Der Chevalier von Maison-Rouge. Александр Дюма

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Der Chevalier von Maison-Rouge - Александр Дюма


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Abendbrot

      Als Maurice mit Dirmer und Geneviève in de Speisesaal trat, der in dem Hauptgebäude lag, wohin man ihn am Anfang geführt hatte, war das Abendbrot aufgetragen, aber der Saal noch leer.

      Er sah nach und nach alle Gäste, sechs an der Zahl eintreten.

      Es waren insgesamt Männer von angenehmen Aeußerem, meistens jung, nach der Mode des Tages gekleidet, und zwei oder drei hatten sogar die Carmagnole um die rothe Mütze.

      Dirmer stellte ihnen Maurice vor und nannte sein Titel und Eigenschaften.

      Dann wandte er sich gegen Maurice und sprach:

      »Sie sehen, Bürger Lindey, Sie sehen hier alle Personen, die mich in meinem Gewerbe unterstützen; in Folge der Zeitläufe, in Folge der revolutionären Grundsätze, welche die Entfernung ausgehoben haben, leben wir Alle auf dem Fuße der heiligsten Gleichheit. Alle Tage vereinigt uns zweimal derselbe Tisch und ich bin glücklich, daß Sie die Güte haben, unser Familienmahl zu theilen. Auf, zu Tische, Bürger, zu Tische.«

      »Und. . . und Herr Morand,« sagte schüchtern Geneviève, »warten wir nicht auf ihn?«

      »Ah! es ist wahr,« antwortete Dirmer. »Der Bürger Morand, von dem ich Ihnen schon gesprochen habe, Bürger Lindey, ist mein Associé. Er ist, wenn ich so sagen darf, mit dem moralischen Theile des Hauses beauftragt; er besorgt die Schreibereien, führt die Kasse, ordnet die Rechnungen, gibt und empfängt das Geld und hat deshalb m meisten Geschäfte von uns Allen. Daher kommt es, daß er zuweilen länger ausbleibt. Ich will ihn benachrichtigen lassen.«

      In diesem Augenblick öffnete sich die Thür und der Bürger Morand trat ein.

      Es war ein Mann von kleinem Wuchse, braun, mit dicken Augenbrauen; eine grüne Brille, wie sie die Menschen tragen, deren Gesicht durch die Arbeit angestrengt ist, verbarg seine schwarzen Augen, verhinderte aber den Funken nicht, hervorzuspringen. Bei den ersten Worten, die er sprach, erkannte Maurice die zugleich sanfte und gebieterische Stimme, welche beständig bei der furchtbaren Berathung, die ihm beinahe das Leben gekostet hätte, für das mildere Verfahren gewesen war; er trug einen braunen Frack mit großen Knöpfen, eine Weste von weißer Seide, und sein ziemlich feiner Jabot wurde häufig während des Abendbrotes von einer Hand geplagt, deren Weiße und Zartheit, ohne Zweifel, weil es die eines Lederhändlers war, Maurice ungemein bewunderte.

      Man nahm Platz. Der Bürger Morand wurde zur Rechten von Geneviève, Maurice zu ihrer Linken gesetzt; Dirmer setzte sich seiner Frau gegenüber; die andern Gäste nahmen ohne zu wählen ihren Posten um eine längliche Tafel.

      Das Abendbrot war ausgesucht: Dirmer hatte de Appetit eines Gewerbsmannes und machte mit viel Herrlichkeit die Honneurs seines Tisches. Die Arbeiter, oder diejenigen, welche für solche galten, leisteten ihm in dieser Hinsicht gute Gesellschaft. Der Bürger Morand sprach wenig, aß noch weniger, trank beinahe nichts, und lacht selten. Maurice fühlte bald, vielleicht wegen der Erinnerungen, die seine Stimme wieder erregte, eine lebhaft Sympathie für ihn; nur war er im Zweifel über sei Alter, und dieser Zweifel beunruhigte ihn; bald hielt er ihn für einen Mann von vierzig bis fünf und vierzig Jahren, bald für einen ganz jungen Menschen.

      Dirmer hielt sich, als sie sich zu Tische setzten, für verbunden, seinen Gästen eine Art von Grund für die Zulassung eines Fremden in ihren kleinen Kreis anzugeben.

      Er entledigte sich dieser Verbindlichkeit als ein naiver und wenig an das Lügen gewöhnter Mann. Doch die Gäste schienen nicht sehr schwierig in Beziehung auf Gründen zu sein, denn trotz aller Ungeschicklichkeit, mit der der Lederhändler hierbei zu Werke ging, befriedigte seine kleine Einführungsrede Jedermann.

      Maurice schaute ihn erstaunt an und sprach in seinen Innern:

      »Bei meiner Ehre, ich glaube, ich täusche mich. Ist dies derselbe Mann, der mich vor drei Viertelstunden mit glühendem Auge und drohender Stimme, einen Carabiner, in der Hand, verfolgte und durchaus tödten wollte? In jenem Augenblick hätte ich ihn für einen Helden oder für einen Mörder gehalten, Alle Wetter! wie die Liebe zum Ledergeschäft einen Menschen verwandelt?«

      Es walteten in der Tiefe des Herzens von Maurice während er alle diese Bemerkungen machte, ein Schmerz und eine Freude, beide so tief, daß der junge Mann sich nicht hätte genau sagen können, was die Lage seiner Seele war. Er befand sich endlich wieder bei der schönen Unbekannten die er so sehr gesucht: sie hatte, wie er es sich zuvor geträumt, einen süßen Namen. Er berauschte sich indem Glück, sie an seiner Seite zu fühlen; er verschlang ihre geringsten Worte, und der Ton ihrer Stimme, so oft sie erklang, machte die geheimsten Saiten seines Herzens vibriren. Doch dieses Herz war gebrochen durch das, was er sah.

      Genevièvewar wohl so, wie er sie im Helldunkel erblickt: jenen Traum einer stürmischen Nacht zerstörte die Wirklichkeit nicht. Es war wohl die zierliche Frau mit dem traurigen Auge, mit dem erhabenen Geist. Es war wohl, was sich so oft in den letzten Jahren, die dem berüchtigten Jahre 93, in welchem man sich befand, vorhergegangen, ereignet hatte, es war wohl das Mädchen von Rang, wegen des immer tieferen Ruins, in den der Adel versunken, genöthigt, eine Verbindung mit dem Bürgerthum, mit dem Handel einzugehen. Dirmer schien ein braver Mann zu sein; er war unzweifelbar reich; sein Benehmen gegen Genevièvewar sichtbar das eines Menschen, der sich die Ausgabe stellt, eine Frau glücklich zu machen. Aber diese Gutmüthigkeit, dieser Reichthum, diese vortrefflichen Absichten, konnten sie die ungeheure Kluft ausfüllen, welche zwischen der Frau und dem Mann, zwischen dem poetischen, ausgezeichneten, reizenden Mädchen und dem Mann mit den materiellen Geschäften und dem gemeinen Aussehen befestigt war? Mit welchem Gefühle füllte Geneviève diese Kluft aus?. . . Ach! der Zufall sagte es um Maurice hinreichend, mit der Liebe. Und er mußte wohl auf die erste Meinung, die er von der jungen Frau gehabt, zurückkommen, nämlich auf die, daß sie an dem Abend, wo er ihr begegnet war, von einem Liebesrendezvous nach Hause kehrte.

      Der Gedanke, daß Geneviève einen Mann liebe, marterte das Herz von Maurice.

      Dann seufzte er, dann beklagte er es, daß er gekommen war, um eine noch stärkere Dose von dem Gifte zu nehmen, das man Liebe nennt.

      In anderen Augenblicken, wenn er die so sanfte, so reine, so harmonische Stimme hörte, wenn er diesen so durchsichtigen Blick befragte, der nicht zu befürchten schien man könnte durch ihn in der Tiefe der Seele lesen, gelangt Maurice zum Glauben, ein solches Geschöpf wäre durchaus unfähig, zu täuschen, und dann fühlte er eine bittere Freude bei dem Gedanken, daß dieser schöne Körper, Seele und Materie, diesem guten Bürger mit dem ehrlichen Lächeln mit den Alltagsspäßen gehörte und immer nur ihm gehören würde.

      Man sprach von Politik: das konnte kaum anders sein. Was in einer Zeit sagen, wo die Politik sich in Alles mischte, auf den Grund der Teller gemalt war, all Wände bedeckte, und zu jeder Stunde in den Straße proclamirt wurde.

      Plötzlich verlangte einer von den Gästen, der bis dahin geschwiegen hatte, Kunde von den Gefangenen im Temple.

      Maurice bebte unwillkührlich bei dem Klange dieser Stimme. Er erkannte den Mann, der, stets für die äußersten Mittel, ihn zuerst mit seinem Dolche gestochen und dann für seinen Tod gestimmt hatte.

      Dieser Mann, ein Rothgerber, ein Werkführer, so bezeichnete ihn wenigstens Dirmer, erweckte bald die gute Laune von Maurice, als er die patriotischsten Gedanken und die revolutionärsten Grundsätze aussprach. Der junge Municipal war unter gewissen Umständen durchaus kein Feind von den kräftigen Maßregeln, wie sie damals so sehr in der Mode, und deren Apostel und Held Danton war. An der Stelle dieses Mannes, dessen Waffe und Stimme so schmerzliche Empfindungen bei ihm erregt hatten und noch erregten, hätte er denjenigen, welchen er für einen Spion gehalten, nicht ermordet, sondern in einen Garten geführt und hier, mit gleichen Waffen, einen Säbel in der Hand wie sein Gegner, ohne Gnade und Barmherzigkeit bekämpft. Das hätte Maurice gethan. Doch er begriff bald, wie es zu viel verlangen hieß, daß ein Rothgerbergeselle thun sollte, was Maurice gethan hätte.

      Dieser Mann mit den äußersten Maßregeln, der in seinen politischen Ansichten dieselben heftigen Systeme haben schien, wie bei seinem Privatbenehmen, sprach also vom Temple und wunderte sich darüber, daß man seine Gefangenen einem permanenten, leicht zu bestechenden Rath und Minicipalen anvertraute, deren


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