Königin Margot. Александр Дюма
Читать онлайн книгу.ich, seine Schwester!«
»Der Befehl läßt keine Ausnahme zu, Madame. Empfangt also meine Entschuldigung.«
Und der Offizier schloß die Thüre wieder.
»Oh, er ist verloren!« rief Margarethe, in höchstem Maße beunruhigt durch den Anblick aller dieser finsteren Gesichter, die, wenn sie auch nicht Rache schnaubten, doch wenigstens Unbeugsamkeit ausdrückten. »Ja, ja, ich begreife Alles… man hat sich meiner als einer Lockspeise bedient; ich bin die Falle, in der man die Hugenotten fängt und erwürgt … Oh! ich werde hineinkommen, und sollte ich mich tödten lassen!«
Und Margarethe lief wie eine Tolle durch die Gänge und Gallerien, als sie plötzlich an, einer kleinen Thüre vorüberkommend, ein sanftes, düsteres, eintöniges Lied hörte. Es war ein calvinistischer Psalm, den, eine zitternde Stimme in einem anstoßenden Zimmer sang.
»Die Amme des Königs, meines Bruders, die gute Madelon, ist da!« rief Margarethe und schlug sich plötzlich von einem Gedanken erleuchtet, an die Stirne, »sie ist da … Gott der Christen, hilf mir!«
Und Margarethe klopfte voll Hoffnung sachte an die kleine Thüre.
Nach dem Rathe, den ihm Margarethe gegeben, nach seinem Gespräche mit René, nach seinem Abgange von der Königin Mutter, dem sich wie ein guter Genius die arme kleine Phöbe hatte widersetzen wollen, begegnete Heinrich von Navarra einigen katholischen Edelleuten, die unter dem Vorwande, ihm das Ehrengeleite zu geben, denselben in seine Wohnung zurückführten, wo etwa zwanzig Hugenotten seiner warteten, welche sich bei dem jungen Prinzen versammelt hatten, und einmal versammelt, ihn nicht mehr verlassen wollten, so gewaltig lastete das Vorgefühl dieser unseligen Nacht seit ein paar Stunden über dem Louvre. Sie blieben also, ohne daß man sie zu stören versuchte. Bei dem ersten Schlage der Glocke von Saint-Germain-l’Auxerrois, welche in allen Herzen wie ein Todtengeläute klang, trat Tavannes ein und meldete Heinrich mitten unter dem tiefen Stillschweigen, der König Karl IX. wolle ihn sprechen.
Es war kein Widerstand zu versuchen; auch dachte Niemand hieran. Man hörte die Plafonds und die Gallerien des Louvre unter den Füßen der Soldaten krachen, welche, beinahe zweitausend an der Zahl, sowohl in den Höfen, als in den Gemächern versammelt waren. Nachdem Heinrich von seinen Freunden, die er nicht wiedersehen sollte, Abschied genommen hatte, folgte er Tavannes, der ihn in eine an die Wohnung des Königs stoßende kleine Gallerte führte, wo er ihn allein, ohne Waffen und das Herz voll jeglichen Mißtrauens zurück ließ.
Der König zählte so, Minute für Minute, zwei tödliche Stunden, horchte mit wachsendem Schrecken auf den Klang der Sturmglocke und auf das Gerassel der Büchsenschüsse, sah durch eine Glasthüre beim Schimmer des Brandes, beim Flammen der Fackeln die Flüchtlinge und die Schlächter vorüberziehen, ohne daß er das Mordgeschrei und Schmerzgeheul begriff, ohne daß er, wie genau er auch Karl IX., die Königin Mutter und den Herzog von Guise kannte, das furchtbare Drama ahnen konnte, das in diesem Augenblick in Erfüllung ging.
Heinrich besaß nicht den physischen Muth; er besaß etwas Besseres, die moralische Kraft. Die Gefahr fürchtend, bot er ihr lächelnd Trotz; aber der Gefahr der Schlacht, der Gefahr in freier Luft, am hellen Tage, der Gefahr vor Aller Augen, begleitet von der Harmonie der Trompeten und der dumpfen, vibrirenden Stimme der Trommel … Hier aber war er ohne Waffen, allein, eingeschlossen, verloren in einer Halbdunkelheit, welche kaum genügte, den Feind, der sich bis zu ihm schleichen konnte, und das Eisen zu sehen, das ihn zu durchbohren vermochte. Diese zwei Stunden waren also für ihn vielleicht die grausamsten seines Lebens. Während des stärksten Lärmens, und als Heinrich zu begreifen anfing, daß es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um eine organisierte Niedermetzelung handelte, holte ein Kapitän den Prinzen und führte ihn durch einen Corridor nach den Zimmern des Königs. Bei ihrer Annäherung öffnete sich die Thüre, hinter ihnen schloß sich die Thüre wieder, Alles, als ob es durch einen Zauber geschähe. Dann führte der Kapitän Heinrich bei Karl IX. ein, der sich in seinem Waffencabinet befand.
Als sie eintraten, saß der König in einem großen Lehnstuhle. Seine beiden Hände lagen auf den zwei Armen des Stuhles, sein Kopf fiel auf die Brust herab. Bei dem Geräusch, das die Eintretenden machten, hob Karl seine Stirne empor, über welche Heinrich den Schweiß in großen Tropfen fließen sah.
»Guten Abend, Henriot,« sagte der junge König mit hartem Tone. »Ihr, La Chastre, laßt uns allein!«
Der Kapitän gehorchte.
Es herrschte einen Augenblick düsteres Stillschweigen.
Während dieses Augenblicks schaute Heinrich unruhig um sich her und sah, daß er allein war.
Karl IX. stand plötzlich auf.
»Bei Gott!« sagte er, mit einer raschen Geberde, seine blonden Haare zurückstreichend und zugleich seine Stirne trocknend, »Ihr seid froh, Euch bei mir zu sehen, nicht wahr Henriot?«
»Allerdings, Sire,« antwortete der König von Navarra. »Ich fühle mich immer glücklich, wenn ich mich bei Eurer Majestät befinde.«
Ihr seid zufriedener, als wenn Ihr da unten wäret, wie?« versetzte Karl IX., mehr seine eigenen Gedanken verfolgend, als das Compliment von Heinrich erwiedernd.«
»Sire, ich begreife nicht,« sagte Heinrich.
»Schaut und Ihr werdet begreifen.«
Mit einer raschen Bewegung ging oder vielmehr sprang Karl IX. nach dem Fenster. Und seinen immer mehr erschrockenen Schwager nach sich ziehend, zeigte er diesem die furchtbare Silhouette der Mörder, welche auf einem Schiffe die Opfer, die man ihnen jeden Augenblick brachte, erdrosselten oder ersäuften.
»Aber, in des Himmels Namens!« rief Heinrich ganz bleich, »was geht denn in dieser Nacht vor?«
»In dieser Nacht, mein Herr,« sprach Karl IX., »befreit man mich von allen Hugenotten. Seht Ihr dort unten, über dem Hotel Bourbon, jenen Rauch und jene Flamme? Jener Rauch und jene Flamme rühren von dem brennenden Hause des Admirals her. Seht Ihr jenen Körper, den gute Katholiken auf einem zerrissenen Strohsacke umherschleppen? Es ist der Leichnam des Schwiegersohnes Eures Admirals, der Leichnam Eures Freundes Téligny.«
»Oh, was soll das bedeuten!« rief der König von Navarra, vergeblich an seiner Seite den Griff seines Dolches suchend und zugleich vor Scham und Zorn zitternd, denn er fühlte, daß man ihn verspottete und bedrohte.
»Das soll bedeuten,« rief Karl IX. wüthend, ohne Uebergang und auf eine furchtbare Weise erbleichend, »das bedeutet, daß ich keine Hugenotten mehr um mich haben will, versteht Ihr, Heinrich? Bin ich der König? bin ich der Herr?«
»Aber Eure Majestät …«
»Meine Majestät tödtet und schlachtet zu dieser Stunde Alles, was nicht katholisch ist; das ist mein Vergnügen. Seid Ihr Katholik?« rief Karl, dessen wachsender Zorn unablässig stieg, wie eine furchtbare Flut.
»Sire,« sagte Heinrich, »erinnert Euch Eurer Worte: was liegt mir an der Religion irgend eines Menschen, wenn er mir nur gut dient.«
»Ah, ah, ah!« rief Karl, in ein finsteres Lachen ausbrechend. »Ich soll mich meiner Worte erinnern, meinst Du, Heinrich?Verba volant, wie meine Schwester Margot sagt. Und schau’,« fügte er mit dem Finger nach der Stadt deutend bei, »hatten mir alle diese nicht auch gut gedient? Waren sie nicht brav im Kampfe, weise im Rathe, stets ergeben? Alle waren nützliche Unterthanen, aber Hugenotten, und ich will nur Katholiken.«
Heinrich blieb stumm.
»Begreift Ihr mich jetzt, Henriot?« rief Karl IX.
»Ich habe begriffen, Sire.«
»Nun?«
»Nun, Sire, ich sehe nicht ein, warum der König von Navarra das thun sollte, was so viele Edelleute oder arme Menschen nicht gethan haben; denn wenn diese Unglücklichen am Ende alle sterben, so geschieht es auch, weil man ihnen das vorgeschlagen haben wird, was Euere Majestät mir vorschlägt, und weil sie sich geweigert haben, wie ich mich weigere.«
Karl faßte den jungen Prinzen beim Arme und sprach, einen Blick auf ihn heftend, dessen Mattheit sich allmählich in einen wilden Glanz verwandelte:
»Ah! – Du glaubst,