Der Graf von Bragelonne. Александр Дюма
Читать онлайн книгу.verschwand am Ende bei der ersten Biegung der mit schönen Bäumen besetzten Straße, und der Greis schickte sich an, in das Haus zurückzukehren, als die zwei Reisenden, welche bis vor das Gitter gekommen waren, seine Aufmerksamkeit erregten.
Der König ritt, wie gesagt, den Kopf gesenkt, die Arme träge, im Schritt einher und überließ sich beinahe ganz der, Laune seines Pferdes, während Parry hinter ihm, um von dem warmen Einfluß der Sonne besser durchdrungen zu werden, seinen Hut abgenommen hatte und seine Blicke rechts und links vom Weg umherschweifen ließ. Seine Augen begegneten denen des Greises, der am Gitter lehnte und, als ob er von einem seltsamen Schauspiel berührt worden wäre, einen Schrei ausstieß und einen Schritt gegen die zwei Reisenden machte.
Von Parry gingen seine Augen unmittelbar auf den König über, auf den er sie einige Secunden lang heftete. Diese prüfende Beschattung, so rasch sie auch war, hatte sogleich auf eine sichtbare Weise einen Wiederschein auf den Zügen des langen Greises zur Folge. Denn kaum hatte er den jüngeren von den Reisenden erkannt, und wir sagen erkannt, denn nur ein bestimmtes, wirkliches Erkennen vermochte einen solchen Act zu erklären, kaum, sagen wir, hatte er den jüngeren von den zwei Reisenden erkannt, als er zuerst mit einem ehrfurchtsvollen Erstaunen die Hände faltete, sodann seinen Hut vom Kopfe nahm und sich so tief verbeugte, daß man hätte glauben sollen, er wolle niederknieen.
Diese Kundgebung, so zerstreut, oder vielmehr so sehr der König auch in seine Gedanken versunken war, erregte sogleich seine Aufmerksamkeit,
Karl hielt sein Pferd an, wandte sich gegen Parry um und sagte:
»Mein Gott! Parry, wer ist denn dieser Mensch der mich so grüßt? Sollte er mich zufällig kennen?«
Ganz bewegt, ganz bleich, war Parry schon auf das Gitter zugeritten.
»Ah! Sire,« sagte er, indem er plötzlich fünf bis sechs Schritte von dem Greis, welcher wirklich niedergekniet war, sein Pferd anhielt, »Sire, Ihr seht mich ganz erstaunt, denn mir scheint, ich erkenne diesen braven Mann. Ja wohl! er ist es. Erlaubt mir Eure Majestät, daß ich mit ihm spreche?«
»Gewiß.«
»Seid Ihr es denn, Herr Grimaud?« fragte Parry.
»Ja, ich bin es,« erwiederte der lange Greis, indem er sich erhob, jedoch ohne etwas von seiner ehrerbietigen Haltung zu verlieren.
»Sire«’ sprach nun Parry, »ich täuschte mich nicht, dieser Mann ist der Diener des Grafen de la Fère, und der Graf de la Fère ist, wenn Ihr Euch entsinnt, der würdige Edelmann, von dem ich so oft mit Eurer Majestät gesprochen habe, daß die Erinnerung an ihn nicht nur in ihrem Geiste, sondern auch in ihrem Herzen zurückgeblieben sein muß.«
»Es ist der, welcher meinem Vater in seinen letzten Augenblicken beistand?« fragte Karl.
Und er bebte sichtbar bei dieser Erinnerung.
»Ganz richtig, Sire.«
»Ach! seufzte Karl.
Dann sich an Grimaud wendend, dessen lebhafte, gescheite Augen, wie es schien, in seinem Geist zu lesen suchten, fragte er:
»Mein Freund, sollte Euer Gebieter, der Herr Graf de la Fère, in dieser Gegend wohnen?«
»Dort,« antwortete Grimaud und bezeichnete mit seinem rückwärts ausgestreckten Arm das Gitter des weiß und rothen Hauses.
»Und der Herr Graf de la Fère ist in diesem Augenblick zu Hause?«
»Hinten, unter den Kastanienbäumen.«
»Parry.« sagte der König, »ich will sie nicht versäumen, diese für mich so kostbare Gelegenheit, dem Edelmann zu danken, dem unser Haus für ein so schönes Beispiel von Ergebenheit und Großmuth verpflichtet ist. Ich bitte Euch, haltet mein Pferd. Freund.«
Und der König warf den Zügel Grimaud zu und trat ganz allein bei Athos wie bei seines Gleichen ein. Karl war durch die so bündige Erklärung von Grimaud unterrichtet, – hinten unter den Kastanienbäumen; er ließ also das Haus links und ging gerade auf die bezeichnete Allee zu. Die Sache war leicht; die Gipfel dieser schon mit Blättern und Blüthen bedeckten Bäume überragten die von allen andern.
Als er unter die abwechselnd beleuchteten und düsteren Rauten kam, welche den Boden dieser Allee je nach den Launen ihres mehr oder minder belaubten Gewölbes verschiedenartig erscheinen ließen, erblickte der junge Prinz einen Herrn, der, die Hände auf dem Rücken, spazieren ging und in eine heitere Träumerei versunken zu sein schien. Ohne Zweifel hatte er sich oft wiederholen lassen, wie dieser Edelmann war, denn ohne zu zögern, ging Karl II. gerade auf ihn zu. Bei dem Geräusch seiner Tritte erhob der Graf de la Fère das Haupt, und als er sah, daß ein Unbekannter von edlem Anstand auf ihn zuschritt, lüpfte er seinen Hut und wartete. Einige Schritte von ihm nahm Karl II. ebenfalls seinen Hut in die Hand und sagte, als wollte er die stumme Frage des Grafen beantworten:
»Herr Graf, ich komme, um eine Pflicht bei Euch zu erfüllen. Seid langer Zeit habe ich Euch den Ausdruck einer tiefen Dankbarkeit zu überbringen. Ich bin Karl II., Sohn von Karl Stuart, der über England regierte und auf dem Schaffot starb.«
Bei diesem erhabenen Namen fühlte Athos einen Schauer seine Adern durchlaufen, und bei dem Anblick des jungen Prinzen, der entblößt vor ihm stand und ihm die Hand reichte, trübten zwei Thränen ein paar Secunden lang das durchsichtige Azur seiner schönen Augen.
Er verbeugte sich ehrfurchtsvoll; doch der Prinz nahm ihn bei der Hand und sprach:
»Seht, wie unglücklich ich bin, Herr Graf; es bedurfte des Zufalls, um mich in Eure Nähe zu bringen. Ach! müßte ich nicht die Leute, die ich liebe und ehre, bei mir haben, während ich darauf beschränkt bin, ihre Dienste in meinem Herzen und ihre Namen in meinem Gedächtniß zu behalten, so daß ich ohne Euren Diener, der den meinigen erkannte, vor Eurem Hause wie vor dem eines Fremden vorübergeritten wäre.«
»Es ist wahr,« sagte Athos, der mit der Stimme den ersten Theil der Worte des Prinzen und mit einer Verbeugung den zweiten erwiederte; »es ist wahr, Eure Majestät hat sehr schlimme Tage gesehen.«
»Und die schlimmsten werden leider vielleicht erst kommen!« sprach Karl.
»Sire, hoffen wir.«
»Graf, Graf!« fuhr Karl den Kopf schüttelnd fort, »ich habe bis gestern Abend gehofft, und zwar wie ein guter Christ, das schwöre ich Euch.«
Athos schaute den König an, als wollte er ihn befragen.
»Oh! die Geschichte ist leicht zu erzählen,« sagte Karl II. »Geächtet, von Allem entblößt, verachtet, entschloß ich mich, trotz meines tiefen Widerwillens, das Glück zum letzten Male zu versuchen. Steht es nicht da oben geschrieben, für unsere Familie werde. alles Glück und alles Unglück ewig von Frankreich kommen! Ihr wißt etwas davon, Ihr, mein Herr, der Ihr einer von den Franzosen seid, die mein unglücklicher Vater am Fuße seines Schaffots an seinem Todestag fand, nachdem er sie an den Schlachttagen zu seiner Rechten gefunden hatte.«
»Sire,« erwiederte Athos bescheiden, »ich war nicht allein, und meine Gefährten und ich haben unter diesen Umständen nur einfach unsere Pflicht als Edelleute gethan. Doch Eure Majestät wollte mir die Ehre erweisen, mir zu erzählen . . . «
»Es ist wahr. Ich hatte die Protection . . . verzeiht mein Zögern, doch für einen Stuart, wie Ihr leicht hegreifen werdet, Ihr, der Ihr Alles begreift, ist es hart, das Wort auszusprechen; ich hatte, sage ich, die Protection meines Vetters, des Stadhouders von Holland; aber ohne den Dazwischentritt oder wenigstens ohne die Genehmigung von Frankreich will der Stadhouder nicht die Initiative ergreifen. Ich kam also, um den König von Frankreich um diese Genehmigung zu bitten, die er mir verweigerte.«
»Er hat sie Euch verweigert, Sire?«
»Oh! nicht er; ich muß meinem Bruder Ludwig jede Gerechtigkeit widerfahren lassen, nicht er, sondern Mazarin.«
Athos biß sich auf die Lippen.
»Ihr findet vielleicht, ich hätte auf diese Weigerung gefaßt sein mäßen,« sagte der König, der die Bewegung bemerkt hatte.
»Das war in der That mein Gedanke, Sire,« erwiederte ehrfurchtsvoll der Graf; »ich kenne diesen Italiener seit langer