellung hätte einnehmen können«, mischte sich unerwarteterweise Darja Alexandrowna in gereiztem Tone in das Gespräch; sie mochte wohl erraten haben, welches Mädchen Stepan Arkadjewitsch im Sinne hatte.

      »Aber wir treten für den Grundsatz ein, für den Grundgedanken!« erwiderte Peszow mit seiner volltönenden Baßstimme. »Die Frau will das Recht haben, selbständig und gebildet zu sein. Das Gefühl, dies nicht erreichen zu können, beengt sie und drückt sie nieder.«

      »Und ich fühle mich dadurch beengt und niedergedrückt, daß man mich im Findelhause nicht als Amme annehmen will«, sagte der alte Fürst wieder zum größten Vergnügen Turowzüns, der vor Lachen den Spargel mit dem dicken Ende in die Sauce fallen ließ.

      11

      Alle hatten sich an diesem allgemeinen Gespräche beteiligt außer Kitty und Ljewin. Zu Anfang, als von der Einwirkung gesprochen wurde, die ein Volk auf das andere ausüben könne, fiel Ljewin unwillkürlich manches ein, was er selbst über diesen Gegenstand sagen konnte; aber diese Gedanken, die früher für ihn eine so große Wichtigkeit gehabt hatten, huschten ihm jetzt nur ganz flüchtig wie im Traume durch den Kopf und interessierten ihn nicht im geringsten mehr. Es kam ihm sogar sonderbar vor, weshalb doch diese Menschen mit solchem Eifer über Dinge redeten, die keinen von ihnen persönlich angingen. Ganz ebenso hätte wohl Kitty sich für das interessieren sollen, was da über Frauenrechte und Frauenbildung gesprochen wurde. Wie oft hatte sie über diesen Gegenstand nachgedacht, wenn sie sich an Warjenka, ihre Freundin von dem deutschen Badeorte her, und an deren schwere, abhängige Lebensstellung erinnerte; wie oft hatte sie auch an sich selbst gedacht, was aus ihr werden würde, wenn sie sich nicht verheiratete; und wie oft hatte sie mit ihrer Schwester hierüber gestritten! Aber jetzt interessierte sie das gar nicht. Zwischen ihr und Ljewin war ein besonderes Gespräch im Gange oder eigentlich nicht ein Gespräch, sondern eine Art von geheimnisvoller seelischer Verbindung, die sie von Minute zu Minute immer enger miteinander verknüpfte und in beiden ein Gefühl froher Bangigkeit vor jenem unbekannten Gebiete erweckte, in das sie sich jetzt anschickten einzutreten.

      Zuerst hatte Ljewin auf Kittys Frage, wie es denn zugegangen sei, daß er sie im vorigen Jahre im Wagen gesehen habe, ihr erzählt, wie er nach der Heuernte auf der Landstraße gewandert sei und sie dabei getroffen habe.

      »Es war ganz früh am Morgen. Sie waren wahrscheinlich eben erst aufgewacht. Ihre maman schlief in ihrem Eckchen. Es war ein wunderschöner Morgen. Ich wanderte so dahin und dachte: ›Wer kommt denn da mit einem Viergespann angefahren?‹ Es war ein vorzügliches Viergespann mit Schellen; und in einem Augenblick rollten Sie an mir vorbei, und ich warf einen Blick ins Fenster, da saßen Sie so da – sehen Sie, so: Sie hielten mit beiden Händen die Bänder Ihres Häubchens fest und waren ganz tief in Gedanken versunken«, erzählte er lächelnd. »Ich hätte gar zu gern gewußt, woran Sie damals dachten. Wohl an etwas sehr Wichtiges?«

      ›Ob wohl auch mein Haar nicht unordentlich ausgesehen hat?‹ dachte sie; aber als sie das entzückte Lächeln sah, das durch die Erinnerung an diese Einzelheiten auf seinem Gesichte hervorgerufen wurde, da sagte sie sich, daß im Gegenteil der Eindruck, den sie gemacht habe, gut gewesen sein müsse. Sie errötete und lachte fröhlich.

      »Ich erinnere mich wirklich nicht mehr.«

      »Wie herzlich dieser Turowzün lacht!« bemerkte Ljewin und betrachtete mit Vergnügen dessen feuchtschimmernde Augen und schütternden Körper.

      »Kennen Sie ihn schon lange?« fragte Kitty.

      »Wer sollte den nicht kennen!«

      »Ich merke, daß Sie ihn für einen schlechten Menschen halten?«

      »Nicht für schlecht, aber für unbedeutend.«

      »Da beurteilen Sie ihn falsch. Lassen Sie nur diese Ansicht recht schnell fallen!« versetzte Kitty. »Ich hatte auch eine sehr geringe Meinung von ihm, aber er ist ein sehr lieber und außerordentlich guter Mensch. Er hat ein goldenes Herz.«

      »Wo haben Sie denn die Möglichkeit gehabt, sein Herz kennenzulernen?«

      »Er und ich, wir sind gute Freunde. Ich kenne ihn sehr gut. Im vorigen Winter, bald nachdem ... nachdem Sie bei uns gewesen waren«, sagte sie mit einem schuldbewußten und zugleich doch vertrauensvollen Lächeln, »bekamen Dollys Kinder sämtlich Scharlach, und er machte zufällig einen Besuch bei ihr. Und können Sie sich das vorstellen«, fuhr sie flüsternd fort, »sie tat ihm so leid, daß er dablieb und ihr die Kinder pflegen half. Ja, und drei Wochen lang hat er bei ihnen im Hause gewohnt und die Kinder gepflegt wie eine Wärterin.«

      »Ich erzähle eben Konstantin Dmitrijewitsch von Turowzün beim Scharlach«, sagte sie, indem sie sich zu ihrer Schwester hinüberbeugte.

      »Ja, das war eine bewundernswerte Aufopferung, ein prächtiger Mensch!« erwiderte Dolly; sie blickte Turowzün an, der gemerkt hatte, daß von ihm gesprochen wurde, und lächelte ihm sanft zu. Ljewin sah noch einmal zu Turowzün hin und wunderte sich, wie es möglich gewesen war, daß er die Vortrefflichkeit dieses Mannes nicht schon früher in ihrem ganzen Umfange erkannt hatte.

      »Verzeihung, Verzeihung, ich will nie wieder von andern Leuten schlecht denken!« sagte er fröhlich, und was er sagte, war in diesem Augenblick wirklich seine aufrichtige Empfindung.

      12

      In dem begonnenen Gespräche über die Rechte der Frauen kamen auch heikle, in Gegenwart der Damen nicht wohl zu erörternde Fragen vor: über die Ungleichheit der Rechte in der Ehe. Peszow berührte bei Tische diese Fragen einige Male; aber Sergei Iwanowitsch und Stepan Arkadjewitsch lenkten ihn jedesmal behutsam wieder davon ab.

      Als man von Tische aufgestanden war und die Damen das Zimmer verließen, folgte Peszow ihnen nicht, sondern wandte sich zu Alexei Alexandrowitsch und unternahm es, die Hauptursache dieser Ungleichheit darzulegen. Die Ungleichheit in der Stellung der Ehegatten hing seiner Ansicht nach damit zusammen, daß Untreue der Frau und Untreue des Mannes sowohl vom Gesetze wie auch von der öffentlichen Meinung nicht mit gleicher Schärfe verurteilt würden.

      Stepan Arkadjewitsch trat schnell zu Alexei Alexandrowitsch heran und bot ihm zu rauchen an.

      »Nein,


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