Das Eulenhaus. Eugenie Marlitt

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Das Eulenhaus - Eugenie Marlitt


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abgenutzte Holzstiele, und zur Schonung des Tischtuches lag eine Wachstuchdecke inmitten des Tisches – alles schlicht bürgerlich und ängstlich sparsam, wenn auch von blinkender Sauberkeit.

      Das hatte er im Vorübergehen gesehen, und es war gut so. Da konnte von keiner Komödie die Rede sein, der ganze Zuschnitt des Hauswesens bewies ein zielbewußtes »Sicheinleben« in die gegebenen Verhältnisse. Er mußte nun wissen, daß sie es ernst gemeint mit ihrer Flucht.

      7

      Das herzogliche Haus besaß verschiedene Schlösser innerhalb des Landes, schöne, altertümliche Schlösser mit herrlichen Gärten und großartigen Parkanlagen, aber sie lagen meist in der Nähe von Städten oder auf dem flachen Lande, wo die Parkwege auf weite Ackerflächen mündeten und der Wald so fern begann, daß er nur wie ein dunkler Pinselstrich den Horizont säumte. Die Vorfahren hatten die sonnige Ebene geliebt und wenn die meisten auch leidenschaftliche Jäger gewesen und um der Pirsch willen oft wochenlang in den Forsten verblieben waren, so hatten doch einige da und dort verstreute, anspruchslose kleine Jagdhäuser für Nachtquartier und ein einfach zubereitetes warmes Essen genügt.

      Da war nun freilich der Altensteiner Geroldshof mit seiner Waldnähe und kräftigen Bergluft eine kostbare Erwerbung des Herzogs, der man im Lande allgemein zustimmte. Für die drei jungen, zarten Prinzen, die Söhnchen des Regierenden, und die äußerst schwache Gesundheit seiner Gemahlin war ein solch stärkender Aufenthalt im heißen Sommer nur zu wünschen, und deshalb begriff man auch vollkommen den Feuerreifer, mit welchem der Geroldshof zur Aufnahme seiner fürstlichen Bewohner hergerichtet wurde. Die junge Herzogin selbst trieb mit leidenschaftlicher Heftigkeit zur Eile. Kein Bad, kein Klimawechsel hatten ihre sinkende Kraft neu zu beleben vermocht, nun erhoffte sie alles von dem Aufenthalt im Walde. Deshalb wurden auch auf Befehl des Herzogs sämtliche Baulichkeiten nur äußerlich aufgefrischt, kein Mauerstein durfte verrückt, keine Gartenanlage verändert werden, und als man Seiner Hoheit einen Entwurf zu einem stilvollen Brunnenbecken an Stelle des zwar schön gearbeiteten, aber doch zu »dorfmäßigen« Steintroges im Hofe vorgelegt, da hatte er ihn stirnrunzelnd verworfen und befohlen, daß der Brunnen bleibe wie er sei. Geradezu erzürnt aber war er gewesen, als er erfahren hatte, daß man das Goldregen- und Syringengesträuch in den Hofwinkeln mit Stumpf und Stiel ausgerissen habe, um für die verdüsterten Zimmer der Hofdamen Licht zu schaffen, und scheele Gesichter gab es unter den Hofbediensteten auch, als der Herzog den alten Friedrich Kern, der zuletzt Kutscher, Gärtner und Diener in einer Person bei dem letzten Altensteiner Herrn gewesen war, zum Kastellan auf dem Geroldshofe ernannte. Seine Hoheit meinte mit Recht, daß solch ein treuer Diener der beste Hüter seines neuen Besitzes sei.

      So war dem Geroldshofe sein Äußeres nahezu verblieben und auch im Innern war so manches wertvolle Einrichtungsstück, welches der Herzog durch dritte Hand hatte ankaufen lassen, wieder an seinen alten Platz gekommen, so die alte prachtvolle Meißener Porzellangarnitur mit ihren Armleuchtern, ihrem vielbewunderten Kronleuchter in einem der schönen Salons, so die Rokokomöbel, welche die Initialen und das Wappen der Altensteiner, in Perlmutter und Silber reich ausgeführt, auf ihren Platten und Flächen tragen.

      Tag und Nacht war fieberhaft auf dem Geroldshofe gearbeitet worden, und die Bahnzüge hatten pünktlich gebracht, was Paris und Wien an Möbeln und Ausschmückungsgegenständen lieferten. So war es möglich geworden, daß der Hof zu Ende Juli in das Paulinental übersiedeln konnte.

      Im Eulenhaus ging inzwischen auch so manche Veränderung vor sich. Heinemann hatte ausgezeichnete Geschäfte gemacht, und eines Tages hielt ein Wagen vor der Gartentür, und das, was Bienen- und Nonnenfleiß zusammengetragen, stieg aus der Nacht der Erdentiefe an Gottes freies Sonnenlicht und ging hinaus in die Welt, um der Menschheit dienstbar zu werden. Und als danach Heinemann eine hübsche Anzahl großer Banknoten auf den Tisch vor seiner jungen Herrin niederlegte, da meinte er mit seinem treuherzigen Augenblinzeln, nun dürfe man auch die Butter auf die Bemmchen zum Tee ein bißchen dicker streichen und ein größeres Stück Fleisch in den Kochtopf tun, von den neuen Vorhängen gar nicht zu reden, die doch nun angeschafft werden müßten, weil ja jetzt so viele Augen von der Straße her nach der guten Eckstube guckten.

      Die drei kleinen Prinzen waren mit Gefolge und Dienerschaft zuerst nach dem Geroldshofe übergesiedelt, und der Weg an dem Eulenhaus hin mußte ihnen wohl ganz besonders gefallen; denn täglich kamen sie vorüber. Das war nun freilich eine unbezahlbare Augenweide für das strickende alte Mamsellchen am Eckfenster, dies junge fürstliche Blut, auf schmucken Ponnys dahertrabend; und fast ebenso schön war es, wenn die prachtvolle Kutsche aus Neuhaus in Sicht kam; die konnte man sich doch in aller Ruhe und Bequemlichkeit ansehen, denn sie fuhr langsam, ganz langsam. Im Rücksitz saß die schöne Frau von Berg und hatte das arme, kleine Gespenstchen, das hinterlassene Töchterchen der Prinzessin Katharina, auf dem Schöße, und Baron Lothar fuhr sein krankes Kind selber.

      Heinemann dagegen war stets eifrig mit seinen Rosenbäumen beschäftigt, wenn der Wagen sichtbar wurde; dann hörte und sah er nicht und wendete der Straße beharrlich den Rücken, denn das korpulente Frauenzimmer, das sich da auf die Seidenkissen »hinprätzelte«, als sei sie die Prinzessin selber, war ihm ein Greuel. Hatte er doch mit eigenen Augen gesehen, daß sie, als seine Herrin im weißen »Sonntagskleide«, schön wie ein Engel, am Geländer droben gestanden, den Kopf so schnell weggedreht hatte, als sei ihr eine giftige Kröte in das dicke Milchgesicht gesprungen. Und hatte sie nicht gleich beim Vorüberkommen das liebe, alte Haus da im Garten mit dem Augenglas höhnisch beguckt und ihn, den alten Heinemann, von oben bis unten hochmütig gemessen, als solle und müsse er gleich auf der Stelle seinen alleruntertänigsten Kratzfuß vor ihr machen? Ja, da konnte sie warten!

      Etwas ganz anderes war’s freilich, wenn der Neuhäuser auf seinem schönen Fuchs dahergeritten kam. Da wurde die schönste Rose am Stock erbarmungslos abgeschnitten und dem Reiter, der sie stets in sein Knopfloch steckte, über den Zaun hingereicht. Und Heinemann bekannte ehrlich, er begreife seinen eigenen, alten Dickkopf nicht mehr; aber mit dem besten Willen könne er gar nicht mehr so erbost auf den Neuhäuser sein; er gucke ihm eigentlich für sein Leben gern in die feurigen, herrischen Soldatenaugen, wenn er so vom Pferd herunter über den Zaun weg mit ihm spreche.

      Beate war auch schon einigemal im Eulenhaus gewesen. Sie kam stets zu Fuß und blieb auf ein Kaffeestündchen; und so verschlossen sie auch sonst war in bezug auf das, was ihre Seele bewegte, das gestand sie doch wiederholt ein, daß sie sich die ganze Woche auf diese Besuche freue. Dann saßen die beiden Pensionsschwestern bei einer Tasse Kaffee auf der »Zinne« und die kleine Elisabeth spielte und sprang um sie her. Und wenn auch Herr von Gerold sich nie entschließen konnte, hinabzugehen und den Besuch zu begrüßen – er schüttelte sich stets, wenn er an die Begegnung im Treppenhause des Geroldshofes dachte – so sah er doch von dem Fenster seiner Glockenstube aus, wie behaglich sich sein Kind auf Tante Beates Schoß schmiegte, wie es zärtlich die großen, braunen Hände streichelte und sich von ihnen ein Butterbrot streichen ließ. – Baron Lothar fuhr dann pünktlich gegen Abend vor, um die Schwester abzuholen. Heinemann mußte bei den Pferden bleiben, während der Neuhäuser die Damen auf der »Zinne« begrüßte und auch wohl in die Glockenstube hinaufstieg, um dem Einsiedler einen guten Abend zu bieten.

      Nun waren die höchsten Herrschaften im Geroldshofe eingezogen, und die farbenleuchtende Flagge wehte hoch über dem First des Hauses. Die Dorfleute hatten am Wege gestanden und sich schier zu Tode gewundert über die Pracht und Herrlichkeit der vorbeisausenden herzoglichen Equipagen und »das Menschenvolk«, das in minder schönen Wagen nachkam. Da blieb doch gewiß kein Kämmerchen leer im Geroldshofe! Aber das Altensteiner Gutshaus war ein gewaltiger Bau; hatten doch alle Generationen an dem alten Stammsitz je nach Bedürfnis weitergebaut und verschönert. Seinem Umfang und den architektonischen Schönheiten nach konnte man ihm ohne Bedenken die Bezeichnung »Schloß« geben.

      Die Nachmittagsonne lief schräg über seine imposante, von zwei achteckigen Türmen abgeschlossene Stirnseite und durch die hohen, weit offenen Fenster schlug die Luft, Nadelholzdüfte und kräftige Waldfeuchte im Atem, in das Haus herein – eine köstliche Luft! »Mein Gesundbrunnen! « sagte die junge Herzogin Elise inbrünstig mit ihrer leisen, belegten Stimme.

      »Hier werde ich wieder dein flinkes Reh, deine muntere Liesel, gelt, Adalbert?« sagte die junge, fürstliche Frau und suchte mit zärtlichem Aufblick die Augen des


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