Amerikanische Wald- und Strombilder. Zweiter Band.. Gerstäcker Friedrich

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Amerikanische Wald- und Strombilder. Zweiter Band. - Gerstäcker Friedrich


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sind gewissermaßen erst eine Nacht in Amerika, denn den kurzen Aufenthalt in einem der besten Hotels von New-Orleans, wie die kurze Reise auf bequemem, selbst mit jedem Luxus ausgestatteten Dampfboot, dürfen Sie gar nicht rechnen; lernen Sie also das Land erst ordentlich kennen, und ist das geschehen, dann wollen wir weiter über dieses Kapitel reden; davon aber sein Sie überzeugt, daß es gewaltige Vortheile sein müssen, die im Stande waren, einen Deutschen zu bewegen, seinem Vaterlande für immer zu entsagen.

      Nicht alle Menschen lernen übrigens diese Vorzüge einsehen, und viele von diesen schleppen dann entweder ein unglückliches Leben in dem fremden, freundlosen Lande hin, oder sie kehren in die alte, aus Unmuth oder Veränderungssucht verlassene Heimath zurück; keiner aber, der Sinn für Freiheit und Unabhängigkeit in sich trägt, wird, wenn ihn nicht Familienbande unaufhaltsam dorthin ziehen, weniger erbärmlicher, leicht zu entbehrender Bequemlichkeiten und Luxusartikel wegen den freien Wald wieder mit den Ketten des alten Vaterlandes vertauschen. Thät' er es aber doch, schmiegte er sich bloß deshalb wieder unter das, einmal gemiedene Joch, flög' er wieder in den goldenen Käfig zurück, weil er sich nicht gern im Walde, in Sturm und Regen sein Futter selbst sucht, nun dann ist das kein Verlust für Amerika, solche Leute gehören auch nicht in den Wald, sie sind Futter für Bälle und Theater.«

      »Ich weiß nicht,« meinte Sechingen kopfschüttelnd, »man braucht gerade kein Anhänger von Üppigkeit und Wohlleben zu sein, und mag doch die Überzeugung haben, seine Zeit nützlicher und angenehmer verbringen zu können, als im Walde bei einem Gewitterschauer. Mir zum Beispiel ist die Kehle wie zugeschnürt, und ich werde die Erkältung in vierzehn Tagen nicht wieder los.«

      »Glaub's wohl,« lachte Klingelhöffer, »Sie sind aber auch gleich mit dem Kopf zuerst in das Schlimmste hineingefahren; was uns hier im Walde passiren kann: Kälte, Hunger und Nässe auszustehen, ist ein freilich etwas großer Abstand gegen die reich besetzte Tafel und das warme Bett eines Dampfbootes. Doch jetzt sollen Sie, wie ich hoffe, auch einige von den Annehmlichkeiten unseres Wald- und Farmerlebens kennen lernen, und wenn diese Sie dann nicht ganz mit unserer rauhen Heimath aussöhnen, so werden sie wenigstens viel dazu beitragen, Ihnen das Leben hier nicht allein von seiner Schatten-, sondern auch von seiner Lichtseite zu zeigen. Es giebt auch im Urwald glückliche Menschen.«

      »Der Urwald verliert aber doch sehr in der Nähe,« erwiederte Sechingen, als er durch eine Spalte der Wohnung hinaus auf die, von grauen, nassen Regenwolken überhangenen Baummassen blickte, während der Wind, unheimlich pfeifend, durch ihre Wipfel brauste und ihnen die großen, klaren Tropfen aus den schwankenden Häuptern schüttelte, »ich hatte mir in mancher Hinsicht ein anderes Bild davon entworfen.«

      »Sie hatten nicht daran gedacht,« fiel ihm sein freundlicher Wirth lachend in's Wort, »daß die gewaltigen, stattlichen Bäume auch im Sumpfe stehen, oder gar quer über den Weg hin liegen könnten, und dann die Passage eher versperren, als verschönern, daß nicht allein das romantische Geheul der wilden Thiere, sondern auch das sehr prosaische Gesumme der Mosquitos den Wald erfüllt, und daß sich eine Landschaft, wo der Sturm auf den Flügeln der Windsbraut die Fläche durchsaust, wo tolle Regengüsse aus den Wolken niederfluthen und trockene Wege zu Bächen und Bäche zu Strömen werden, sehr hübsch und interessant auf der Leinwand, keineswegs angenehm aber im wirklichen Leben, in der nüchternen hausbackenen Wirklichkeit ausnehmen. Ja, das geht Manchem so, das giebt sich aber, und zuletzt lernen wir selbst die Unannehmlichkeiten eines wilden Lebens lieb gewinnen. Sehen Sie aber, wie sich der Indianer das Fortepiano betrachtet, eine solche Maschine hat er im Leben noch nicht gesehen, ich werde ihm etwas vorspielen.«

      Damit trat der Farmer zu dem Clavier, öffnete es, und präludirte ein wenig; gar wunderbarer Weise hatte sich auch das Instrument, einige Töne abgerechnet, noch ziemlich gut in Stimmung erhalten, trotz der feuchten Luft, der es fortwährend ausgesetzt war. Der Deutsche ging also nach einigen schnell gegriffenen Akkorden zu einem leichten Walzer über, und das Erstaunen Bob's, der vom Öffnen des Instrumentes an bis jetzt, starr von Überraschung und Verwunderung gestanden hatte, erreichte nun seinen höchsten Grad. Bei den immer schneller und munterer folgenden Tönen heiterten sich aber auch seine dunklen, bis jetzt fast ausdruckslos gewesenen Gesichtszüge auf, und ein Paar Reihen Zähne wurden sichtbar, die an Weiße dem frischgefallenen Schnee nichts nachgaben. Endlich schloß Klingelhöffer, und vom Stuhle aufstehend, klopfte er dem Indianer auf die Schulter und frug: »wie das klänge?«

      »Bless my soul,« sagte dieser, noch immer das früher nie gesehene, wunderbare Gestell betrachtend – »eine große Violine mit Zähnen und Beinen wie ein Bär, die das Maul aufmachen kann – Bob hat noch nie so ein Ding gesehen!«

      »Und wie gefällt es Dir?«

      »Gut – unmenschlich gut!« sagte Bob, indem er den Mund von einem Ohr bis zum andern zog.

      »Sehen Sie, hier haben Sie gleich eine Naturbeschreibung des Fortepianos,« lachte der Farmer, »der Bursche wird Wunderdinge davon erzählen, wenn er wieder nach Little Rock kommt; aber apropos, da wir von Little Rock reden, wo haben Sie denn Ihre Sachen gelassen, etwa dort?«

      »Ja, bei Charles Fischer.«

      »Nun da stehn sie ziemlich sicher, sonst ist dem Neste gerade nicht viel zu trauen; ich habe allen Respekt vor dieser Hauptstadt von Arkansas.«

      »Haben Sie von dem Staat eine eben solche Meinung, als von der Stadt?«

      »Dann blieb ich hier nicht wohnen, nein, ich halte Arkansas für den besten Staat der Union, das heißt, er ist mir der liebste, ich möchte in keinem anderen wohnen, und hoffentlich werden Sie dasselbe sagen, wenn Sie erst einmal im Lande umhergestreift sind und die verschiedenen Gegenden selbst besucht haben. Wohin gedenken Sie sich von hier aus zu wenden?«

      »Aufrichtig gesagt,« erwiederte ihm Sechingen, »so hatte ich nach dem, was ich von Herrn Fischer in Little Rock gehört, große Lust, mir irgend ein Stück Land in dieser Gegend auszusuchen, und mich darauf niederzulassen. Es ist dieß die Ursache, weßhalb ich nach Amerika ausgewandert bin, ich – ich hatte ein so gewaltiges Sehnen nach dem – nach dem Urwald; seit letzter Nacht hat sich das freilich bedeutend gegeben, und ich möchte doch nun erst die hiesigen Verhältnisse ein wenig genauer kennen lernen, ehe ich mich bleibend festsetze. Ist es Ihnen also recht, mein bester Herr Klingelhöffer, und fall' ich Ihnen nicht zur Last, so bleib ich ein paar Tage bei Ihnen, wir durchziehen dann die Nachbarschaft ein wenig, und ich kann mich im Laufe dieser Woche fester und genauer bestimmen.«

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