Dalmatinische Reise. Bahr Hermann

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Dalmatinische Reise - Bahr Hermann


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weckt mich völlig auf. Ich habe neun Stunden geschlafen, wir sind in Gravosa. Noch klebt mir überall der Schlaf an. Solchen traumlosen, tief erstarrten, alles entseelenden Schlaf, aus dem man gleichsam erst wieder neu geboren werden muß, gibt mir nur das Meer. Und ich erwache dann mit einem wunderlichen Gefühl, wie nach einer moralischen Entfettungskur, als ob ich alle Vergangenheit ausgeschwitzt hätte und nun so leicht wäre, daß ich gleich auffliegen könnte, und über mich selbst hinweg.

      Gravosa im Regen. So habe ich die Bucht noch nie gesehen. Es ist mir, wie wenn man eine frohe Frau, die man nur von Festen kennt, plötzlich in Trauer sieht. Denn wenn hier die Sonne scheint, ist es, als wäre der Sonnenschein Eigentum der Bucht. Nichts Linderes, Leiseres, Lieberes läßt sich denken als die heitere Zärtlichkeit, in der sie sich lächelnd wiegt. Zypressen und Pappeln schwärzen das Ufer, Villen blinzeln durch, stille Wege winken, der Wald steht auf dem Hügel, alles ruht. Von einer ganz eigenen Heiterkeit ist's, einer Heiterkeit im Winkel, die sich geborgen weiß, einer Heiterkeit, die zuweilen plötzlich warnend den Finger zu heben scheint, weil sie weiß, daß ganz nahe, gleich über dem grünen Hügel dort, das große Meer ist, in dem lauernd der Sturm liegt. Und in anderen Jahren, wenn ich hier an hellen Tagen in der stillen Sonne stand, war es mir immer ein Bild der Heiterkeit, die jetzt unser Geist sucht. Einer Heiterkeit, die zwischen Inseln geschützt liegt, rings ruht alles, sie dehnt sich im leisen Wind, aber der Hauch einer Angst schwebt über ihrem Glück, weil sie weiß, daß ganz nahe, hinter den grünen Inseln, der Tumult von Stürmen ist; und man sieht es ihrem Lächeln an.

      Langsam fahren wir aus dem Hafen. Links die waldige Stille der Halbinsel Lapad, rechts die tiefe Bucht der breiten Ombla, unter kahlen Felsen. Wir drehen, immer dicht an der Küste von Lapad, erst nördlich, bald westlich von ihr, zwischen ihren dunklen Kiefern und den nackten, jähen, gelben Riffen der Pettini durch. Plötzlich ist die alte Stadt Ragusa vor uns da, mit ihren Felsen und ihren Wällen in das schäumende Meer tretend; und man weiß nicht, was Fels, was Wall ist, was gewachsen und was geschaffen, was von Ewigkeit und was das Werk der Zeiten ist; so wunderbar haben sich hier das Land und der Mensch die Hände gereicht. Das gibt dieser einzigen Stadt ihre Hoheit, die doch auf der ganzen Erde keine mehr hat. Lakroma erscheint; hier sieht es nur wie ein stiller Hain aus, man ahnt die Wunder seiner verwilderten Gärten nicht. Jetzt aber tritt alles zurück, die Stadt scheint sich in den Berg zu schieben, nur ein paar rote Dächer brennen noch aus seinem grauen Stein. Über San Giacomo schreit die Straße weiß; sie teilt sich, hier nach Trebinje steigend, dort ins Tal von Breno ziehend. Die Küste biegt sich ein, Sturm springt das Schiff an, es stößt, bäumt sich, sinkt, scheint bald zu schweben, bald zu stürzen und tanzt klatschend, zwischen den steilen Mauern der Wellen, die, bald vor ihm lauernd, bald aufbrechend, aus braunen Schlünden weiße Schäume schießen. Und mit ungeheuren Sprüngen setzt das Wasser manchmal plötzlich über uns, lacht noch schrill und ist schon zerstiebend wieder versunken.

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