Der Graf von Monte Christo. Александр Дюма

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Der Graf von Monte Christo - Александр Дюма


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die Insel Rion vor, an welcher es, wie dies Dantes vorhergesagt hatte, vorüber kam, indem es dieselbe auf zwanzig Faden vom Steuerbord ließ.

      »Bravo!« rief der Kapitän.

      »Bravo!« wiederholten die Matrosen.

      Und Alle schauten verwundert diesen Mann an; dessen Blick wieder einen Geist, dessen Körper wieder eine Kraft gefunden hatte, wie man es entfernt nicht bei ihm vermutete.

      »Ihr seht,« sagte Dantes; den Helmstock verlassend; »Ihr seht, daß ich Euch auf der Fahrt wenigstens zu etwas nütze sein könnte; wollt Ihr mich in Livorno nicht behalten, nun, so laßt Ihr mich dort, und von meinen ersten Monaten Sold entschädige ich Euch für meine Kost bis dahin und für die Kleider; die Ihr mir leihen werdet.«

      »Gut! Gut!« versetzte der Patron. »Die Sache läßt sich machen; wenn Ihr billig sein werdet.«

      »Ein Mann ist so viel wert, als der andere,« sprach Dantes; »was Ihr den Kameraden gebt, gebt Ihr mir auch, und es ist abgemacht.«

      »Das ist nicht richtig;« rief der Matrose, welcher Dantes aus dem Meere gezogen hatte; »denn Ihr versteht mehr als wir.«

      »Was den Teufel geht das Dich an, Jacopo,« sagte der Patron; »es steht Jedem frei; sich für die Summe zu verdingen, die ihm beliebt.«

      »Allerdings,« versetzte Jacopo, »es war auch nur eine Bemerkung von mir.«

      »Du würdest besser daran tun; diesem braven Jungen, der ganz nackt ist eine Hose und ein Wamms zu leihen, vorausgesetzt, Du hast so viel Vorrath.«

      »Nein,« sagte Jacopo, »aber ich habe ein Hemd und eine Hose.«

      »Mehr brauche ich nicht,« rief Dantes; »ich danke, mein Freund.«

      Jacopo schlüpfte durch die Luke hinab und kam in einem Augenblick mit den zwei Kleidungsstücken zurück, welche Dantes mit unbeschreiblicher Freude anzog.

      »Braucht Ihr noch etwas Anderes?« fragte der Patron.

      »Ein Stück Brot und noch einen Schluck von dem vortrefflichen Rhum, den ich gekostet, denn ich habe sehr lange nichts mehr zu mir genommen.«

      In der Tat ungefähr vierzig Stunden.

      Man brachte Dantes ein Stück Brot und Jacopo reichte ihm die Flasche.

      »Den Helmstock an Backbord,« rief der Patron sich gegen den Rudergänger umwendend.

      Dantes warf einen Blick nach derselben Seite, während er die Flasche nach seinem Munde führte, aber die Flasche blieb auf halbem Wege.

      »Halt,« fragte der Patron, »was geht im Castell If vor?«

      Eine kleine weiße Wolke, welche die Aufmerksamkeit von Dantes erregt hatte, war wirklich die Zinnen der südlichen Bastei von Castell If bekränzend erschienen. Eine Secunde nachher erstarb der Lärmen eines entfernten Knalles an Bord der Tartane. Die Matrosen schauten einander an.

      »Was soll das bedeuten?« fragte der Patron.

      »Es wird ein Gefangener in dieser Nacht entwichen sein, und man feuert die Lärmkanone ab,« sagte Dantes.

      Der Patron warf einen Blick auf den jungen Mann, der, während er diese Worte sprach, die Kürbisflasche an den Mund gesetzt hatte, aber er sah ihn den Trank, den sie enthielt, mit solcher Ruhe schlürfen, daß wenn er einen Verdacht hatte, dieser nur seinen Geist durchzog und sogleich wieder erlosch.

      »Euer Rhum ist teufelsmäßig stark,« sagte Dantes, mit dem Hemdärmel seine von Schweiß triefende Stirne abtrocknend.

      »Ist er es,« murmelte der Kapitän ihn anschauend, »desto besser, ich habe in jedem Fall einen tüchtigen Mann bekommen.«

      Unter dem Vorwande von Müdigkeit bat Dantes, sich an das Steuerruder setzen zu dürfen. Sehr erfreut, seiner Funktionen überhoben zu sein, fragte der Rudergänger den Patron mit dem Auge, und dieser bedeutete ihm durch ein Zeichen, er könnte den Helmstock seinem neuen Gefährten übergeben. In dieser Stellung konnte Dantes seine Augen auf Marseille gerichtet halten.

      »Den wievielten des Monats haben wir?« fragte Dantes Jacopo, der sich das Castell If aus dem Gesichte verlierend zu ihm gesetzt hatte.

      »Den 28sten Februar,« antwortete dieser.

      »Von welchem Jahre?« fragte abermals Dantes.

      »Von welchem Jahre? Ihr fragt, von welchem Jahre?«

      »Ja,« versetzte der junge Mann.

      »Ihr habt das Jahr vergessen, in welchem wir uns befinden?«

      »Was wollt Ihr,« sagte Dantes lachend, »ich habe diese Nacht eine solche Angst ausgestanden, daß ich darüber beinahe den Geist verlor, und mein Gedächtnis ist noch völlig gestört, ich frage Euch also den 28sten von welchem Jahre haben wir?«

      »Vom Jahre 1829,« sagte Jacopo.

      Es waren auf den Tag vierzehn Jahre, daß man Dantes verhaftet hatte. Mit neunzehn Jahren war er in das Castell If gekommen, und er verließ dasselbe mit drei und dreißig Jahren. Ein schmerzliches Lächeln zog über seine Lippen hin; er fragte sich, was aus Mercedes während dieser Zeit, wo sie ihn hatte für tot halten müssen, geworden wäre. Dann entzündete sich ein Blitz des Hasses in seinen Augen, indem er an die drei Menschen dachte, denen er eine so lange und grausame Gefangenschaft zu verdanken hatte, und er erneuerte gegen Danglars, Fernand und Villefort den Schwur unversöhnlicher Rache, den er in seinem Gefängnis ausgesprochen hatte; und sein Schwur war keine leere Drohung, denn zu dieser Stunde hätte der beste Schnellsegler des mittelländischen Meeres sicherlich die kleine Tartane nicht mehr einholen können, welche mit voller Kraft nach Livorno fuhr.

       Zweiundzwanzigstes Kapitel.

      Die Schmuggler

      Dantes war noch keinen Tag an Bord- als er bereits wußte, mit wem er es zu tun hatte. Ohne in der Schule des Abbé Faria gewesen zu sein, verstand der würdige Patron der jungen Amalie (dies war der Name der genuesischen Tartane) beinahe alle Sprachen, welche man um den großen See, genannt das mittelländische Meer, spricht, von dem Arabischen bis zum Provencalischen. Das ersparte ihm die Dolmetscher, stets langweilige und indiskrete Leute, und erleichterte ihm den Verkehr mit den Schiffen, die er auf der See traf, mit den kleinen Barken, welche er die Küsten entlang benützte, sowie mit den Leuten ohne Namen, ohne Vaterland, ohne scheinbaren Stand, wie man sie beständig auf den Platten der Kaie in der Nähe von Seehäfen triff, Menschen, welche von geheimnisvollen, verborgenen Quellen leben, die ihnen, wie man glauben muß, in gerader Linie von der Vorsehung zukommen, weil sie keine für das bloße Auge sichtbare Existenzmittel haben. Man errät, daß Dantes an Bord eines Schmugglerschiffes war. Der Patron hatte ihn auch Anfangs mit einem gewissen Mißtrauen aufgenommen; er war allen Douaniers der Küste sehr wohl bekannt, und da unter diesen Herren und ihm ein Austausch von Listen stattfand, von denen die eine immer feiner ausgedacht und geschickter ausgeführt war, als die andere, so meinte er zuerst, Dantes wäre ganz einfach Emissär von Dame Gabelle, welche dieses geistreiche Mittel anwendet um einige Geheimnisse des Gewerbes zu ergründen; aber die glänzende Art und Weise, wie Dantes aus der Prüfung hervorgegangen war, hatte ihn völlig überzeugt; als er sodann den leichten Rauch wie einen Lampenkranz über der Bastei des Castells If schweben sah und das entfernte Geräusch des Knalles hörte, dachte er einen Augenblick, er hätte denjenigen an Bord genommen, welchem man, wie den Königen bei ihren Ein- und Auszügen, die Ehre der Kanone bewilligte. Dies beunruhigte ihn schon weniger, als wenn der Ankömmling ein Douanier gewesen wäre; doch die zweite Mutmaßung verschwand bald, wie die erste, bei dem Anblick der vollkommenen Ruhe seines Rekruten.

      Edmond hatte also den Vorteil, zu wissen, was sein Patron war, ohne daß sein Patron wissen konnte, was er war. Von welcher Seite ihn auch der alte Seemann und seine Kameraden angriffen, er gab nicht nach und machte kein Geständnis, sondern erzählte nur viel von Neapel und Malta, was er wie Marseille kannte, und er hielt seine erste Angabe mit einer Festigkeit aufrecht, die seinem Gedächtnis Ehre machte. Es ließ sich also der Genueser, so listig er auch war, von Dantes bethörten, zu dessen Gunsten seine Sanftmuth, seine nautische Erfahrenheit und besonders eine äußerst kluge Verstellung sprachen. Vielleicht war der Genueser einer von den gescheidten


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