Zwanzig Jahre nachher. Александр Дюма

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Zwanzig Jahre nachher - Александр Дюма


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Gefängniß, und Herr von Beaufort hatte den Charakter, um es mehr zu werden, als jeder Andere. Er ging wie gewöhnlich spazieren, brach einige kleine Zweige ab, welche dazu bestimmt waren, eine Rolle bei der Hinrichtung zu spielen, und er fand, nachdem er lange gesucht hatte, ein Stück zerbrochenes Glas, ein Fund, der ihm das größte Vergnügen machte. In sein Zimmer zurückgekehrt, faserte er sein Sacktuch aus.

      Keiner von diesen einzelnen Umständen entging dem beobachtenden Auge von Grimaud.

      Am andern Morgen war der Galgen bereit; um ihn mitten in seinem Zimmer aufschlagen zu können, schabte Herr von Beaufort eines von seinen Enden mit seinem zerbrochenen Glase ab.

      La Ramée schaute seinem Treiben mit der Neugierde eines Vaters zu, welcher glaubt, er werde vielleicht ein neues Spielzeug für seine Kinder entdecken. Die vier Wachen betrachteten die Sache mit der müßiggängerischen Miene, welche zu jener Zeit, wie heut zu Tage, der Hauptcharakter der Physiognomie des Soldaten bildete.

      Grimaud trat ein, als der Prinz so eben sein Stück Glas niedergelegt hatte, obgleich das Zuspitzen des Galgenfußes noch nicht vollendet war; er hatte sich unterbrochen, um den Faden an das entgegengesetzte Ende des Galgens zu binden.

      Er warf auf Grimaud einen Blick, in welchem sich ein Ueberrest der bösen Laune vom vorhergehenden Tage offenbarte. Da er aber zum Voraus mit dem Erfolge, der seiner neuen Erfindung nicht entgehen konnte, sehr zufrieden war, so schenkte er ihm keine weitere Aufmerksamkeit.

      Erst als er einen Schifferknoten an ein Ende seines Fadens und einen laufenden Knoten an das andere gemacht, nachdem er einen Blick aus die Platte mit Krebsen geworfen und mit dem Auge den majestätischsten ausgesucht hatte, wandte er sich zurück, um sein Stück Glas zu suchen. Das Stück Glas war verschwunden.

      »Wer hat mir mein Stück Glas genommen?« fragte der Prinz, die Stirne runzelnd.

      Grimaud machte ein Zeichen, daß er es wäre.

      »Wie? Du abermals! warum hast Du es mir genommen?«

      »Ja,« fragte La Ramée,« »warum habt Ihr Seiner Hoheit das Stück Glas genommen?«

      Grimaud, der das Glasbruchstück in der Hand hielt, fuhr mit dem Finger darüber und sagte:

      »Schneidend.«

      »Das ist richtig, Monseigneur,« sprach La Ramée. »Teufel, was für einen kostbaren Mann haben wir da bekommen.«

      »Herr Grimaud,« rief der Prinz, »in Eurem eigenen Interesse beschwöre ich Euch, seid darauf bedacht, nie in das Bereich meiner Hand zu kommen.«

      Grimaud mochte eine Verbeugung und zog sich an das Ende des Zimmers zurück.

      »Stille, stille, Monseigneur,« sagte La Ramée, »gebt mir Euren Galgen, ich will ihn mit meinem Messer zuspitzen.«

      »Ihr?« sagte der Herzog lachend.

      »Ja, ich; war es nicht das, was Ihr wünschtet?«

      »Allerdings.«

      »Schön, das wird im Ganzen nur noch drolliger werden,« sprach der Herzog, »Hier mein lieber La Ramée.«

      La Ramée, welcher den Ausruf des Prinzen nicht verstanden hatte, spitzte den Fuß des Galgens auf das Niedlichste zu.

      »Gut,« sagte der Herzog; »macht mir nun ein kleines Loch in den Boden, während ich den armen Sünder hole.«

      La Ramée kniete mit einem Fuße nieder und höhlte den Boden aus.

      Während dieser Zeit hing der Prinz seinen Krebs an den Faden.

      Dann pflanzte er den Galgen mitten im Zimmer auf und brach in ein lautes Gelächter aus.

      La Ramée lachte auch aus vollem Herzen, ohne recht zu wissen, warum er lachte, und die Wachen machten Chorus.

      Grimaud allein lachte nicht. Er näherte sich La Ramée, deutete auf den Krebs, der sich am Ende des Fadens drehte und sagte:

      »Cardinal.«

      »Gehenkt von seiner Hoheit, dem Herzog von Beaufort,« versetzte der Prinz immer stärker lachend, »und von Meister Jacques Chrysostome La Ramée, Gefreiten des Königs.«

      La Ramée stieß einen Schrei des Schreckens aus und stürzte nach dem Galgen, den er aus der Erde riß und in einige kleine Stücke zerbrach, die er zum Fenster hinaus warf. Er war im Begriffe, dasselbe mit dem Krebs zu thun, dergestalt hatte er den Verstand verloren, als Grimaud ihm denselben aus den Händen nahm und sagte:

      »Gut zum Essen.«

      Und er steckte-den Krebs in seine Tasche.

      Diesmal hatte der Herzog so großes Vergnügen an dieser Scene gesunden, daß er Grimaud die Rolle, die er dabei spielte, beinahe verzieh. Als er jedoch im Verlaufe des Tages über die Absicht nachdachte, welche sein Wächter dabei gehabt hatte, und diese Absicht ihm im Grunde schlecht vorkam, so fühlte er eine merkliche Zunahme seines Hasses gegen ihn.

      Aber die Geschichte von dem Krebse fand nichtsdestoweniger zur größten Verzweiflung von La Ramée, einen ungeheuren Wiederhall im Innern des Thurmes und auch außerhalb desselben. Herr von Chavigny, der in der Tiefe seines Herzens den Cardinal verabscheute, war bemüht, die Anecdote einigen wohlgesinnten Freunden anzuvertrauen, die sie sogleich verbreiteten.

      Mit dieser Geschichte brachte Herr von Beaufort zwei bis drei Tage zu.

      Mittlerweile hatte der Herzog unter seinen Wachen einen Mann von ziemlich gutem Aussehen bemerkt, den, er um so mehr liebkoste, als ihm Grimaud jeden Augenblick mehr mißfiel. Eines Morgens, als er diesen Mann bei Seite genommen hatte und mit ihm einige Zeit allein sprach, trat Grimaud ein, betrachtete, was vorging, näherte sich ehrfurchtsvoll der Wache und dem Prinzen und nahm die Wache beim Arme.

      »Was wollt Ihr?« fragte der Prinz mit hartem Tone.

      Grimaud führte die Wache einige Schritte weg, deutete auf die Thüre und sagte:

      »Geht.«

      Die Woche gehorchte.

      »Aber Ihr seid mir ganz unerträglich!« rief der Prinz.

      Grimaud verbeugte sich ehrfurchtsvoll.

      »Ich breche Euch die Knochen entzwei,« schrie der Prinz in Verzweiflung.

      Grimaud verbeugte sich zurückweichend.

      »Herr Spion,« fuhr der Herzog fort, »ich erdrossle Euch mit meinen Händen.«

      Grimaud verbeugte sich abermals und immer mehr zurückweichend.«

      »Und zwar,« versetzte der Prinz, welcher dachte, es wäre das Beste, sogleich ein Ende zu machen, »nicht später, als in diesem Augenblick.«

      Und er streckte seine krampfhaft zusammengezogenen Hände gegen Grimaud aus, der nun die Wache hinausstieß und die Thüre hinter ihr schloß. In diesem Augenblick fühlte er, wie die Hände des Prinzen sich auf seine eisernen Schultern herabsenkten. Aber statt zu rufen oder sich zu vertheidigen, beschränkte er sich darauf, langsam seinen Zeigefinger in die Höhe seiner Lippen tu führen und sein Gesicht mit seinem reizendsten Lächeln färbend, das Wort: »Stille!« mit halber Stimme zu sprechen.

      Ein Lächeln, eine Geberde und ein Wort von Grimaud war etwas so Seltenes, daß Seine Hoheit plötzlich voll Staunen inne hielt.

      Grimaud benützte diesen Augenblick, um aus dem Futter seines Wammses ein reizendes kleines Billet mit aristokratischem Siegel hervorzuziehen, dem sein langer Aufenthalt in den Kleidern von Grimaud seinen ersten Wohlgeruch nicht hatte benehmen können, und reichte es dem Herzog, ohne ein Wort zu sprechen.

      Immer mehr erstaunt, ließ der Herzog Grimaud los, nahm das Billet und rief, die Handschrift erkennend:

      »Von Frau von Montbazon!«

      Grimaud machte ein bejahendes Zeichen mit dem Kopfe.

      Der Herzog zerriß rasch den Umschlag, fuhr mit der Hand über die Augen und las, wie folgt:

      »Mein lieber Herzog!

      »Ihr könnt Euch vollkommen dem braven Burschen anvertrauen, der Euch dieses Billet zustellt, denn er ist der Bediente eines Edelmanns, welcher uns gehört und


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