Amerikanische Wald- und Strombilder. Zweiter Band.. Gerstäcker Friedrich

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Amerikanische Wald- und Strombilder. Zweiter Band. - Gerstäcker Friedrich


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Führer jedoch wenig zu beachten schien, denn er schritt mit gesenkten und fest auf den Pfad gerichteten Blicken voran. Übrigens blieb des Deutschen Aufmerksamkeit höchst nutzlos verschwendet, denn kein einziger Hirsch, nicht einmal ein Truthahn, ließ sich sehen, und höchst mißmuthig und unzufrieden mit der ganzen amerikanischen Jagd warf er sich endlich die Büchsflinte wieder über die Schulter und schwur, daß – undankbarer Mensch – Charley Fischer ein – Aufschneider sei.

      Nicht mehr weit hatten sie von da aus zu gehen, bis sie zu der kleinen Lichtung und Blockhütte kamen, die ihm von dem Indianer als die »deutsche Niederlassung« bezeichnet wurde, und hier lag wieder, wo Sechingen allerdings etwas ganz anderes erwartet hatte, ein solches unausweichbares Blockhaus vor ihm, das keineswegs dem von einer »deutschen Niederlassung« entworfenen Bilde glich; dennoch eilte er mit freudigen und lebhafteren Schritten darauf zu, denn er sollte ja jetzt Landsleute wiederfinden und durfte hoffen, nach der ausgestandenen Schreckensnacht seine Glieder in etwas stärken und erfrischen zu können.

      Es ist aber eine eigene Sache mit den Deutschen in Amerika; in Arkansas, und überhaupt im fernen Westen, mag es noch angehen; selten bekommen sie hier einen Landsmann zu sehen, und freuen sich wirklich, wenn sie Einmal einem begegnen, der ihnen etwas Neues aus der Heimath erzählen kann. Anders, ach weit anders und weit trauriger ist es dagegen in den östlichen Städten, wo alle neue Einwanderer von den, sich schon dort befindenden Landsleuten als »Preisverderber und Eindringlinge« betrachtet werden, wo der schon etwas Amerikanisirte zu stolz ist, den früheren Freund deutsch anzureden, weil ein zufällig daneben stehender Amerikaner sonst sogleich wissen würde, daß er ebenfalls ein »Dutchman« wäre, und wo sich der Deutsche wirklich nur deßhalb mit dem Deutschen einläßt, um ihn, sobald sich eine Gelegenheit dazu finden sollte, tüchtig über's Ohr zu hauen und hinterher auszulachen. Das kannte v. Sechingen freilich noch nicht, ein ganz anderer Empfang wartete aber auch hier seiner, und mit offenen Armen und herzlichem, treugemeintem Gruß wurde er von dem biedern Deutschen Klingelhöffer, der in der einsamen Wildniß seine Wohnung aufgeschlagen hatte, empfangen.

      Er war gerade beschäftigt gewesen Feuerholz zum Haus zu fahren, spannte jedoch augenblicklich aus und führte seine beiden Gäste in die kleine Hütte, um ihnen dort nach den ausgestandenen Strapatzen jede mögliche Bequemlichkeit gewähren zu können. Der Indianer war auch bald entschlossen, wenigstens für diese Nacht sein Quartier hier aufzuschlagen, und hing deshalb seine Decke ausgebreitet über die Fenz, damit sie der Wind, der jetzt recht scharf aus Nordwest zu blasen anfing abtrocknen könne, während Klingelhöffer, von Sechingen gefolgt, das Haus betrat, in welchem ihnen des ersteren wackere Hausfrau, freundlich grüßend, entgegen kam.

      Vor allen Dingen mußte er nun seine nassen Kleidungsstücke ab und trockene anlegen, und bald vergaß er bei guter, nahrhafter Kost und neben einem erquickenden Feuer die überstandenen Mühseligkeiten und Entbehrungen.

      Jetzt bekam er aber auch Zeit, das Innere der einfachen Hütte, in welcher die kleine Familie hauste, zu betrachten, und begriff in der That nicht, wie Menschen, die früher schon einmal an mehr und größere Bequemlichkeiten gewöhnt gewesen waren, hier und unter solchen Verhältnissen existiren konnten. Das Haus bestand, nach der gewöhnlichen Bauart des Landes, aus unbehauenen Stämmen, und die Spalten zwischen diesen waren, um den rauhen Nordwind abzuhalten, an dieser und an der Westseite mit lang gespaltenen Stücken Holz und Lehm ausgefüllt, dadurch eine feste und ziemlich warme, dem Klima wenigstens angemessene Wand bildend; die beiden anderen Wände jedoch ließen Licht und Luft ein, soviel nur durch die oft handbreiten Ritzen und Spalten einströmen konnten. In einer Ecke des Hauses standen zwei Betten, über denen ein langes Bret mit – einem seltenen Artikel in Arkansas – Büchern befestigt war, und an der gegenüber stehenden Wand befand sich ein anderer Gegenstand, den der Deutsche hier im Walde am wenigsten gesucht hätte und der auch von dem Indianer mit neugierig staunenden Augen betrachtet wurde: nämlich ein Fortepiano. Drei oder vier rohgearbeitete Holz- und Rohrstühle, der Tisch, dessen Platte ein früherer Kistendeckel bildete, und mehrere Kasten mit Schlössern und Fächern, auf denen das wenige Küchengeräth aufgestellt war, füllten den übrigen Raum, und Sechingen, als er das Alles eine Zeitlang betrachtet hatte, wandte sich endlich zu seinem Wirth, der eben wieder einen tüchtigen, lang gehauenen Hickoryklotz in's Feuer trug, und fragte, noch immer etwas schüchtern:

      »Ist denn dieses wirklich der einzige Raum, den Sie mit Ihrer ganzen Familie bewohnen?«

      »Nein,« sagte Klingelhöffer, »hier neben an steht noch ein kleines, sogenanntes Rauchhaus, wo wir unser Fleisch und Fett, die Kartoffeln, etwas zu Brod ausgesuchten Mais und andere zum Hausstand nöthige Sachen aufbewahren.«

      »Und hier in diesem einzigen Zimmer wohnen und schlafen Sie?«

      »Nun, ist das nicht genug?« lachte der Farmer, »da sollten Sie einmal hier sein, wenn Gerichtstag ist, und wir noch zwei oder drei Nachbarn und ein paar Advokaten zu bewirthen und unterzubringen haben, dann geht's freilich eng her.«

      »Die schlafen doch nicht mit in diesem Hause?«

      »Wo denn sonst? Alle mit einander.«

      »Das ist ja aber ganz unmöglich!«

      »Unmöglich?« lachte der Farmer, »unmöglich?« wiederholte er kopfschüttelnd – »das ist ein Wort, was wir hier in Arkansas nicht kennen; unmöglich ist gar Nichts auf der Welt, sobald es nur uns selbst und unser eigenen Bedürfnisse betrifft.«

      »Sie Beide, mit Ihren drei Kindern (und die beiden Mädchen da draußen können kaum noch Kinder genannt werden), schlafen und wohnen wirklich fortwährend in diesem Zimmer? entbehren alle Bequemlichkeiten, die man sich sonst bei einem Wohn- und Schlafzimmer als unentbehrlich denkt, und existiren so gewissermaßen im Freien, auf offener Straße?«

      »Ja, ja,« lachte Klingelhöffer, »und das ist noch gar nichts, jetzt haben wir doch Dach und Fach, werden nicht naß, wenn es draußen regnet, und können, wenn es kalt wird, ein Feuer anmachen, ohne dabei fürchten zu müssen, daß uns der Wind die Funken und Kohlen über das Bettzeug wegtreibt, wie das im ersten Winter der Fall war, wo wir hierher zogen und ich das Haus erst aufbauen mußte. Meine arme Frau war noch dazu damals krank und mußte viel, sehr viel ausstehen. Doch was man gern thut, wird Einem auch leicht, und wenn wir viel, ja fast Alles von dem entbehren müssen, an das wir im alten Vaterlande gewöhnt oder durch das wir verwöhnt waren, so drückten uns auch keine von den Sorgen, die wir dort kannten; wir arbeiten Beide, und dafür vermehrt sich auch unser Wohlstand und ich bin jetzt schon im Stande, das nächste Jahr ein bequemeres und geräumigeres Wohnhaus aufzuführen; bis dahin muß dies freilich noch ausreichen.«

      »Ja, daß Sie das Alles mit leichtem Muth ertragen können,« rief Sechingen »finde ich sehr begreiflich! des drückenden europäischen Zwanges enthoben, fühlt sich der Mann, auch wohl unter schlimmeren Verhältnissen, kräftig genug, Alles zu bestehen und zu überwinden, was ihm hemmend in den Weg tritt. Die schwache Frau aber, zarte Kinder, in solcher Wildniß, den rauhen Stürmen der Jahreszeit, all den Entbehrungen eines Lebens auszusetzen, das doch nur eigentlich für einen Indianer passend scheint, da – da weiß ich denn doch nicht, ob ich so etwas über's Herz bringen könnte. Wenn nun die Frau krank wird und das Heimweh bekommt, und sich ewig und ewig fortsehnt, zurück nach den verlassenen, glücklicheren Verhältnissen?«

      »Lieber Herr von Sechingen,« entgegnete ihm freundlich Klingelhöffer, indem er seine Hand ergriff, »wenn die Frau ihren Mann recht herzlich lieb hat, dann wird sie sich schon nicht von ihm fortsehnen, weil sie Bequemlichkeiten entbehren muß, an die sie früher gewöhnt war, im Gegentheil wird sie bei ihm bleiben wollen und alles das, was er ertragen muß, Freude wie Leid, mit ihm tragen, wie es meine Frau gethan; hat sie ihn aber nicht so recht von Herzen lieb, dann bleibt sich's auch ziemlich gleich, wo er seinen Leidenskelch leert, in der Stadt, oder im Walde. Mein liebes Weib hier ist nun einmal an mich und meine Laune gewöhnt, Gewohnheit thut viel, sie möchte mich nicht mehr entbehren, nicht wahr, Alte? und da harren wir denn schon hier im Walde zusammen aus.«

      Er reichte bei diesen Worten der lächelnden, jungen Frau die Hand hinüber, und diese erwiederte den herzlichen Druck und lehnte sich vertrauend mit ihrem Köpfchen an seine Schulter.

      »Ja, das ist Alles recht gut,« meinte Sechingen kopfschüttelnd – »Sie Beide haben sich lieb, wie sich Eheleute haben sollten, und können durch


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