Der Graf von Monte Christo. Александр Дюма
Читать онлайн книгу.(père)
Der Graf von Monte Christo (Übers. Zoller)
Erstes bis fünftes Bändchen
Erstes Kapitel.
Marseille. – Die Ankunft
Am 25. Februar 1815 signalisierte die Wache von Notre-Dame de la Garde den Dreimaster, der Pharaon, von Smyrna, Triest und Neapel kommend.
Wie gewöhnlich lief ein Lotse sogleich aus dem Hafen aus, fuhr rasch an dem Castell If hin und gelangte zwischen dem Cap Morgiou und der Insel Rion zu dem Schiffe.
Ebenfalls wie gewöhnlich war die Plattform des Fort Saint-Jean mit Neugierigen bedeckt; denn die Ankunft eines Schiffes ist in Marseille immer eine große Angelegenheit, besondere wenn dieses Schiff wie der Pharaon auf den Wersten der phocäischen Stadt gebaut und aufgerhedet worden ist und einem Reeder der Stadt gehört.
Inzwischen näherte sich das Schiffs es hatte sich glücklich durch die Meerenge gearbeitet, welche durch irgend eine vulkanische Erschütterung zwischen der Insel Calasareigne und der Insel Jaros ausgehöhlt worden ist. Es hatte Pomègue umfahren und rückte unter seinen drei Marssegeln, seinem großen Focksegel und seiner Brigantine heran, aber so langsam und mit einem so traurigen Gange, daß die Neugierigen mit dem Instinkte, der ein Unglück vorhersieht, sich fragten, was für ein Unfall sich am Bord ereignet haben könnte. Nichtsdestoweniger erkannten die Erfahrenen der Schifffahrt, daß, wenn sich ein Unfall ereignet hätte, dies nicht auf dem Schiffe selbst der Fall sein könnte, denn es nahte mit allen Bedingungen eines vollkommen gesteuerten Schiffes. Sein Anker war zum Grundfassen gerichtet, seine Bogsprietwände waren los gehakt, und neben dem Lotsen, der den Pharaon durch den schmalen Eingang des Hafens von Marseille zu lenken sich anschickte, stand ein junger Mann mit rascher Gebärde und lebhaftem Auge, überwachte jede Bewegung des Schiffes und wiederholte jeden Befehl des Lotsen.
Die unbestimmte Unruhe, welche über der Menge schwebte, hatte besonders einen von den Zuschauern der Saint-Jean-Esplanade so stark berührt, daß er die Einfahrt des Schiffes in den Hafen nicht erwarten konnte. Er sprang in eine kleine Barke und befahl dem Pharaon entgegen zu ruderte, den er vor der Bucht. Anse de la Reserve genannt, erreichte.
Als der junge Seefahrer diesen kommen sah, verließ er seinen Posten neben dem Lotsen, nahm den Hut in die Hand und legte sich über die Brüstung des Schiffes.
Es war ein junger Mann von achtzehn bis, zwanzig Jahren, mit schwarzen Augen und Haaren wie Ebenholz. In seiner ganzen Person war der Charakter der Ruhe und Entschlossenheit sichtbar, der den Menschen eigentümlich ist, welche seit ihrer Kindheit mit der Gefahr zu kämpfen gewohnt sind.
»Ah, Sie sind es, Dantes!« rief der Mann in der Barke, »was ist denn geschehen, und was bedeutet das traurige Wesen, das an Ihrem ganzen Bord verbreitet zu sein scheint?«
»Ein großes Unglück. Herr Morrel.« antwortete der junge Mann. »Auf der Höhe von Civita Becchia haben wir den braven Kapitän Leclère verloren.«
»Und die Ladung?« fragte lebhaft der Reeder.
»Ist glücklich angelangt, Herr Morrel und ich glaube, Sie werden in dieser Hinsicht zufrieden sein; aber dieser arme Kapitän Leclère . . . «
»Was ist ihm denn geschehen?« fragte der Reeder sichtbar erleichtert, »was ist ihm denn geschehen, diesem braven Kapitän?«
»Er ist tot.«
»In das Meer gefallen?«
»Nein, Herr, er ist unter furchtbaren Qualen an einer Hirnentzündung gestorben.« Dann, sich gegen seine Leute umwendend, rief er:
»Holla, he! Jeder an seinen Posten zum Ankern!«
Die Mannschaft gehorchte. In demselben Augenblicke eilten die acht bis zehn Matrosen, aus denen sie bestand, die Einen zu den Schoten, die Andern zu den Brassen, wieder Andere zu den Hißtauen oder zu den Geitauen.
Der junge Seemann warf einen raschen Blick auf den Anfang dieses Manoeuvre, und da er sah, daß seine Befehle vollführt wurden, kehrte er zu dem Manne in der Barke zurück.
»Und wie ist dieses Unglück gekommen?« fragte der Reeder, das Gespräch wieder aufnehmend, wo es der Seemann verlassen hatte.
»Mein Gott, Herr, ganz unversehens Nach einer langen Unterredung mit dem Hafencommandanten verließ der Kapitän Leclère Neapel in sehr aufgeregtem Zustande. Nach vierundzwanzig Stunden faßte ihn das Fieber, drei Tage nachher war er tot . . .
»Wir haben seine Leiche auf die gewöhnliche Weise bestattet, und er ruht anständig eingehüllt in eine Hängematte, mit einer Kugel von sechsunddreißig Pfund an den Füßen und einer eben so schweren an dem Kopf, auf der Höhe der Insel Giglio. Wir werden der Witwe sein Ehrenkreuz und seinen Degen zurückbringen. Es war wohl der Mühe wert,« fuhr der junge Mann mit einem schwermütigen Lächeln fort, »zehn Jahre gegen die Engländer Krieg zu führen, um endlich wie Jedermann in seinem Bette zu sterben.«
»Verdammt! was wollen Sie, Herr Edmond,« versetzte der Reeder, der sich immer mehr zu trösten schien, »wir sind Alle sterblich, und die Alten müssen wohl den Jungen Platz machen; sonst gäbe es kein Vorrücken, und von dem Augenblicke an, wo Sie mich versichern, die Ladung . . . «
»Befindet sich in gutem Zustande, Herr Morrel. dafür stehe ich. Das ist eine Reise, die ich Ihnen nicht für 25.000 Franken Nutzen zu discontiren rathe.«
Dann, als man nur den runden Thurm fuhr, rief er:
»Die Marssegel, den Fock und die Brigantine aufgegeit.«
Der Befehl wurde mit derselben Geschwindigkeit ausgeführt, wie auf einem Kriegsschiffe.
»Alle Segel gestrichen!«
Bei dem letzten Commando fielen alle Segel herab, und das Schiff rückte auf eine beinahe unmerkliche Weise, gleichsam nur durch den Anstoß, den man ihm gab, vorwärts.
»Und nun, wenn Sie heraufkommen wollen, Herr Morrel,« sagte Dantes, die Unruhe des Reeders wahrnehmend, »hier ist Ihr Rechnungsführer, Herr Danglars. Er kommt eben aus seiner Kajüte und wird Ihnen jede Auskunft geben, die Sie wünschen mögen. Ich meines Teils muß für die Ankerung sorgen und das Schiff in Trauer versetzen.«
Der Reeder ließ sich das nicht zweimal sagen. Er ergriff ein Kabel, das ihm Dantes zuwarf. und erstieg mit einer Behendigkeit, welche einem Seemann Ehre gemacht hätte, die an die Seite des Schiffes genagelten Stufen, während jener, an seinen Posten zurückkehrend, die Unterredung demjenigen überließ, welchen er unter dem Namen Danglars angekündigt hatte, und der aus seiner Kajüte hervorkommend wirklich dem Reeder entgegenging.
Danglars war ein Mann von fünfundzwanzig bis sechsundzwanzig Jahren, unterwürfig gegen seine Obern, barsch gegen die ihm Untergeordneten. Abgesehen von seinem Titel als Rechnungsführer, der immer ein Grund des Widerwillens für die Matrosen ist, war er allgemein von der Mannschaft eben so schlimm angesehen, als Edmond Dantes im Gegenteil von derselben geliebt wurde.
»Nun, Herr Morrel,« sagte Danglars »Sie wissen bereits das Unglück, nicht wahr?«
»Ja, ja, der arme Kapitän Leclère Es war ein braver ehrlicher Mensch!«
»Und besonders ein vortrefflicher Seemann, ergraut zwischen Himmel und Wasser, wie es sich geziemt für einen Mann, dem die Interessen eines so wichtigen Hauses, wie das Haus Morrel und Sohn, anvertraut sind.«
»Aber,« versetzte der Reeder, mit den Augen dem jungen Dantes folgend, der seinen Untergrund suchte, »aber es scheint mir, man braucht nicht gerade ein so alter Seemann zu sein, wie Sie sagen, Danglars, um sein Handwerk zu kennen, und unser Freund Edmond hier treibt das seinige, wie mir dünkt, als ein Mensch, der Niemand um Rath zu fragen nötig hat.«
»Ja,« antwortete Danglars, auf Dantes einen schiefen Blick werfend, in welchem ein Blick des Hasses zuckte, »ja, das ist jung und fürchtet nichts. Kaum war der Kapitän tot, so übernahm er das Commando, ohne Jemand um Rath zu fragen, und ließ uns anderthalb Tage auf der Insel Elba verlieren, statt unmittelbar nach Marseille zurückzukehren.«
»Was das Übernehmen des Commando vom Schiffe betrifft,« sprach der Reeder, »so war dies seine Pflicht als Second; was aber das Verlieren von anderthalb Tagen auf der Insel Elba betrifft, so hatte er Unrecht: wenn nicht das Schiff Haferei