Der Graf von Monte Christo. Александр Дюма
Читать онлайн книгу.in Toulouse. Vierzehn Tage nach seiner Einsetzung in seinem neuen Wohnorte heiratete er Fräulein von Saint-Meran, deren Vater bei dem Hofe höher in Gunst stand. als je.
So verharrte Dantes während der hundert Tage und nach Waterloo unter Schloß und Riegel. wenn nicht von den Menschen, doch wenigstens von Gott vergessen.
Danglars fühlte das ganze Gewicht des Schlages, den er Dantes beigebracht hatte, als er Napoleon nach Frankreich zurückkehren sah. Seine Denunciation hatte das Ziel nicht verfehlt, und er nannte, wie alle Menschen von einem gewissen Hange zum Verbrechen und mittelmäßigen Geistesgaben für das gewöhnliche Leben, dieses seltsame Zusammentreffen einen Beschluß der Vorsehung.
Als aber Napoleon wieder in Paris war und seine Stimme abermals mächtig und gebieterisch ertönte, hatte Danglars bange. Er erwartete jeden Augenblick, Dantes wiedererscheinen zu sehen. Dantes. welcher Alles wußte. Dantes drohend und stark zu jeder Rache. Er eröffnete deshalb Herrn Morrel seinen Wunsch. Den Seedienst zu quittieren, und ließ sich von ihm an einen spanischen Kaufmann empfehlen, bei dem er gegen das Ende des Monats März, das heißt, zehn oder zwölf Tage nach der Rückkehr von Napoleon in die Tuilerien. als Commis eintrat. Danglars reiste nach Madrid ab, und man hörte nichts mehr von ihm.
Fernand begriff nichts von Allem. Dantes war abwesend, mehr brauchte er nicht. Was war aus ihm geworden? Er suchte es nicht zu erfahren. Nur sann er während der ganzen Frist die ihm seine Abwesenheit gewährte, beständig auf Mittel, teils um Mercedes über die Beweggründe seiner Abwesenheit zu täuschen, teils um Auswanderungs- und Entführungspläne in das Werk zu setzen. Von Zeit zu Zeit, und dies waren die düsteren Stunden seines Lebens, setze er sich wohl auch auf die Spitze des Cap Pharo, von wo aus man zugleich Marseille und das Dorf der Catalonier unterscheidet, und schaute traurig und unbeweglich wie ein Raubvogel hinaus, ob er nicht den jungen Mann mit dem freien Gange, mit dem hoch aufgerichteten Kopfe erblicken würde, der auch für ihn der Bote einer schweren Rache geworden war. Dann war der Plan von Fernand festgestellt. Er wollte Dantes mit einem Flintenschusse den Schädel zerschmettern und sich hernach selbst töten, wie er sich sagte, um keinen Mord zu beschönigen. Aber Fernand täuschte sich: dieser Mensch hätte sich nie getötet, denn er hoffte immer noch.
Mittlerweile und unter so schmerzlichen Vorgängen rief das Kaiserreich einen neuen Heerbann auf, und Alles, was sich in Frankreich an waffenfähiger Mannschaft vorfand, eilte auf die mächtige Stimme des Kaisers herbei.
Fernand ging wie die Andern ab. Er verließ feine Hütte und Mercedes zermartert von dem grausamen Gedanken, daß sein Nebenbuhler vielleicht hinter ihm zurückkommen und diejenige, welche er liebte, heiraten wurde.
Hätte sich Fernand je töten sollen, so müßte er es bei der Trennung für Mercedes getan haben.
Seine Aufmerksamkeiten für Mercedes, das Mitleid, das er ihrem Unglück zu Teil werden zu lassen schien, die Sorge, mit der er ihren geringsten Wünschen zuvorkam, hatten die Wirkung hervorgebracht, welche auf edle Herzen der Schein der Ergebenheit immer hervordringt. Mercedes hatte stets eine Freundschaftliche Zuneigung für Fernand gehegt; ihre Freundschaft für ihn vermehrte sich durch ein neues Gefühl, durch die Dankbarkeit.
»Mein Bruder,« sagte sie, den Ranzen des Rekruten auf den Schultern des Cataloniers befestigend, »mein Bruder, mein einziger Freund, laßt Euch nicht töten, laßt mich nicht allein in dieser Welt, wo ich weine und völlig vereinzelt sein werde, sobald Ihr nicht mehr lebt.«
Diese Worte, im Augenblick der Trennung gesprochen, gewährten Fernand wieder einige Hoffnung. Wenn Dantes nicht zurückkam, konnte Mercedes eines Tages die Seinige werden.
Mercedes blieb allein auf dieser kahlen Erde, die ihr nie so unfruchtbar vorgekommen war, allein mit dem unermeßlichen Meere als Horizont. Ganz in Tränen gebadet, wie jene Wahnsinnige, von der uns die schmerzliche Geschichte erzählt, sah man sie beständig um das kleine Dorf der Catalonier her irren. Bald stand sie unter der glühenden Sonne des Südens; unbeweglich stumm wie eine Bildsäule, und schaute nach Marseille; bald saß sie am Rande des Gestades, horchte auf das Stöhnen des Meeres, so ewig wie ihr Schmerz, und fragte sich, ob es nicht besser wäre, sich vorwärts zu beugen, sich seinem eigenen Gewichte zu überlassen, den Abgrund zu öffnen und sich darein zu versenken, statt alle die traurigen Wechselfälle einer hoffnungslosen Erwartung zu ertragen.
Es fehlte Mercedes nicht an Mut, dieses Vorhaben zu verwirklichen, aber die Religion kam ihr zu Hilfe und bewahrte sie vor dem Selbstmord.
Caderousse wurde aufgerufen wie Fernand, da er jedoch verheiratet und acht Jahre älter war, als der Catalonier, gehörte er zu dem dritten Aufgebote und wurde nach der Küste geschickt.
Der alte Dantes, den nur die Hoffnung aufrecht erhalten hatte, verlor diese bei dem Sturze des Kaisers. Gerade an dem Tage, fünf Monate, nachdem er von seinem Sohne getrennt worden war, und beinahe zu derselben Stunde, wo man ihn verhaftet hatte, gab er in den Armen von Mercedes den Geist auf.
Herr Morrel übernahm alle Kosten seiner Beerdigung und bezahlte die armseligen Schulden, die der Greis während seiner Krankheit gemacht hatte.
Es war mehr als Wohltätigkeit, so zu handeln, es gehörte Mut dazu. Der Süden stand in Flammen, und den Vater eines so gefährlichen Bonapartisten, wie Dantes selbst auf dem Totenbette unterstützen war ein Verbrechen.
Vierzehntes Kapitel.
Der wütende Gefangene und der verrückte Gefangene
Ungefähr ein Jahr nach der Rückkehr von Ludwig XVIII. fand ein Besuch von Seiten des Herrn Generalinspectors der Gefängnisse statt.
Dantes hörte in seinem Kerker alle die Vorbereitungen rollen und ächzen, welche oben ein gewaltiges Geräusch machten, unten aber ein nicht wahrnehmbares Getöse für jedes andere Ohr gewesen wären, als für das eines Gefangenen, der daran gewöhnt ist in der Stille der Nacht die Spinne, welche ihr Gewebe verfertigt, und den periodischen Fall des Wassertropfens zu hören, der eine Stunde dazu braucht, um sich an der Decke seines Kerkers zu bilden.
Er erriet, daß bei den Lebenden etwas Ungewöhnliches vorging: Dantes bewohnte so lange ein Grab, daß er sich wohl als einen Toten betrachten konnte.
Der Inspector besuchte wirklich hinter einander alle Zimmer, Zellen und Kerker. Mehrere Gefangene wurden vernommen: es waren diejenigen, welche ihre Sanftmuth oder ihre Albernheit dem Wohlwollen der Verwaltung empfahl. Der Inspektor fragte sie über die Nahrungsmittel, welche sie erhielten, und welche Bitten oder Forderungen sie etwa einzubringen hätten.
Sie antworteten einstimmig, die Nahrung wäre abscheulich. und sie forderten ihre Freiheit.
Der Inspector fragte sie, ob sie ihm nichts Anderes zu sagen hätten.
Sie schüttelten den Kopf: was konnten Gefangene Anderes verlangen, als die Freiheit.
Der Inspector wandte sich um und sagte zu dem Gouverneur:.
»Ich weiß nicht, warum man uns die unnützen Rundreisen machen läßt. Wer ein Gefängnis sieht, sieht hundert; wer einen Gefangenen hört, hört tausend. Es ist stets dasselbe: schlecht genährt und unschuldig. Haben Sie noch Andere?
»Ja, wir haben gefährliche Gefangene oder Narren, die wir im Kerker bewachen.«
»Wir wollen sie sehen,« sprach der Inspector mit einer Miene tiefen Überdrusses,« wir wollen unser Geschäft zu Ende führen. Gehen wir in die Kerker hinab.«
»Warten Sie,« sprach der Gouverneur. »man muß wenigstens zwei Mann holen. Die Gefangenen begehen zuweilen, und wäre es nur aus Lebensüberdruß und um sich zum Tode verurteilen zu lassen, unnütze Akte der Verzweiflung, und Sie könnten das Opfer einer solchen Handlung werden.«
»Nehmen Sie also Ihre Vorsichtsmaßregeln,« sagte der Inspector.
Man holte wirklich zwei Soldaten und fing an eine so feuchte, so übelriechende, so schimmelige Treppe hinabzusteigen, daß schon der Gang nach einem solchen Orte den Gesichtssinn und den Geruchssinn auf das Widrigste berührte.
»Oho!« rief der Inspector, auf der Hälfte der Treppe stehen bleibend. »wer Teufels kann hier wohnen?«
»Einer der gefährlichsten Meuterer, ein Mensch, der uns als zu Allem