Handbuch Joint Venture. Torsten Fett
Читать онлайн книгу.kann jedoch auch (zumindest teilweise) als Holding fungieren, in welche die Partner jeweils Beteiligungen an anderen Gesellschaften einbringen, so dass die Joint Venture Gesellschaft in der Zielstruktur Beteiligungen an rechtlich und organisatorisch selbstständigen Tochtergesellschaften hält, die ihrerseits operativ am Markt tätig sind.[1] Diese Gestaltung kann sich etwa anbieten, wenn die Partner mit zwei oder mehr operativen Gesellschaften am Markt tätig werden wollen, aber eine einheitliche Finanzierung anstreben.[2] Es kann auch Mischformen geben, also Joint Venture Gesellschaften, die selbst operativ tätig werden, zugleich aber auch über Tochtergesellschaften verfügen.[3]
Anmerkungen
Graphik bei Schulte/Pohl Joint Venture Gesellschaften, Rn. 14.
Weitnauer Hdb. Venture Capital, Teil F Rn. 44.
Schulte/Pohl Joint Venture Gesellschaften, Rn. 15.
2 › IV. Mehrheits-Joint Venture oder paritätisches Joint Venture
IV. Mehrheits-Joint Venture oder paritätisches Joint Venture
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Ferner kann man definitorisch noch nach dem Beteiligungsverhältnis differenzieren. Je nach dessen Ausgestaltung sind verschiedene Schwerpunkte bei der Gestaltung zu berücksichtigen, so etwa der Minderheitenschutz bei einem Mehrheits-Joint Venture und die Verhinderung und Auflösung von Patt-Situationen bei einem paritätischen Joint Venture.[1]
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Bei dem klassischen paritätischen Equity Joint Venture sind die Partner mit je 50 % am Kapital der Joint Venture Gesellschaft beteiligt und unterliegen dem faktischen Einigungszwang in allen wesentlichen, das Gemeinschaftsunternehmen betreffenden Fragen. Bei etwaigen Meinungsverschiedenheiten kann es zur Lähmung von Entscheidungsprozessen kommen, die durch die Einschaltung neutraler Dritter gelöst werden mögen.[2] Dieses Konzept ist sowohl auf Ebene der Gremien (Geschäftsführung, Aufsichtsrat, Beirat) denkbar als auch auf Ebene der Gesellschafterversammlung.
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Alternativ kann die Joint Venture Gesellschaft über Mehrheits- und Minderheitsgesellschafter verfügen und wird dann als Mehrheits-Joint Venture bezeichnet. Diese Form wird regelmäßig dann sinnvoll sein, wenn der stärkere Joint Venture Partner sich Kontrollrechte vorbehält, etwa um Produktion und Vertrieb zu steuern, Verrechnungspreise zwischen der Joint Venture Gesellschaft und den Partnern festzulegen oder sich den Zugriff auf eingebrachtes Know-how zu sichern. In diesen Konstellationen wird der Minderheitsgesellschafter im Rahmen der Verhandlungen des Joint Venture Vertrages sehr darauf zu achten haben, dass hinreichende Mitsprache- und Interventionsrechte zu seinen Gunsten gewahrt werden.
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Auch ist es möglich mittels sog. „Tracking Stocks“ Gesellschafts- und Stimmrechte abweichend von den Gewinnbezugsrechten der Joint Venture Partner zu regeln (vgl. 7. Kap. Rn. 428).
Anmerkungen
Vgl. Wachter/Reinhard FA Handels- und Gesellschaftsrecht, 2. Teil 12. Kap. Rn. 17 ff.
Vogel Equity Joint Ventures und deren Finanzierung, S. 10.
2 › V. Horizontale und vertikale Joint Venture
V. Horizontale und vertikale Joint Venture
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Ein anderer definitorischer Ansatz ist die Unterscheidung nach der Produktionsstufe. Oftmals wird es den Partnern bei ihrem Investment in ein Equity Joint Venture nicht allein um die Verbesserung der eigenen Wettbewerbsposition gehen, sondern auch um den Zugang zu anderen Produktionsstufen.[1] Bei einem horizontalen Joint Venture wird die Joint Venture Gesellschaft auf derselben Produktions-, Handels- oder Dienstleistungsstufe wie die Partner tätig, bei einem vertikalen Joint Venture auf einer anderen (vor- oder nachgeordneten) Stufe.[2] Steht die Joint Venture Gesellschaft jedoch in keinerlei Zusammenhang mit den Produktions- oder Tätigkeitsfeldern, in denen die beteiligten Joint Venture Partner tätig sind, so spricht man vom konglomeraten Joint Venture.[3] Hier wird es sich regelmäßig um eine reine Kapitalbeteiligung handeln, so dass die Besonderheiten, die bei der Gestaltung von „klassischen“ Equity Joint Venture Gesellschaften mit strategischer operativer Zielsetzung eine Rolle spielen, nicht zur Anwendung kommen.[4]
Anmerkungen
Rödder/Hötzel/Mueller-Thuns/Mueller-Thuns Unternehmenskauf, Unternehmensverkauf, Einführung, Rn. 7.
Wachter/Reinhard FA Handels- und Gesellschaftsrecht, 2. Teil 12. Kap. Rn. 8.
Vgl. Müller/Hoffmann/Stengel Beck'sches Hdb. PersGes., 2002 § 23, Rn. 16; MünchHdb. GesR/Wirbel Bd. 1, § 28 Rn. 9.
Vgl. Martinek Moderne Vertragstypen III, S. 217.
2 › VI. Vollfunktions- und Teilfunktions-Joint Venture
VI. Vollfunktions- und Teilfunktions-Joint Venture
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Gelegentlich wird nach operativen Geschäftsfunktionen unterschieden, um die unterschiedlichen Typen von Joint Venture Gesellschaften für kartellrechtliche Zwecke zu definieren. Unter einem Vollfunktions-Joint Venture in diesem Sinne versteht man ein Gemeinschaftsunternehmen, das dauerhaft sämtliche Aufgaben einer selbstständigen wirtschaftlichen Einheit erfüllen kann und selbstständig am Markt auftritt.[1]
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Davon ist, folgt man dieser Systematik, das Teilfunktions-Joint Venture abzugrenzen, welches überwiegend bestimmte Leistungen für die Joint Venture Partner zu erbringen hat, nicht aber für Dritte.[2] Letztere werden von den beteiligten Partnern in der Praxis häufig als Vertriebs-, Einkaufs-, Produktions-, Forschungs- und Immobilien-Joint Venture genutzt.[3]
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Die Differenzierung ist im Kartellrecht insoweit von Relevanz, als nach europäischem Kartellrecht nur Vollfunktions-Joint Venture einen Zusammenschluss darstellen. Nur bei der Gründung eines Vollfunktions-Joint Venture können die Beteiligten damit sicher sein, dass eine mögliche Verhaltenskoordinierung der Joint Venture Partner im Rahmen der kurzen Fristen des Fusionskontrollverfahrens geprüft wird und nicht im Rahmen eines deutlich aufwändigeren Kartellverfahrens.
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