Eine Mutter. Gerstäcker Friedrich

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Eine Mutter - Gerstäcker Friedrich


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die geöffneten Seitenfenster herein, und nur ein einzelner Sonnenstrahl stahl sich an einer Ecke vorüber und beschien eine der Coulissen, einen bemalten Leinwandbaum.

      Nur vor dem Souffleurkasten brannten die beiden Lampen, und rechts auf der Bühne, wo ein Tisch und ein paar Stühle standen, saßen der Director in einem weiten Mantel und der etwas kränkliche Regisseur in großen Filzschuhen und einem Pelze, trotz der Wärme draußen, denn die Luft war hier drinnen kellerartig und es zog fortwährend.

      Auf der Bühne gingen sehr anständig gekleidete Herren und Leute in Hemdsärmeln friedlich untereinander herum, und zwar beide Theile ihren Geschäften nach – die Einen die Darsteller, die Anderen Maschinisten, Coulissenschieber und Lampenputzer, während hinten auf der Bühne eine Dame in Hut und Schleier, ein Manuscript in der Hand, noch memorirend zwischen ihnen auf und ab wanderte und nur manchmal das Manuscript – ihre Rolle – gesticulirend ausstreckte und leise tragische Worte dazu murmelte.

      Es war Amalia, Fräulein Rottenhöfer, erste tragische Liebhaberin im Theater zu Haßburg.

      »Dritte Scene, meine Herren!« rief der Regisseur und klingelte.

      Die Schauspieler traten zusammen; die Scenerie war gestellt: die böhmischen Wälder. Es begann die Scene im zweiten Acte, wo die Räuber, nachdem sie Roller befreit, wieder zusammenkommen, und ging so ziemlich.

      Pfeffer gab den Spiegelberg; überhaupt hatten dieses Mal alle Kräfte am Theater aufgeboten werden müssen, um die zahlreichen Rollen so tüchtig als möglich zu besetzen, und die Leute gaben sich die größte Mühe. Nur wo Schwarz auftritt, mußte das Einspringen noch einmal gemacht werden.

      Jetzt wurde Roller angemeldet, aber der Hauptmann, Karl Moor, war noch nicht da; das Pferd, welches gewissenhaft in Haßburg beibehalten wurde, stand hinten in der letzten Coulisse und schien selber ungeduldig zu werden.

      Ratzmann: »Roller, Schweizer, Blitz, Donner, Hagel und Wetter!«

      »Wo ist denn Karl Moor?« rief der Regisseur, von seinem Stuhl aufspringend.

      »Eben war er noch im Conversations-Zimmer, Herr Regisseur,« sagte der Inspector, dem das Pferd vorher auf den Fuß getreten hatte und der jetzt mit gotteslästerlichen Verwünschungen hinter den Coulissen herumhinkte.

      »Aber warum ruft ihn denn Niemand? – Herr Handor, nehmen Sie mir das nicht übel, bei einem so classischen Stück…«

      »Bitte um Verzeihung!« sagte Handor, der mit finster zusammengezogenen Brauen aus der Coulisse kam und über die Bühne zu dem Pferd schritt. »Bitte, meine Herren, noch einmal das Stichwort!«

      Ratzmann wieder: »Roller, Schweizer, Blitz, Donner, Hagel und Wetter!«

      Handor hatte sich in den Sattel geschwungen und spornte sein Roß über die Bühne, das mit klappernden Hufschlägen, genau so, als ob es auf Eis ginge, vorsichtig weiter schritt.

      Räuber Moor: »Freiheit, Freiheit…!« – »Aber so lassen Sie doch das Pferd los; ich werde doch nicht sollen auf die Bühne geführt werden!«

      Die Zwischenrede galt einem der Maschinisten, der in seinem Diensteifer mit hinausgegangen war und jetzt zurücksprang.

      »Noch einmal, meine Herren, wenn ich bitten darf,« rief der Regisseur; »das Pferd muß sich gewöhnen, allein heraus zu kommen.«

      Räuber Moor lenkte mit einem halbverbissenen Fluch den alten, geduldigen und etwas kreuzlahmen Schimmel wieder um, und Ratzmann mußte zum dritten Mal das Stichwort geben.

      Jetzt ging es; der Schimmel stakte, trotz allen Anspornens, sehr vorsichtig heraus, und mit den Worten: »Du bist im Trocknen, Roller; führ' meinen Rappen ab, Schweizer, und wasche ihn mit Wein!« sprang Karl Moor aus dem Sattel.

      »Herr Handor,« rief der Regisseur, wieder aufstehend, »ich habe Sie früher darauf aufmerksam gemacht, daß Sie einen Schimmel reiten.«

      »Der Rappe steht in der Rolle,« sagte Handor ärgerlich.

      »Ja, allerdings, aber wir haben nun einmal keinen Rappen, und ich kann das Pferd doch nicht, nur des einen unwesentlichen Wortes wegen, schwarz anstreichen lassen.«

      »Gut, so »führ' meinen Schimmel ab, Schweizer, und wasche ihn mit Wein«.«

      »Hat sich auch mordmäßig angestrengt,« flüsterte der eine Lampenputzer, als Schweizer mit einiger Schwierigkeit das Thier zum Weitergehen bewog.

      Die nächste Scene ging jetzt so ziemlich; Karl Moor schien aber in einer gereizten Stimmung und nahm, während die Räuber ihre Heldenthaten erzählten, gar keine Notiz von ihnen. Als aber Schufterle (Horatius Rebe) an zu sprechen fing, stampfte er ein paar Mal ungeduldig mit dem Fuß und brummte dann seine Zwischenrede so leise in den Bart, daß Schufterle kaum das Stichwort verstehen konnte.

      »Etwas lauter, Herr Handor, wenn ich bitten darf,« sagte der Regisseur, indem er sein Buch gegen das auf dem Tisch stehende Licht hielt.

      »Dann, bitte, sagen Sie auch Herrn Rebe, daß er seine Rolle mit einigem Verstand spielt,« bemerkte Handor; »das Publikum muß ja lachen!«

      »Ich habe nichts Auffälliges bemerkt,« erwiderte der Regisseur; »bitte, Herr Rebe, sagen Sie Ihre Worte noch einmal.«

      Rebe that so und kam zu dem Schlußsatze: »Armes Thierchen, sagt' ich, Du verfrierst ja hier, und warf's in die Flammen.«

      »Ganz gut,« nickte der Regisseur.

      »Es ist ja nicht zum Ansehen,« rief Handor gereizt; »bei den Worten: »und warf's in die Flammen« stehen Sie ja wie ein Stock!«

      »Bitte um Entschuldigung, Herr Handor,« sagte Rebe ruhig, »erstlich markiren Sie gar nicht, und man weiß nicht, ob Sie mit uns oder mit dem Souffleur reden…«

      »Herr, was unterstehen Sie sich!«

      »Von Unterstehen kann hier gar keine Rede…«

      »Meine Herren, bitte um keinen Zank auf der Probe; was wünschen Sie, Herr Handor, das Herr Rebe thun soll?«

      »Sich regen, den Arm hinauswerfen, wenn er die Worte sagt: »und warf's in die Flammen«. Er muß seinem Mitspieler eine Andeutung geben.«

      »Ich glaubte, Sie brauchten nur das Stichwort,« sagte Rebe ruhig; »zum Telegraphiren eignet sich die Rolle nicht.«

      »Herr,« rief Handor gereizt, »für einen Menschen, der kaum einen Stuhl hinaustragen kann, ist diese Antwort einem Künstler gegenüber unverschämt!«

      »Herr Handor…«

      »Herr Handor,« rief auch der Regisseur, von seinem Stuhl aufspringend, »entweihen Sie die Kunst nicht durch solche Reden; Sie haben sich überhaupt gegen das Bühnenreglement vergangen, und ich muß Sie in Strafe nehmen!«

      »Nennen Sie denn das eine Probe,« rief Handor heftig, »wenn ich nicht einmal Statisten zurechtweisen darf, wie sie sich zu benehmen haben?«

      »Herr Handor,« rief aber jetzt auch Rebe gereizt, »ich werde Ihnen nach der Probe sagen, was ich von Ihnen denke – hier füge ich mich den Gesetzen!«

      »Meine Herren,« bat der Regisseur, »Sie gehen mir zu sehr in den Charakter Ihrer Rollen ein, und es ist nur ein Glück, daß Ihnen der Requisiteur noch nicht die Dolche und Pistolen geliefert hat. Bitte, noch einmal das Stichwort – Herr Rebe, Ihres mein' ich – »und warf's in die Flammen«.«

      Rebe gehorchte ziemlich mürrisch dem Befehle und Handor ärgerte ihn noch mehr dadurch, daß er die Worte: »Fort, Ungeheuer, laß dich nimmer unter meiner Bande sehen!« mit ganz besonderer Betonung sprach. Es war aber für den Augenblick nichts dagegen zu machen und er mußte abgehen, während Karl Moor seinen späteren Monolog mürrisch und in den Bart hinein sprach.

      Schufterle kam von da an nur noch ein einziges Mal vor und hätte weggehen können; aber er blieb, um das Ende der Probe abzuwarten, wo aber noch einmal ein Streit vorfiel, und zwar mit der ersten tragischen Liebhaberin selber.

      In der Scene zwischen Karl Moor und Amalia, wo Handor sehr zerstreut spielte – wie er denn überhaupt nach des sehr gewissenhaften Regisseurs Ausspruch heute gar nicht bei der Sache war –, hatte er bei den Worten: »Wie, mein


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