Eine Mutter. Gerstäcker Friedrich

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Eine Mutter - Gerstäcker Friedrich


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Perlen ihr die Haut ritzten.

      Die Dame wurde heftig und behauptete, daß er sie in der Scene gar nicht anfassen dürfe, und er erwiderte ihr ziemlich kurz, ob sie glaube, daß er den Charakter seiner Rolle nicht verstehe; übrigens wolle er ihr die Perlen bezahlen.

      Es gab dann noch einen Auftritt, wo sich der Director selber in's Mittel legen mußte, denn Fräulein Rottenhöfer erklärte, nicht mit einem so rohen, ungebildeten Menschen spielen zu wollen.

      Handor murmelte ein Wort zwischen den Zähnen durch, das wie »Gans« klang und keinesfalls in seiner Rolle stand, wonach die Dame denn nichts Besseres thun konnte, als in Ohnmacht zu fallen.

      Daß Handor durch dies Alles nicht in die beste Laune gerieth, läßt sich denken, und die wurde nicht erhöht, als die Probe, welche heute fast bis zwei Uhr gedauert hatte, endlich vorüber war und er vor dem Theater auf Rebe traf, der ruhig zu ihm hinging und ihn anredete:

      »Herr Handor, auf ein Wort.«

      »Was wollen Sie?« fragte der erste Liebhaber kurz.

      »Nichts weiter, als Genugthuung für Ihre Beleidigung heute.«

      »Genugthuung?«

      »Sie verstehen doch, was ich damit meine.«

      »Sie sind ein Narr, Rebe!« sagte Handor und wollte sich von ihm abdrehen. So wohlfeilen Kaufes kam er aber nicht davon.

      »Dann erkläre ich Sie für einen feigen Lump, Herr Handor!« sagte der junge Mann, der kreidebleich vor innerer Aufregung geworden war und vor Wuth zitterte.

      Handor biß die Zähne zusammen.

      »Gut, Sie sollen Ihre Genugthuung, wie Sie's nennen, haben, Sie verdienen eine Züchtigung, aber nicht jetzt. Sie wissen, was wir in nächster Woche vorhaben; die Vorstellung des »Hamlet« dürfen wir nicht stören, wenn Sie auch vielleicht entbehrt werden könnten. Nach dem »Hamlet« stehe ich Ihnen zu Diensten.«

      »Gut denn, also nach der Vorstellung oder am nächsten Morgen.«

      Handor nickte nur, drehte ihm den Rücken zu und ging die Straße hinunter.

      Gerade am Theater vorüber war Pfeffer gekommen, und wenn auch noch nicht nahe genug, um die Worte zu verstehen, hatte ihm doch der Sinn nicht gut entgehen können.

      »Das ist recht, Herr Horatius Cocles,« sagte er, während er vor ihm stehen blieb und ihn starr ansah, »das wäre allerdings die leichteste Manier, Jemandes Rollen zu bekommen, wenn man ihn einfach todtschießt. Sind Sie denn ganz des Teufels, Mensch, und wollen Sie sich mit Gewalt Ihre Carrière verderben?«

      »Herr Pfeffer!«

      »Ach was, Pfeffer hin, Pfeffer her, es pfeffert sich was! Wo wollen Sie denn hin, wenn man Ihnen hier den Contract kündigt?«

      »Meine Ehre gilt mir höher als mein Leben!« rief der junge Mann stolz.

      »Puh, so viel dafür!« rief der alte Mann verächtlich; »wenn Ihnen so ein Lump Ihre Ehre nehmen kann, so wär's nicht der Mühe werth, sie aufzuheben! Und all' das andere Unheil, welches Sie nachher anrichten – heh?«

      »Andere Unheil?« sagte Rebe traurig. »Haben Sie mir nicht selber Ihr Haus verboten, Herr Pfeffer, und glauben Sie, daß außerdem auch wohl ein einziges Auge naß würde in ganz Haßburg, wenn ich – von hier fortginge oder stürbe?«

      »Puh!« sagte Pfeffer wieder, sah eine Weile vor sich nieder, schob dann beide Hände in seine Taschen und schritt der eigenen Wohnung zu.

      Fürchtegott Pfeffer stieg auch direct hinauf in sein eigenes Zimmer und lief dort, ohne den Hut abzunehmen, die Hände auf den Rücken gelegt und aus Leibeskräften vor sich hin pfeifend, in dem kleinen Gemache mit einer wahren Vehemenz auf und ab. Sein Spaziergang war dabei ein keineswegs unbehinderter, denn überall lag bald ein Haufen Manuscripte, bald Bücher und Zeitungen, die ihm kein Mensch anrühren durfte, im Wege. Unverdrossen stieg er aber über das Alles weg, herüber und hinüber, und war so mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt, daß er gar nichts weiter hörte noch sah.

      »Was mag nur der Onkel heute haben?« sagte Jettchen, die mit eisernem Fleiß an ihrer Arbeit saß. Zu jenem, zu Ehren des Erbprinzen bestimmten Balle hatte sie nämlich eine solche Masse von Aufträgen bekommen und Bestellungen auf Blumen waren so von allen Seiten eingelaufen, daß das arme Kind schon die ganze Nacht durcharbeiten mußte, um nur Alle zu befriedigen und ja keine Kunden zu verlieren. Du lieber Gott, im Sommer, wo der Schöpfer ja da draußen seine herrlichen, frischen und duftenden Blumen wachsen ließ, war die Arbeit überdies nur sehr spärlich und der Verdienst so klein – da durfte man sich schon eine so glückliche Gelegenheit nicht entgehen lassen!

      Die Mutter lag wieder auf dem Sopha; sie befand sich etwas besser heute, war aber noch immer sehr schwach und angegriffen.

      »Ich weiß es nicht,« sagte sie leise; »wahrscheinlich wieder ein Ärger auf der Probe.«

      »Wenn er so pfeift, ist er immer sehr böser Laune,« seufzte Jettchen; »aber jetzt kommt er ja gar nicht von der Probe; er war doch vorhin schon zum Essen da, und hat in den letzten Acten nichts zu thun.«

      »Laß ihn nur, mein Kind,« lächelte die Frau wehmüthig; »bei solchen Gelegenheiten pfeift er sich gewöhnlich ordentlich aus, und nachher ist er wieder guter Laune; nur stören darf man ihn nicht darin.«

      »Es ist doch auch wirklich ein leidiges Leben beim Theater,« sagte das arme Mädchen leise; »immer nur Ärger und Streit, als ob die Leute gar nicht friedlich neben einander leben könnten, und Abends, wenn dann die Lichter angezündet sind, merkt man gar nichts davon und Alles schwelgt in Glanz und Freude.«

      »Es ist Alles falsch, mein Herz,« nickte die Mutter leise vor sich hin, »Alles; aber nicht allein auf dem Theater, Kind, wo sie sich draußen aus der Bühne vor dem Publikum in den Armen liegen und sich hinter den Coulissen nachher alles gebrannte Herzeleid anthun – im wirklichen Leben machen sie's auch nicht viel besser. Vor der Welt, die da das Publikum ist, ja, da glänzt und schimmert Alles, und hinter den Coulissen – das heißt im eigenen Hause, im eigenen Familienkreise, worin erst recht Liebe und Freundschaft, Friede und Eintracht herrschen sollten – da säet der böse Feind sein Unkraut aus, und Jammer und Elend sind die Folgen.«

      »Aber bei uns doch nicht, Mama,« sagte herzlich das junge Mädchen.

      »Nein, Kind, bei uns nicht,« seufzte die Frau, deren Erinnerungen weit zurückgeschweift waren. »Wir, mein Herz, erscheinen aber auch nicht mehr draußen vor dem Publikum, vor der Welt; wir haben uns hier unsere kleine Welt gegründet und – Erfahrung genug im Leben gesammelt, um uns die nicht selber muthwillig zu zerstören. Gebe nur Gott, daß uns die Welt da draußen eben so wenig beachtet, wie wir sie!«

      Henriette schwieg und wandte langsam den Kopf zur Seite, daß die Mutter, wenn sie zufällig einmal herübersah, nicht die verrätherische Thräne bemerken sollte, die ihr im Auge blitzte; sie wäre ja sonst noch trauriger geworden.

      »Na, Guste, wie geht's?« sagte plötzlich Pfeffer, der den Kopf in die Thür steckte. »Ein bischen besser?«

      »Ich danke Dir, Fürchtegott; komm doch herein.«

      »Ich rauche.«

      »Die Fenster stehen ja auf, da thut mir der Rauch nicht weh.«

      »Hm,« sagte Pfeffer, der jetzt in's Zimmer trat, die Thür hinter sich zuzog und dann zum Sopha ging. »Du siehst immer noch höllisch angegriffen aus – und der Heidenlärm da draußen! Wenn ich nur dem einen Kerl mit seiner Mordgeschichte den Hals umdrehen könnte, nachher wär' ich zufrieden.«

      »Ja, Onkel,« lächelte Henriette, »Und dann würde die Polizei kommen und Dich einsperren und köpfen lassen, und nachher malte dann ein Anderer Deine Geschichte, und die würde dann auch abgesungen, von dem furchtbaren Halsabdreher Fürchtegott Pfeffer.«

      »Was die Mamsell nicht weiß!« sagte der Onkel, indem es ihm aber doch wie ein Lächeln über das Antlitz zuckte; »hol' mich Dieser und Jener, Thierquälerei wird bestraft, aber Menschenquäler dürfen überall frei umherlaufen und haben sogar noch die Unverschämtheit, Geld dafür einzu– aber alle Teufel,« unterbrach er sich überrascht, als er, während


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