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Читать онлайн книгу.zuständigen Staatsanwaltschaft angeregt wird. Bei den in 2016 abgeschlossenen Vorgängen konnten insgesamt 17 178 deliktische Bezüge festgestellt werden; das sind 43 % mehr als im Vorjahr.[42] Die Steigerungsrate hält also mit der Steigerung bei den Verdachtsmeldungen mit.
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In der gleichen Größenordnung wie die Zahl der Verdachtsmeldungen und die Zahl der Feststellung von deliktischen Bezügen, die zu weiteren Ermittlungen Anlass geben, stieg auch die Zahl der Rückmeldungen der Staatsanwaltschaften, nämlich um 34 %.[43] Die statistische Auswertung der FIU zeigt jedoch einen entscheidenden Punkt: Der Anteil derjenigen Verfahren, die zu Urteilen, Strafbefehlen oder Anklageschriften sowie Anträgen auf Strafbefehle und Mitteilungen in Strafsachen führen, ist deutlich zurückgegangen, auf nur noch 2 %. Seit 2009 hat die Zahl der Urteile, Strafbefehle, Anklageschriften oder Sonstigen Rückmeldungen tatsächlich stets konstant um die 500 Fälle pro Jahr betragen. Gleichzeitig stieg aber die Zahl der Verdachtsmeldungen exponentiell an, zwischen 2009 und 2016 um das Vierfache. Der Jahresbericht 2017 der FIU bestätigt diesen Trend vollauf: Während die Zahl der Verdachtsmeldungen weiter stieg (um weitere 31 % im Vergleich zu 2016), blieb die Zahl der Urteile, Strafbefehle und Anklageschriften erneut unter 500.[44] Dies entspricht, unverändert zum Vorjahr, einem Anteil von etwa 2 % der Rückmeldungen. Untermauert wird diese Tendenz nochmals, wenn man nun auch den Jahresbericht 2018 der FIU heranzieht: Bei insgesamt nur noch 275 Rückmeldungen auf an Staatsanwaltschaften abgegebene Vorgänge handelte es sich um Rückmeldungen, die Urteile, Strafbefehle und Anklageschriften betreffen; unverändert zu den Vorjahren bilden Einstellungsverfügungen den überwiegenden Anteil der staatsanwaltschaftlichen Rückmeldungen.[45]
1. Kapitel Einleitung › B. Aktuelle Bedrohungslage › III. Geldwäsche-Verdachtsfälle › 3. Zwischenfazit
3. Zwischenfazit
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Wir können also aus den Zahlen der FIU mit einiger Sicherheit folgern, dass aus der gestiegenen Zahl der gemeldeten Verdachtsfälle keineswegs der Schluss auf eine größere Bedrohungslage gezogen werden kann. Vielmehr liegt aufgrund der Rückmeldungen der Staatsanwaltschaften das Gegenteil nahe, nämlich dass die Bedrohungslage gleich geblieben ist, weil trotz der Weitermeldung von mehr Sachverhalten im Verdachtsmeldewesen die Zahl der stichhaltigen Hinweise seit Jahren konstant bleibt.
1. Kapitel Einleitung › B. Aktuelle Bedrohungslage › IV. Polizeiliche Kriminalstatistik
IV. Polizeiliche Kriminalstatistik
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Gehen wir zur Plausibilisierung dieses Zwischenergebnisses auch einmal kurz den anderen Weg, schließen wir von der Zahl der möglichen Vortaten auf die mögliche Aktivität der Einschleusung von inkriminierten Geldern in den Wirtschaftskreislauf. Die Polizeiliche Kriminalstatistik versorgt uns mit den nötigen Daten.[46]
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Diese Statistiken bestätigen die Ergebnisse, die aufgrund der Zahlen der FIU zu Strafverfolgungsmaßnahmen aufgrund von Verdachtsmeldungen schon oben vermutet worden sind: Die Zahl der Straftaten bleibt in Deutschland seit etwa einem Jahrzehnt konstant mit zuletzt eher fallender Tendenz, bei zwischen 6,3 und 5,4 Mio. pro Jahr, wobei gerade im Jahr 2019 der niedrigste Wert seit Langem aufgetreten ist. Diese Tendenz lässt sich auch mit Blick auf die als Vortaten von Geldwäsche in Betracht kommenden Delikte feststellen. Es gab keine großen Ausreißer in dem relevanten Bereich, weder nach oben noch nach unten. Dies lässt im Wege einer groben Schätzung darauf schließen, dass die aus solchen Vortaten resultierende Geldwäscheaktivität ebenfalls recht konstant geblieben ist.[47] Wir finden also den Trend aus den FIU-Berichten in der Kriminalitätsstatistik wieder: Jahr für Jahr, unabhängig von der Steigerung der Zahl der Verdachtsmeldungen, wird eine etwa gleichbleibende Zahl von Geldwäschedelikten bei und durch Banken im Wege des Verdachtsmeldewesens aufgefunden – egal wie weit die Zahl der Verdachtsmeldungen gesteigert wird.
1. Kapitel Einleitung › C. Effektivität der Regularien
C. Effektivität der Regularien
1. Kapitel Einleitung › C. Effektivität der Regularien › I. Aufdeckung von Geldwäscheaktivitäten
I. Aufdeckung von Geldwäscheaktivitäten
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Wie wir also soeben feststellen konnten, hat die verstärkte Meldetätigkeit des Finanzsektors in den letzten Jahren nicht dazu beigetragen, tatsächlich mehr Fälle der Geldwäsche aufzudecken. Annähernd 95 % der staatsanwaltlichen Rückmeldungen auf durch Verdachtsmeldungen gekennzeichnete Verfahren sind Einstellungsverfügungen.[48]
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Besorgniserregend ist außerdem, dass diese Quote sich im Zeitverlauf schon immer ähnlich schlecht dargestellt hat.[49]
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Es verbleibt ein verschwindend geringer Anteil wirklich relevanter Verdachtsmeldungen. Wie schon erwähnt, blieb seit 2009 die Zahl der Urteile, Strafbefehle, Anklageschriften stets konstant bei oder unter ca. 500 Fällen pro Jahr, während im Betrachtungszeitraum 2009–2018 aber die Zahl der Verdachtsmeldungen um das Siebenfache anstieg.
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Nun wäre als Erklärung noch denkbar, dass trotz einer Rückmeldung einer Einstellungsverfügung bezüglich der Geldwäsche noch Ermittlungen wegen einer Vortat weitergeführt und möglicherweise auch befördert wurden. Die Rückmeldungen der Staatsanwaltschaften geben hierüber keine Auskunft.[50] Es sind jedoch aus weiteren Zahlen Rückschlüsse möglich: Wenn Verdachtsmeldungen letztendlich trotz Einstellungsverfügung bezüglich der Geldwäsche zu einer verbesserten Verfolgung von Vortaten führen würden, dann wäre zu erwarten, dass Sicherstellungsmaßnahmen im Rahmen von verfahrensunabhängigen Finanzermittlungen – aufgrund des Informationsgehalts der Verdachtsmeldungen – gefördert werden und einen Anstieg erfahren. Verfahrensunabhängige Finanzermittlungen sind solche, bei denen die Sicherstellungsmaßnahmen direkt oder indirekt aus Erkenntnissen resultieren, die die Strafverfolgungsbehörden aus Verdachtsmeldungen nach dem Geldwäschegesetz erlangt haben.[51] Ein Anstieg in 2016 gegenüber 2015 ist auch zu verzeichnen, allerdings beträgt dieser mit Blick auf das Volumen sichergestellter Gelder nur 10 %.[52] Das entspricht in keiner Weise der Größenordnung des Zuwachses der Zahl der Verdachtsmeldungen im selben Zeitraum. Zahlen jüngeren Datums werden diesbezüglich nicht mehr veröffentlicht.
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Trotz eines erheblichen Mehraufwandes der Meldepflichtigen, der insbesondere durch stetige Verbreiterung und Vertiefung der gesetzlichen und behördlichen Anforderungen ausgelöst wurde, ist es also nicht gelungen, entsprechend mehr Geldwäschefälle im Bereich des Finanzsektors auszumachen und einer strafrechtlichen Ahndung zuzuführen. Die gestiegene Wachsamkeit hat nicht dazu geführt, einen größeren Anteil an Transaktionen als solche mit kriminellem Hintergrund zu enttarnen. Stattdessen liegt der Schluss nahe, dass infolge der gestiegenen regulatorischen Anforderungen nur Verdachtsmeldungen verminderter Qualität produziert werden, die vor allem Aufklärungs- und Verfolgungskosten nach sich ziehen.
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Formulieren wir vorsichtig: Es gibt keine Hinweise darauf, dass die durch und in der Folge der Dritten GeldwäscheRL in Deutschland eingeführten Neuregelungen die Bekämpfung der Geldwäsche in den hiesigen Instituten verbessern konnten, wenn man auf den Ermittlungserfolg auf Basis des Verdachtsmeldewesens