Eine Mutter. Gerstäcker Friedrich

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Eine Mutter - Gerstäcker Friedrich


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Leute der gräflichen Familie, wobei der alte Herr noch den Wunsch aussprach, daß sie öfter zusammenkommen möchten; die junge Frau hatte jedenfalls einen sehr günstigen Eindruck auf ihn gemacht, wie sie sich im Sturm schon Paula's Herz erobert. – Der Wagen fuhr vor, und bald rollte das leichte Fuhrwerk mit ihnen wieder in die Stadt zurück.

      8.

      Fräulein Bassini

      Eine lange Weile saßen die beiden Gatten schweigend neben einander im Wagen. Es war ordentlich, als ob sich beide scheuten, ein Gespräch zu beginnen. Endlich sagte doch Helene mit leiser Stimme:

      »Sie ist eine recht, recht stolze Frau – oh, es wird schwer halten, dieses Herz zu bezwingen!«

      »Meine arme Helene!«

      »Ob sie nicht ahnte, daß ich ihr näher stehen könnte, als sie erfuhr, daß wir aus Brasilien kämen?«

      »Liebes Herz,« sagte Felix leise, »sie weiß jetzt, daß Du ihre Tochter bist…«

      »Sie weiß es?« rief Helene erschreckt.

      »Ich habe ihr den Namen jener Frau genannt.«

      »Und doch so kalt, doch so hart!«

      »Beruhige Dich darüber, Helene,« sagte Felix freundlich; »Anderes konnten wir für diese erste Zusammenkunft kaum erwarten. Die Überraschung war zu groß – ich sah ihr an, daß sie Mühe hatte, ihre Fassung zu bewahren, was sie allerdings mit einer mir selber unerklärlichen Seelenstärke möglich machte. Laß ihr jetzt Zeit, das Gehörte still und allein, und von keinen äußeren Eindrücken gestört, zu überdenken. Laß sie erst mit sich selber in's Reine kommen, und sie selber wird Dich dann aufsuchen – sie muß es ja thun, wenn sie nicht jedes Gefühls bar sein sollte!«

      »Und wenn sie es nicht thut, Felix?«

      »Wozu uns jetzt mit einer Unmöglichkeit absorgen? Sie wird es sicherlich, mein Kind.«

      »Und wenn sie es nicht thut?«

      »Dann versuchen wir das Letzte, dann fordere ich für Dich eine Unterredung mit ihr – eine Ausrede, dem alten Herrn gegenüber, ist bald gefunden – und die kann und wird sie Dir nicht weigern. Dann aber ist sie auch nicht im Stande, Dir zu widerstehen, deß bin ich fest überzeugt. Liegst Du erst einmal an ihrem Herzen, dann läßt sie Dich auch nicht wieder, noch dazu, wenn sie erfährt, daß ihr Geheimniß in sicheren und treuen Händen ruht; daß Du nichts, nichts auf der weiten Gotteswelt von ihr verlangst, als ihre Liebe…«

      Der Wagen hatte indessen die kurze Entfernung zurückgelegt, und während er in den Garten einfuhr und vor dem Hause hielt, sahen sie, daß sich Jeremias schon eingefunden und mittlerweile mit den Kindern beschäftigt hatte. Er spielte Kutsche und Pferd mit ihnen, und während er die vor Vergnügen zappelnde kleine Helene auf dem Arme trug und dabei den Kiesweg entlang galoppirte, hatte ihn Günther hinten an beiden Rockschößen und rief Jüh! und Hoh! und suchte ihn bald links, bald rechts einzulenken.

      Nur wie die Eltern in den Garten einfuhren, ließ der Kleine los und sprang dem Portale zu, um der Erste zu sein, der sie begrüßte, und Helenchen streckte ihnen ebenfalls, in lautem Jubel aufkreischend, die Ärmchen entgegen, so daß Jeremias jetzt wohl oder übel seinen noch nicht unterbrochenen Galopp dorthin lenken mußte.

      »Haben Sie lange auf mich gewartet, Jeremias?« rief ihm der junge Graf entgegen.

      »Eben im Augenblick hat es erst Zwei geschlagen,« sagte Jeremias, der indessen die Kleine der Mutter hinreichen mußte, »und das wilde Völkchen hier hat mich tüchtig in Athem gehalten.«

      »Und sind Sie jetzt bereit?«

      »Wollen Sie wirklich noch mit mir gehen?«

      »Gewiß, das ist ja eine verabredete Sache – haben Sie denn die Wohnung indessen aufgefunden?«

      »Sie ist gar nicht weit von hier, gleich in der nächsten Straße.«

      »Schön, Jeremias – ich will nur meinen Überrock anziehen, und dann gehen wir zusammen.«

      Er war auch in wenigen Minuten wieder im Garten und schritt mit Jeremias, der sich unterdessen Helenen empfohlen, auf die Straße hinaus und dem bezeichneten Hause zu.

      Unterwegs wurde wenig gesprochen, Felix war noch mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt – er arbeitete gegen die Furcht an, welche heute das kalte, gefaßte Benehmen von Helenens Mutter in ihm wach gerufen, seiner armen Frau wegen, und Jeremias fühlte sich noch viel mehr von dem Gedanken dieses ersten Begegnens niedergedrückt; denn wenn es auch ein schönes und erhebendes Gefühl sein mag, einen begangenen Fehler wieder gut zu machen, eine alte, langjährige Schuld abzutragen, ist doch auch das Bewußtsein drückend, dabei einzugestehen, daß man eben schlecht und leichtsinnig gehandelt und Reue über das Vergangene fühle.

      So hatten sie, rascher als Beide selber geglaubt, die Strecke zurückgelegt, die sie von dem von Jeremias bezeichneten Hause trennte, und hier blieb der kleine Mann plötzlich stehen, drückte sich unter die Thür und sagte:

      »Mir ist genau so zu Muthe, als ob ich mir einen Zahn wollte ausreißen lassen – Hurrjeh, ich wollte, die Geschichte wäre erst vorüber!«

      »Wohnt sie hier?«

      »Ja, zwei Treppen hoch; ich habe mich genau erkundigt, bin auch gestern hier schon ein paar Mal vorbeigegangen, habe aber nichts gesehen, als einen orangefarbenen Shawl oder Morgenrock, der da oben an dem einen Fenster mehrere Male hin und wieder fuhr.«

      »Also gehen wir hinauf.«

      »Thun Sie mir den einzigen Gefallen, Herr Graf, und warten Sie noch einen Augenblick,« bat der kleine Mann, »daß ich erst noch Luft schnappen kann – mir ist die Kehle wie zugeschnürt.«

      Felix lächelte und blieb, während sich Jeremias den hellen Schweiß von der Stirn trocknete, neben ihm stehen. Endlich faßte sich dieser doch ein Herz – was half es auch, wenn er länger zögerte, geschehen mußte es doch – also vorwärts!

      »Ein Heidenglück ist's, daß Sie bei mir sind,« flüsterte er dem jungen Grafen zu, »denn allein hätt' ich's nicht zuwege gebracht. Ich wäre, hol' mich Dieser und Jener, wieder fort und erst noch einmal um die ganze Stadt gelaufen!«

      »Sie hätten vorher ein Glas Wein trinken sollen!«

      »Ich habe eine ganze Flasche getrunken,« sagte Jeremias, »nur um Courage zu kriegen, aber es hilft ja nichts – es war, als ob man Wasser auf einen heißen Stein gösse, es zischte ordentlich. Na, meinethalben, jetzt muß die Bombe platzen, und nun kommen Sie, Herr Graf, jetzt wollen wir Sturm laufen!«

      Damit öffnete er entschlossen die Hausthür und betrat den innern Raum.

      Es war ein kleines, unansehnliches Haus, altmodisch gebaut wie die meisten der älteren Häuser von Haßburg, unten mit einem mit Steinplatten belegten schmalen Vorplatz, auf dem noch eine dort aufgestellte Wäschrolle den größten Theil des Raumes in Anspruch nahm. Rechts unten wohnte ein Schuster; die Thür der Werkstatt stand, des warmen Tages wegen, offen, und man konnte den Meister mit einem Gesellen und einem Lehrling drinnen arbeiten sehen, während ein ungesunder, warmer Dunst von dort auf den kühleren Vorplatz herausdrang.

      »Wie hieß die Dame gleich?« fragte Rottack leise seinen Begleiter.

      »Bassini,« flüsterte dieser zurück.

      »Können Sie uns sagen, ob hier eine Dame Namens Bassini im Hause wohnt?« fragte der junge Graf, artig seinen Hut lüftend, in die Stube hinein.

      »Eine vom Theater?« nickte der Meister – »ja, oben, zwei Treppen hoch.«

      »Sein Sie aber so gut und putzen Sie sich erst die Stiefeln ab,« sagte eine Frau, die von der Seite her, mit einem großen Topf in der Hand, wie aus einer Coulisse heraus zum Vorschein kam, – »ich habe gerade die Treppe gescheuert.«

      Felix machte lächelnd eine zustimmende Verbeugung, nahm dann die befohlene Operation auf das Ängstlichste an einem dort liegenden, schon sehr abgetretenen Strohteller vor, und stieg nun, während Jeremias unten seinem Beispiel folgte, langsam die noch feuchten, dunstenden Stufen hinauf.

      Jeremias würde sich mit Vergnügen


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