Münchhausen. Karl Immermann

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Münchhausen - Karl  Immermann


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war, sah er mich verwundert an, und sagte: »Mein Herr, Sie müssen an Mennige gekommen sein, denn Sie sind orangegelb im Gesicht geworden.« Er wollte mich abwischen; mir aber fiel die Warnung ein, ich ließ mir einen kleinen Handspiegel reichen, und siehe da! ich war wirklich im Antlitz hochgelb, wie eine reife Pomeranze. Mein Blut war in der Zinkgrube tombachen geworden. Ich schämte mich vor dem Steiger, sagte ihm, ich wisse nicht, was es sei, aber abwischen helfe nichts. Recht beschämt ging ich von dem Grubenhäuschen fort, aus dem mir der Steiger mit allen alten und jungen Burschen, Zimmerheuern und Pochjungen, die gerade zu Tage waren, verwundert und lächelnd nachsah.

      Das bißchen Zink wurde ich zwar glücklicherweise wieder los durch eine Schmelzkur, aber die Reise nach Cornwall mußte ich zu meinem größten Leidwesen aufgeben. Was wäre daraus geworden, wenn mich die Zinndämpfe noch gar in Glockenspeise umgesetzt, und wenn ich angefangen hätte, ohne Privilegium zu läuten?

      Solche metallische Naturspiele im Menschen bleiben also immer höchst verdrießlich. Kupfer im Blute ist so schlimm, als Kupfergeld in der Tasche. Nicht leicht ward ein Sterblicher gleich mir in der Liebe gezüchtigt. Ich habe aber auch durch dieses Schicksal einen solchen Widerwillen gegen die Leidenschaft bekommen, daß ich mich nachher nie wieder dazu verstehen wollte, obgleich ich Gräfinnen, Fürstinnen und Prinzessinnen die Hülle und die Fülle haben konnte. Vornehme Damen haben häufig den seltsamsten Geschmack in der Liebe. Daher mochte es rühren, daß die ganze vornehme weibliche Welt hinter mir her war, wo ich erschien. Sie wandten den schönsten Adonissen in Dolman, Ulanencollet und Legationsfrack den Rücken, wenn ich, der schlichte Partikulier, der unscheinbare Privatgelehrte, dahertrat mit dem pentelischen Marmorkolorit und grün anlief. Was für Erklärungen habe ich anhören, was für Winke überhören müssen, welches Unheil habe ich gestiftet! In Dünkelblasenheim machte ich grüne Schminke Mode, weil die regierende Herzogin gesagt hatte, in mir sei der ewiggrüne Gott der Jugend erschienen, und die ganze höhere Welt die Andeutung verstand. Sie waren eben einmal wieder ganz aschgrau geworden in Dünkelblasenheim; nun strichen sie sich grün an und meinten, sie hätten die Jugend damit. — An einem andern Orte fiel mir die Prinzessin von Mezzo Cammino da Napoli di Romania zu Füßen und bat mich um Gottes willen, ihr nur wenigstens eine Exspektanz auf mein Herz zu geben. Sie tat mir in der Seele weh — sie war eine schöne Person — aber gebrannte Kinder scheuen das Feuer! Ich hob sie höflich auf, führte sie zum Sofa und sagte: »Durchlaucht, es geht nicht. Ich habe einmal Unglück in der Liebe und wer weiß, was durch Sie bei mir in Konfusion gebracht würde. Sie dauern mich, liebe Durchlaucht, aber jeder Mensch ist sich selbst der Nächste.«

      Den höchsten Abscheu empfinde ich vor meiner ehemaligen sechsten oder Hauptgeliebten. Ich habe mir tausendmal gesagt: Sie konnte ja nichts dafür, daß sie keine reiche Erbin war, aber — die Natur läßt sich nicht zwingen. Immer und immer durch Grünspan an die Enttäuschung über seine schönsten Hoffnungen erinnert zu werden, ist am Ende auch keine Kleinigkeit! Der Mensch bleibt Mensch. Ich glaube, daß, wenn ich die Hauptgeliebte wiedersähe, ich mich nicht würde fassen können, ich, der ich doch sonst so ziemlich mich zu beherrschen weiß.«

      Siebenzehntes Kapitel

Die drei Schloßbewohner erteilen dem Freiherrn von Münchhausen vernünftigen Rat; er aber bleibt auch für den Bedienten Karl Buttervogel teilweise ein Rätsel

      Nachdem Münchhausen seine Erzählung vollendet hatte, fragte er den Schulmeister, warum der alte Baron fortgegangen sei, und noch immer nicht wiederkomme?

      »Herr von Münchhausen«, versetzte Agesilaus, »Sie haben zwar auf eine eben nicht freundliche Weise in Ihrer Liebesgeschichte meiner teuersten Überzeugungen gespottet, indessen ist meine Sinnesart nicht so beschaffen, andern etwas nachzutragen, und ich kann ganz gerne Unrecht leiden, ohne mich dafür zu rächen. Ich will Ihnen, trotz Ihrer satirischen Anspielungen auf mich, in betreff unsres alten Herrn einen wohlgemeinten Rat erteilen.«

      »Welche satirische Anspielungen auf Sie, Herr Schulmeister?«

      »Sie beliebten zu sagen, daß Sie jenem Frauenzimmer eine fürstliche Abstammung vorgelogen hätten. Ich aber erlaube mir, Ihnen zu versichern, daß, wenn ich eine ähnliche Abstammung von mir aussage, damit keinesweges Lügen vorbringe, welche ich überhaupt herzlich verabscheue.«

      »Ich beteure, Herr Schulmeister, daß meine Seele nicht an Sie gedacht hat. Großer Gott, kann denn ein Erzähler nicht einmal in dieser Einöde den Deutungen entgehen?«

      »Wohl, diese Angelegenheit bleibe, wie manches andere, vor der Hand auf sich beruhen«, sagte der Schulmeister. »Der Rat, den ich Ihnen erteilen wollte, ist folgender. Unser alter Herr hat sich die Rückkehr früherer Verhältnisse, und die Hoffnung auf das Amt, welches er sein angebornes nennt, steif und fest in den Kopf gesetzt. In dieser Beziehung ist er toll, und schon lange quält mich die Besorgnis, daß aus der Geheimerats-Idee, wenn wir sie nicht so sehr schonten, einmal plötzlich der völlig ausgewachsene Wahnsinn hervorspringen wird. Sie aber rühren unvorsichtig — verzeihen Sie meine Freimütigkeit, Herr von Münchhausen — nur zu oft daran, wie es denn heute abend auch noch geschehen ist. Und es wäre doch schlimm, wenn der sonst so vortreffliche und geistesgesunde Mann mutwilligerweise von uns andern Vernünftigen um seine Besinnung gebracht würde.

      Die menschliche Seele hat, wie der Körper, nur ein bestimmtes Maß von Kräften des Wachstums«, fuhr der Schulmeister fort. »Ward dieses erschöpft, so bleibt der Mensch geistig stehen, wie er nach dem zwanzigsten Jahre nicht mehr leiblich wächst. Deshalb begreift das Alter die Jugend nicht, und ungewöhnliche Ereignisse finden darum immer nur bei denen Anklang, die noch im geistigen Wachstum stehen. Kann sich nun der Mensch mit allen seinen Seelenkräften vollständig in die von der Natur ihm bestimmte Länge und Breite legen, so wird er nicht verrückt, sondern er bleibt an einem Ziele stehen, andernfalls aber geht es ihm wie einem, der in der Entwickelungszeit eine starke Hemmung erleiden muß; der Überschuß von Kräften schlägt ihm als Krankheit nach innen und er bekommt einen Stich. Unser alter Herr war durchaus bestimmt, Geheimer Rat auf der Adelsbank zu werden, da wäre er stehen, oder vielmehr sitzen geblieben, und als völlig vernünftiger Mann zu seinen Vätern versammelt worden. Weil er aber bis dahin nicht vordringen konnte, so setzte sich ihm der Geheime Rat gewissermaßen als Knoten in die Seele, der, nicht gereizt, vielleicht ein ruhiges Lebensende herankommen läßt, gerieben und entzündet aber, einen unheilbaren Brand auch über die noch gesunden Teile des Geistes verbreiten möchte.«

      Der Freiherr wunderte sich über die Weisheit des Schulmeisters und gelobte, seinem Rate Folge zu leisten. Darauf zündete Agesilaus seine Handlaterne an und ging nach dem Gebirge Taygetus, überzeugt, ein gutes Werk getan zu haben.

      Münchhausen suchte den alten Baron auf und fand ihn draußen im Mondschein hinter dem Schlosse wandeln. Er wollte ihn um Entschuldigung bitten, der andere fiel ihm aber in die Rede und sagte: »Laßt doch die Narrenpossen; ich habe Euch den Hieb lange vergeben, da ich weiß, daß Ihr mich nicht absichtlich beleidigen wolltet. Zudem könnt Ihr andern auch gar nicht fassen, was es bedeutet, durch die Geburt zu einer Ehre, oder einem Vorzuge, oder einem Amte, wie der Geheimeratsposten ist, bestimmt zu sein. Ihr redet also über solche Sachen, wie der Blinde von der Farbe, und man muß Euch Euer Geschwätz darüber nicht so übelnehmen. Nein, ich blieb nur hier draußen, weil ich, aufrichtig gesagt, an Liebessachen keinen sonderlichen Anteil nehme und dachte, Ihr würdet wohl so gütig sein, mir einmal unter vier Augen ohne Umschweif das Ergrünen zu erklären. Überhaupt wünschte ich, bester Münchhausen, meiner Tochter wegen, Ihr sprächet von Romanenangelegenheiten wenig oder gar nicht mehr.

      Meine Tochter hat in diesem Punkte einen Sparren«, fuhr der Alte mit leiserer Stimme fort, indem er dicht zu Münchhausen trat. »Es ist immer schlimm, wenn die Frauenzimmer nicht heiraten, oder keine Kinder bekommen, denn auf Zärtlichkeit sind denn doch nun einmal die armen Dinger durchaus gestellt, und die versetzt sich ihnen dann leicht, daß sie entweder langweilige, empfindsame Bücher schreiben, oder mit Papageien und Schoßhunden quengeln, unerträglich für andere. Meine Tochter hält sich nun weder Schoßhund noch Papagei, dagegen einen Gedanken- und Erinnerungsliebhaber, mit dem sie verkehrt, wie mit einer lebendigen Mannsperson. Besonders im Mondschein, wie jetzo, ist sie immer sehr aufgeregt, und deshalb hütet Euch, Freund, diesen Zustand zu steigern; bedenkt, was für ein Elend für mich alten Mann


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