Die Colonie: Brasilianisches Lebensbild. Erster Band.. Gerstäcker Friedrich

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Die Colonie: Brasilianisches Lebensbild. Erster Band. - Gerstäcker Friedrich


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Ihr rennt! Daß Ihr die Thiere dabei ruinirt, scheint Euch ebenfalls nicht im Mindesten zu kümmern!«

      »Nicht böse, Mütterchen, nicht böse,« lachte Helene, indem sie den Hals ihres noch immer tanzenden und courbettirenden Schimmels klopfte; »Oskar behauptete aber, daß sein Rappe flüchtiger wäre als meine Sylphide, und da habe ich ihm eben das Gegentheil – aber, Sylphide – ruhig, mein Herz, ruhig – wie wild sie nur geworden ist, weil ich sie die beiden letzten Tage nicht geritten habe!«

      »Du hattest von Anfang an einen Vorsprung,« rief Oskar, »sonst wärest Du mir wahrhaftig nicht vorgekommen; und dann verlor ich gleich beim Abreiten einen von meinen Sporen, was mich auch aufhielt.«

      »Einen von Deinen silbernen Sporen?« rief die Frau Gräfin.

      »Ja – aber er wird sich schon wiederfinden,« sagte der junge Bursche gleichgültig. – »Heh, Gotthelf! Gotthelf! Wo der nichtsnutzige Schlingel nun wieder steckt, daß er die Pferde nehmen könnte. – Gotthelf!«

      »Ja – komme schon,« antwortete eine Stimme, die dem ungeduldigen Rufe des jungen Mannes in keineswegs entsprechender Eile zu sein schien.

      Gleich darauf schlenderte auch ein Bauernbursche, dessen reines, grobleinenes Hemd allein an ihm den Sonntag verkündete, beide Hände in den Taschen, um die Hausecke und kam langsam näher.

      »Na, Du fauler Strick, kannst die Beine wohl nicht ein Bischen in die Hand nehmen?« rief ihm der junge Graf entgegen – »es wird wahrhaftig immer besser. Soll ich Dich etwa in Trab bringen?«

      »Brrrrrr!« erwiederte Gotthelf mit unerschütterlicher Ruhe, indem er seine Schritte nicht im Geringsten beschleunigte; »gehen Sie nur nicht durch, junger Herr, und machen Sie die Pferde nicht scheu.«

      »Willst Du noch unverschämt werden, Halunke!« rief der junge Graf in aufloderndem Zorne, indem er seine Reitpeitsche fester packte und hob. Gotthelf aber, nicht im Geringsten dadurch eingeschüchtert, trat dicht zu dem Pferde heran und sagte:

      »Na, so schlagen Sie doch! – Warum langen Sie denn nicht zu? Mein Buckel wäre doch, dächt' ich, breit genug.«

      Graf Oskar schlug aber nicht; der junge, allerdings sehr breitschulterige Bauernjunge hatte heute Etwas in seinem Auge, was ihm nicht gefiel. Deshalb nur mit einer verächtlichen Kopfbewegung aus dem Sattel steigend, sagte er, indem er Gotthelf den Zügel hinreichte:

      »Da – ich will mich mit Dir nicht befassen. Führe die Pferde herum und reibe sie nachher trocken ab.«

      Gotthelf nahm aber nicht einmal seine Hände aus den Taschen, und die beiden Pferde nach einander betrachtend, sagte er kopfnickend:

      »Ja – Herumführen werden sie wohl brauchen, denn geritten sind sie wieder, daß es eine Schande ist; aber der Gotthelf wird Ihnen das schwerlich besorgen, denn mit »Halunke« schimpfen werden die Leute nicht fett, und wo es außerdem weiter Nichts giebt, nicht einmal Lohn, da lohnt's eben nicht, daß man sich die Nägel von den Fingern arbeitet. Suchen Sie sich einen andern Gotthelf, aber ich glaube kaum, daß Sie noch einen so dummen finden, der Ihnen drei Monate nur der Ehre wegen den Schuhputzer macht.« – Und sich damit scharf auf dem Absatze herumdrehend, schlenderte er wieder in's Haus zurück, ging auf sein Zimmer, packte seine Sachen zusammen und verließ eine halbe Stunde später in der That, ohne ein weiteres Abschiedswort, die gräfliche Familie.

      »Das hast Du nun von Deiner Heftigkeit,« sagte die Gräfin, drehte sich ab und schritt würdevoll in das Haus hinein.

      Graf Oskar biß wüthend die Zähne zusammen und hätte seinen Zorn gern an irgend Jemandem ausgelassen; aber es war Niemand da, von dem er vermuthen durfte, daß er es sich gefallen lassen würde. Sein Sattel allein mußte es entgelten, den er selber abschnallte und dann völlig rücksichtslos über den Gartenzaun, mitten zwischen die Blumen, hinwarf; – dann führte er sein Pferd in die kleine Umzäunung, wo die Thiere gewöhnlich gefüttert wurden, nahm ihm den Zaum dort ab und ließ es laufen. Von Herumführen oder Abreiben war keine Rede mehr.

      Comtesse Helene indessen war einigermaßen in Verlegenheit, denn da sich ihr Bruder in seinem Ingrimme gar nicht um sie bekümmerte, wußte sie nicht gleich, wie sie aus dem Sattel kommen sollte. Als sie den Kopf die Straße hinabdrehte, sah sie einen jungen Mann dicht hinter sich, der stehen geblieben war und sie betrachtet hatte. Unter anderen Umständen würde sie auch kaum von ihm Notiz genommen haben, denn trotz seiner anständigen Kleidung sah er etwas verwildert aus, und um das sonnengebräunte, von einem leichten, schwarzgekräuselten Barte halb beschattete Gesicht hingen ihm die langen, schwarzen Haare unordentlich und wirr herab. Auch in den dunkeln Augen, mit denen er das wirklich bildschöne Mädchen betrachtete, lag ein eigenes, unheimliches Feuer, und erst als ihr Blick auf dem seinen haftete, milderte sich der Ausdruck in seinen Zügen.

      Es konnte ihm aber auch nicht entgangen sein, daß sie Hülfe brauche – die Straße war außerdem, als an einem Sonntag Nachmittage, fast menschenleer, und sich ordentlich gewaltsam dazu zwingend, trat er endlich näher, sah zu der Jungfrau auf und sagte:

      »Erlauben Sie mir vielleicht, Ihnen meinen Arm zu bieten?«

      Helene sah ihn im ersten Augenblicke mißtrauisch an; sie war viel zu selbstständig aufgewachsen, oder hatte sich vielmehr selber so erzogen, um irgend Furcht vor einem fremden Manne zu zeigen, aber ein gewisser Instinct warnte sie, sich Jemandem zu irgend einem Danke zu verpflichten, der damit vielleicht einmal Mißbrauch treiben könne. Das Benehmen des Fremden war aber so achtungsvoll und ehrerbietig, und das Anerbieten wurde mit so viel natürlichem Anstande gemacht, daß sie nach kaum secundelangem Zögern lächelnd die Hand ausstreckte, sich auf den vorgehaltenen Arm des Fremden stützte und leicht aus dem Sattel sprang.

      Der Fremde hatte dabei zugleich den Zügel des Pferdes in einer Art ergriffen, die deutlich zeigte, daß er mit ihm umzugehen wisse, machte der Comtesse, als sie glücklich unten angelangt war, eine leichte Verbeugung, und führte dann das durchaus erhitzte Thier zu dem nächsten Aste, an dem er den Zügel befestigte und den Sattel nachher durch Aufschnallen des Gurtes etwas lüftete. Das Alles geschah rasch und anscheinend ohne die geringste Anstrengung, und ehe Comtesse Helene nur recht mit sich einig war, ob sie abwarten bis sich der Fremde entfernt habe, oder lieber gleich in das Haus gehen solle, war dieser schon fertig, verbeugte sich wieder leicht gegen sie und wandte sich dann rasch und ohne sich umzusehen die Straße hinab, so daß sie ihm für seine Dienstleistung nicht einmal danken konnte.

      Comtesse Helene war bei ihrem Range und wirklich reizendem Äußern, noch dazu in der bescheidenen Umgebung einer deutschen Kolonie, allerdings daran gewöhnt worden, die Huldigungen und Galanterien der jüngeren wie älteren Leute als eine Art von Tribut fast gleichgültig hinzunehmen. Die Aufmerksamkeit dieses wunderlichen Fremden, der sich außerdem fast ängstlich jedem nur möglichen Danke entzog, hatte aber doch etwas so Eigenthümliches, daß sie, frappirt davon, auf der Schwelle des Gartens stehen blieb und sich erst in das Haus zurückzog, als ihr Bruder, eben nicht in der besten Laune, zurückkam. Außerdem läutete auch in diesem Augenblicke die Glocke oben, welche zum Mittagessen rief, und sie durfte keine Zeit versäumen, wenn sie noch ihr Reitkleid ablegen und überhaupt ein wenig Toilette machen wollte.

      In dem Wohnzimmer der Frau Gräfin Baulen hatten sich indessen schon vor der Ankunft der Wirthin zwei auf heute geladene Gäste eingefunden.

      Der Eine von ihnen war der nämliche Herr, welcher Könnern und dem Director auf ihrem Wege durch die Stadt begegnete: der ausgewanderte Baron Jeorgy, den eine unglückliche romantische Ader zu seinem jetzigen sehr großen Bedauern nach Brasilien getrieben. Er hatte eine nicht unbedeutende Summe Geldes mit herüber gebracht und es in sechs Jahren möglich gemacht, den größten Theil seines Kapitals nicht gerade durchzubringen, aber doch auszugeben, was sich im Resultat allerdings vollkommen gleich blieb.

      Der Andere war ein junger, erst kürzlich herübergekommener Künstler, Namens Vollrath, der einen Empfehlungsbrief an den Baron mitgebracht hatte und dadurch auch bei der Frau Gräfin eingeführt war. Er spielte mit der Comtesse manchmal Clavier, aber die Frau Gräfin sah seinen Besuch nicht gern. Er erwies nämlich Helenen mehr Aufmerksamkeit, als ihrer Mutter lieb schien, und war außerdem blutarm – aber so lange er sich in seinen Schranken hielt, konnte man ihn eben nicht zurückweisen. Die Frau Gräfin hatte indessen schon ernsthaft mit ihrer Tochter


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